Hallo Leute,
danke für eure Antworten. Ich gehe mal nur auf ein paar Argumente von Chandler ein, weil sie so beliebig sind. Ich gehe nicht auf alles ein.
Wir sollten uns allen nicht irgendeinen Simplizismus unterstellen.
Meine Position ist dialektisch, ganzheitlich, wobei ich den historischen Bezug in Berlin präferiere, weil so viel historische Identität fehlt.
Da sind wir schon beim ersten Argument von Chandler. Geh doch mal bitte in dich und falsifiziere dich selbst, statt dies von anderen erledigen zu lassen.
Ich bin selber Ossi und pfeife auf die Plattenbauten im Osten.
Und niemand will bedeutende historische Bauten in Berlin weghaben oder geringschätzen, nur weil sie nicht aus der eigenen Lebenszeit stammen. Das ist doch unglaublich, so zu argumentieren.
Lieber Chandler,
eine Stadt ist ein Organismus, der historisch gewachsen ist. Diese Organik ist in Berlin erheblich gestört, sodaß historische Bezüge hiervon wieder etwas wiedergutmachen. Niemand befürwortet Brachial-Rekonstruktionismus ohne Berücksichtigung der Nachkriegszeit.
Glaubst du wirklich, daß die Leute so ticken, wie du es darstellst? Vielleicht willst du es nur glauben.
Meine Postition ist ganzheitlich.
Ich möchte, daß viele Platten im Osten noch lange stehen bleiben und natürlich altern, also nicht brachial weggeholzt werden, sondern daß eine neue Stadt organisch und natürlich wächst. Und die sozialistischen Tot- und Fehlgeburten auf humane Weise langsam getilgt werden. Denn sie sind in der Tat auch meine Identität. Nur kann ich darauf langfristig verzichten.
Genauso ist es mit dem Marienviertel. Wir sollten in der Tat von diesem Defizitdenken wegkommen und den sozialistischen Städtebau respektieren und akzeptieren - für die Zeit, die er noch steht. Er hat seinen Platz.
Es wäre eine Vergewaltigung, jetzt oder sehr bald dort etwas neues zu starten. Das meine ich mit Ganzheitlichkeit. Spätestens 2020 werden wir uns stärker dem Marienviertel zuwenden.
Wir sollten uns mit dem Wiederaufbau Berlins vor allen Dingen Zeit und Muße lassen.
Ich finde zum Beispiel die Bauten vom Palais Behrens toll, die ich vor kurzem hier sah. Es ist einfach eine Freude, wie hier etwas historische Würde des alten Berlins wiederzurückkehrt.
Für den Bereich zwischen Alex, Brandenburger Tor und Potsdamer Platz sollte das die Marschrichtung sein. Moderne Architektur hat hier nur den Reiz einer kleinen kontrastierenden Zugabe.
Es sind nicht nur die Gebäude weg sondern auch die Menschen die sie schufen und die dort lebten. Deren Lebensweise ist Vergangenheit, die alte kleine Stadt von damals gibt es nicht mehr. Für unsere "Identität" sind Gebäude die während unseres Lebens gar nicht existierten logischerweise nicht von Bedeutung. "Wir" haben sie auch nicht verloren wir hatten sie nie. "Wir" sind nicht unsere Urgroßeltern.
Also auf mich trifft deine "Erkenntnis" schon mal nicht zu. Dein Einblick in die emotionale Welt deiner Mitmenschen scheint nicht ganz richtig zu sein. Für meine Identität ist das alte Berlin sehr sehr wichtig und es ist eine große Freude, die historisierenden Bauten wie Adlon oder Palais Behrens zu erleben. Dein Argument ist konstruiert, da du die historische Fassung der Stadt und deren Überreste ausblendest. Ich will nur zeigen, wie künstlich deine Argumentation ist. Wenn neben einem wunderschönen Altbau ein häßliches Parkhaus steht, bekommt auch der Nachgeborene Bauchschmerzen.
Aus dem vorhandenen alten Berlin ergibt sich also die Sehnsucht, das alte (in modifizierter Form) wiederzuerlangen.
Unser Bild von einer Stadt wird von den markanten Gebäuden geprägt die wir erleben. Und es ist dabei bedeutungslos wie alt sie sind.
Ich kann diese irrationale Überhöhung lange zerstörter Gebäude nicht nachvollziehen. Das waren auch bloß alte Sachen. Die sind nicht bedeutungsvoller oder wertvoller oder wichtiger für unser heutiges Leben als verschrottete alte Autos, zerstörte alte Möbel usw. Und auch nicht wichtiger als neue Gebäude.
Was hältst du eigentlich vom VW New Beetle oder vom Mini? Oder vom Maybach?
Dein Vergleich ist tendenziös und interessengeleitet, Gebäude werden nicht planmäßig nach einer Zeit verschrottet.
Deine Vergleiche und Argumente sind im Großen und Ganzen beliebig.
Sie bestehen aus Rationalisierungen, Konstruktionen und Intellektualisierungen. Du stellst Zusammenhänge her, die nicht notwendig so existieren, wie du sie darstellst. Es ist völlig okay, wenn du die DDR-Moderne gut findest.
Wir sollten zu einem Nenner kommen, daß ich es auch als Vergewaltigung empfinde, die DDR-Moderne nicht altern zu lassen. Mich würde es auch stören, wenn man im Marienviertel jetzt anfinge groß loszulegen.
Das ist auch ein Problem für dieses Forum, was ich auch im SSC schon öfter angesprochen habe. Wir können mit der Stadt nicht Playmobil spielen und dauernd alles über einen Haufen werfen. Seien unsere ästhetischen Vorstellungen noch so schön.
Mir persönlich ist das auch ein Herzensanliegen. Daß man die Stadt natürlich wachsen und sich verändern läßt, sie also als Heimat begreift. Es ist gut für Berlin, wenn es in Zukunft etwas langsamer vor sich geht - und wir mal an einen gewissen Status quo ankommen. Daß Berlin also mal etwas zur Ruhe kommt und sich so etwas wie ein Ist-Zustand bildet.
Ich möchte also auch, daß der sozialistische Städtebau noch eine Weile existiert - zum Beispiel in der Wilhelmstraße, am Fernsehturm.
Im Marienviertel ist in der Tat keine Not am Mann. Das kann auch erst mal alles so bleiben. Da können wir uns auch noch in zwanzig Jahren drum kümmern. Das wäre für mich ein natürliches Städtewachstum.
Das meine ich mit ganzheitlich. Die DDR-Moderne gehört zumindest temporär zur Identität Berlins. Wir sollten respektvoll mit jedem städtischen Erbe umgehen. Mit dem Defizit-Denken aufhören. Und Berlin als neue Ganzheit begreifen und respektieren.