^
Nein, dieser Wohlfühlfaktor ist oft der entscheidende Punkt bei der Verkehrsmittelwahl. Warum kaufen sich Menschen Sportwagen, SUVs oder Oberklasselimousinen obwohl sie damit genauso im Stau stehen wie mit einem Kleinwagen? Warum fahren Leute mit dem Auto in die Innenstädte, zahlen viel Geld für Sprit und Parkgebühren, obwohl es mit der Bahn viel schneller ginge? Weil sie das Auto als Teil ihrer Persönlichkeit, ihres Lebensstils und ihrer Individualität verstehen und der "Wohlfühlfaktor" dort höher ist als in einem anonymen Bus oder einer Bahn. Mit siffigen S-Bahnstationen, an denen die Deckenverkleidung fehlt und es nach Kloake stinkt, brettharten Sitzen in Stadtbahnen und vandalismuszerstörten Bushaltestellen lockt man solche Leute garantiert nicht in den ÖPNV.
Und genau das bewundere ich an den Franzosen, die das Kunststück fertiggebracht haben, Straßenbahnfahren zum Lifestyle-Erlebnis zu machen. Jede Stadt hat eigene Designer-Trams, die nicht als Verkehrshindernis, sondern als Wahrzeichen der Stadt wahrgenommen werden; individuelle, auf das Stadtbild abgestimmte Haltestellengestaltung, Stationsansagen mit jeweiliger Melodie untermalt und wenn man neue Strecken in die Innenstädte baut, gestaltet man den öffentlichen Raum so um, dass neue Plätze, Parks und Fußgängerzonen rund um die Strecke entstehen. Das mag manchen als alberne Spielerei erscheinen, aber es funktioniert: Die Leute lassen ihre Autos stehen, weil Tram fahren einfach chic ist.
Ja, ich weiß, das liebe Geld: Wo die Franzosen dank üppiger Zuschüsse und kommunaler Transportsteuereinnahmen (noch!) aus dem Vollen schöpfen können, ist bei uns Kürzen und Sparen angesagt. Aber man wird doch noch träumen dürfen...