Beiträge von Echter Berliner

    Die Deutsche Einheit von 1871 sehe ich nicht als etwas an, was man heute feiern sollte. Man hat mehrere Kriege geführt und Frankreich bewusst gedemütigt um das zu erreichen. 1914 war eine Folge dieser Einheit und das feier ich nicht. Die Kolonnaden wieder aufzubauen hieße, sich positiv zur Einheit von 1871 zu bekennen, inkl. der Spätfolgen. Das sehe ich nicht als eine der Säulen der Bundesrepublik.


    Diese Äußerungen geben perfekt die deutsche Nationaldepression und den zwanghaften Schuldkult wieder.


    Ich habe früher auch so defätistisch auf die Geschichte gesehen, überall nur die totale Schuld erblickt und bin in Scham versunken. Dann aber habe ich die Unschuldsvermutung und das System des Gutmenschentums und der politischen Korrektheit entdeckt. :)


    Und siehe da: Es taten sich andere Perspektiven auf. Der Krieg mit dem Franzmann war nötig, weil letzterer es nicht akzeptiert hätte, wenn ein deutsches Kaiserreich ausgerufen worden wäre. So lief das damals halt, und andere hätten auch so gehandelt.


    Ist ein bißchen so, wie wenn man jetzt über Luthers Antisemitismus heult. Gut, man kann ihn erwähnen. Diese fetischhafte Überbetonung im Gedenkjahr hat eben auch viel mit dem 12jährigen Reich zu tun. Man kan Luther sozusagen nicht mit den Nazis in Ruhe lassen.


    Ich sehe jedenfalls allerorten nur Neurosen und sich selbst produzierende Gutmenschen, die wirklich wie Hirnis der rituellen Moral hinterher laufen.


    Daß der Preuße den Bayern schlagen mußte, um die Einheit zu erreichen ist auch normales Busineß dazumalen gewesen. Ich finde es irgendwie doch etwas pedantisch und zwanghaft, da heutige Maßstäbe anzulegen.


    Ich hätte auch gerne auf die Einigungskriege verzichtet. Damals gab es aber noch keinen Zivildienst, geschweige denn Gender, Diversity und ein trans- und homophiles Heer. Damit wäre sicherlich vieles besser gelaufen. :)


    Die anderen Nationen haben nicht diesen historischen Waschzwang. Das müssen wir Deutschen erst noch lernen, daß wir das Dritte Reich als Singularität, als Unfall ansehen und die damit verbundenen Schuldgefühle nicht infantil auf dem Rest der deutschen Geschichte abladen. Dieser letzte Punkt ist, glaube ich, der Kern unserer Probleme.


    Das sind doch alles sehr offenkundige tiefenpsychologische Prozesse. Du scheinst auf dem 68er Dämonisierungspfad zu wandeln, wenn du die Einigungskriege mit dem Ersten Weltkrieg in Verbindung bringst. Du betreibst gewissermaßen einen Geschichtsreduktionismus bzw. -defätismus von 1870 bis 1914.


    Na ja, das Schöne ist, daß in künftigen Jahrzehnten man immer entspannter auf diese Dinge blickt und dort weniger gewisse ideologische Komplexe und Befindlichkeiten unterbringt. :)


    Manch einer sollte sich mal fragen, warum die Kolonnaden angeblich solch ein Unding sind und warum sie quasi so unerbittlich für bestimmte Ereignisse herhalten müssen - gleich als ob man eine gute Tat beginge, wenn man die Kolonnaden entsorgt.


    Mit dieser Haltung müßte man wohl so manche Sehenswürdigkeit weltweit entsorgen. Es geht doch nichts über den unerbittlichen Blick der Gegenwart auf die ferne Vergangenheit. Du bist aber nicht bei den Jungen Grünen, oder? :)

    Ich sehe seit 2016 sehr vieles, was mich vom neuen Teil der Bundesrepublik trennt. Aktuell ein Einheitsdenkmal zu bauen scheint mir wie die Beschwörung einer Idee, die oberflächlich doch sehr unterschiedliche Auffassungen von unserem Staatswesen überdecken soll.


    Also ich habe schon seit 1990 größtes Unbehagen mit dem neuen Teil der Bundesrepublik. Eine aus meiner Sicht zutiefst kaputte Gesellschaft, die sich hinter schönen Wörtern wie Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Wettbewerb versteckt, aber nicht sehen will, wie inhuman und dekadent sie ist.


    Ich frage mich immer, wie die Leute es dort mit diesen Einschränkungen überhaupt ausgehalten haben. Aber es dauert eben lange, bis man aufbegehrt. Die Westdeutschen sind eben noch entsprechend stark gehirngewaschen und brauchen wohl noch etwas Zeit, um ihre Markt- und Konkurrenzdiktatur zu hinterfragen, die so viel Leben abtötet.


    Aber was soll der Ami sagen mit seiner Ost-West-Küste, seinen Fly-over-states und seinem Bible-Belt? Da gibt es auch große Unterschiede im Lande.


    Und das Einheitsdenkmal beschreibt ja nicht nur die aktuelle Einheit, sondern auch die von 1871-1949.


    Ich sehe einen validen Kritikpunkt in der zeitlichen Dimension. Dieses Denkmal könnte man auch noch in 10 Jahren aufstellen. Oder gleich in 23 Jahren, also 2040.


    Und warum man heutzutage für jemanden ein Denkmal wieder aufbauen sollte, den wir heute wohl kaum nochmal ehren würden verstehe ich auch nicht. Trotz geschichtlicher Bedeutung ist der Beitrag von Wilhelm I zu unserem demokratischen Staatswesen überschaubar. Und die Kolonnaden gehören nunmal zu seinem Denkmal.


    Ergo: Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche abreißen? :)


    Also man kann es auch ein bißchen übertreiben mit dem Formalismus. Natürlich soll der Wilhelm und dem ihm sein Pferd weg. So sieht es in meinem Entwurf aus, den ich beizeiten noch mal explizit postiere. Nur weil wir die Kolonnaden aufbauen, ehren wir nicht automatisch den Wilhelm.


    Selbiges gilt für die Neue Reichskanzlei :eek:

    Vielleicht sollten wir uns darauf einigen, keine komplett unrepäsentativen Online-Befragungen mehr als repräsentative Umfragen auszugeben


    Hat das jemand getan? Kläre uns auf.


    Blaines Punkt ist durchaus ein Teil der Gesamtwahrheit. Wer interessiert ist, hat mehr Ahnung vom Thema, fällt ein fundierteres Urteil. Daher gibt es ja auch Jurys.


    Ich habe so meine Zweifel, ob Architektenkind seinen obigen Beitrag geschrieben hätte, wenn die deutliche Mehrheit die Wippe favorisiert hätte.


    Nicht mehr lange, und Echter Berliner wird seinen kongenialen Entwurf für das Einheitsdenkmal postieren. Er besteht in einer Verbindung von Kaiserreich und moderner Gedenkkultur. Wie ich schon schrieb, kommt der Wilhelm weg, und sein unmittelbarer Sockel wird durch einen abstrakten Quader aus schwarzem Marmor ersetzt, auf dem wichtige Stationen der Nationalisierung von 1806 bis 1999 eingraviert sein werden.


    Also pompös und schlicht in einem. Berauschender, ungebrochener Patriotismus verbunden mit einer modernen Demutsgeste, die den suboptimalen Verlauf der deutschen Geschichte illustriert - aber eben nicht den Weg der Selbstverleugnung der Geschichte vor 1933 geht, der vielen Linken und Mutti-Parteigängern heute so wichtig ist.

    Also, ich finde den Bau gut. :)


    Er hat eine nüchterne, minimalistische Ästhetik und bildet einen schönen Kontrast zu den Altbauten.


    Erinnert mich an gute Nachkriegslückenfüllungen. Wo man also ein bißchen mehr Anspruch hat walten lassen. Der Bau hat angenehme Variationen und könnte vielleicht nur noch dadurch verbessert werden, daß man die große vertikale weiße Fläche in einem Grauton gestaltet hätte. Dann hätte der Bau noch mehr Klasse. :)


    Ist keine Provokation. Ich mag halt schönen Minimalismus. :)


    Der Bau hat allemal mehr Anspruch als so manche schnöde Lückenfüllung von heute oder auch aus Nachkriegsjahrzehnten.

    Zudem hält er es für unglaubwürdig, dass der Haushaltsausschuss 15 Millionen Euro für das Freiheits- und Einheitsdenkmal wegen zu hoher Kosten gestoppt hat und kurz darauf 18,5 Millionen Euro für die Kaiser-Wilhelm-Kolonnaden bewilligt hat. Er zeigt sich über die Entscheidungen entsetzt und hält sie für geschichtspolitisch fatal.


    "Geschichtspolitisch fatal"? Na ja, er ist ja in der SPD und muß Deutschland vor einer völlig normalen und gesunden Entwicklung des Nationalbewußtseins beschützen.


    Man könnte mit den Kolonnaden ein ideales dialektisches Einheitsdenkmal errichten - ohne historischen Waschzwang. Also Integration des zweiten Reichs in ein modernes Denkmal. Ich habe das sogar schon mit "Paint" ein bißchen hinbekommen. Werde ich mal hier demnächst posten.


    Genauso lächerlich, wie wir Deutschen einem gewissen Österreicher hinterher gelaufen sind, genauso lächerlich machen wir uns jetzt in die Hose, wenn es um ein bißchen Affirmation des Deutschland vor 1933 geht.


    Und die 18 Millionen für die Kolonnaden sind sicherlich besser angelegt als die 15 Millionen für ein Quatsch-Denkmal mit Sicherheitsmängeln, das eher Ausdruck einer zu überwindenden Infantilität ist, auf welcher Leute wie Björn Höcke fröhlich daher surfen.


    Man könnte mit einem dialektischen, integrierenden Einheitsdenkmal ein Zeichen setzen für unsere Gesellschaft und dafür, daß "ewige Schuld" kein sinnvolles Konzept ist.

    Der Cube wirkt eben nur durch diese langweiligen Rasterfassaden der Umgebung. Tatsächlich handelt es sich aber auch nur um eine weitere langweilige Kiste, nur halt aus Glas und das ist eben der Kontrast zu den monotonen Fassaden der Nachbargebäude. Der Cube ist keine große Kunst. Was hieran interessant oder gar spektakulär sein soll, erschließt sich mir nicht. Ehrlich Leute, wir stumpfen scheinbar alle ab. Durch die Standardisierung niveau- und qualitätsloser Architektur werden wir alle dazu erzogen, diese Architektur gut zu finden. Ein echtes Trauerspiel!


    Und wie schaffst du es, nicht entsprechend erzogen zu werden? Erklär' uns doch mal diese Paradoxie. :) Das wird bestimmt spannend.


    Kurz und gut: Alle Bauten auf dem W-Platz sind gut, mal abgesehen von diesem Meininger, wobei dort auch nur ein paar Details fehlen, um selbst so einen Bau halbwegs annehmbar hinzukriegen. Da fehlt vor allem die Stringenz, die durchgezogene Ästhetik.


    Mir gefallen sowohl der Borg-Würfel als auch das Trump Kennedy-Haus. Es ist tatsächlich alles eine Sache des Kontextes. Und im Falle des Cubes stimmt der Kontext. Es gibt genug wirklich schlimme Architektur in Berlin. Die drei Gebäude gehören definitiv nicht dazu.


    Sneyder hat sich wohl eher als so eine Art Architektur-Motzki betätigt. :)

    Also laut dieser Seite ist der Dom zumindest de facto und inoffiziell die Hauptkirche der Protestanten. Alles andere wäre ja auch merkwürdig. Nur die Frauenkirche in Dresden käme meines Erachtens dafür noch infrage.


    In Deutschland haben wir nun mal ca. 50 Millionen offizielle Christen, auch wenn das hier einigen nicht paßt. Noch mehr Christen haben wir, wenn man die inoffiziellen dazuzählt.


    Archifan: Wenn deinen Eltern das Schloß bis 2005 unbekannt gewesen ist, gehören sie wohl zu den bildungsfernen Schichten, denn das Schloß ist zumindest durch die Sprengung durch Ulbricht und durch das boddiensche Werbe-Schloß doch ziemlich bekannt. Die Schloßsprengung war ja ein ähnliches Fanal wie der Mauerbau.

    Christen sind in Deutschland ungefähr 50 Millionen. Gläubige nichtkonfessioneller vermutlich noch viel mehr. Religiosität ist ja nicht an eine Mitgliedschaft gebunden. In Ostdeutschland wuchs z.B. nach 1990 der Anteil der Menschen deutlich, die sich als religiös ansehen.


    Meines Wissens ist der Berliner Dom die Hauptkirche der ev. Kirche in Deutschland.


    Die Frage der Kuppelkonkurrenz sehe ich als unerheblich an. Hauptsache historisch. Ist mir doch egal, ob nun das Schloß oder der Dom den Kuppel-Battle gewinnt. :)


    Eine Rekonstruktion der alten Kuppeln vom Dom würde ich sehr begrüßen. So sieht er wesentlich eleganter aus - und Berlin fühlt sich wieder ein Stück berlinerischer an.

    Wird "Trump" jetzt das neue Lieblingswort von Rekogegnern, wenn sie keine sachlichen Argumente haben, quasi als Ersatz für "Disneyland"? Deine Wortwahl klingt ganz nach unserem tollen "Star"-Architekten Libeskind. Trump hat noch nie in seinem Leben mit Rekonstruktionen zu tun gehabt. Von daher ist diese Wortwahl genaus wie "Disneyland" im Zusammenhang mit Rekos völlig absurd.


    Meiner Meinung nach ist es mehr als offensichtlich, daß ich hier "Trump" erstens in einem metaphorischen und zweitens einem ironischen Sinne anführe. So wie Trump manch Weltproblem lösen will, so gehen manche Reko-Befürworter an Architekturprobleme heran.


    Ich bin übrigens keiner dieser linken Trump-Hypochonder, aber ein bißchen Kritik an ihm wird ja wohl noch erlaubt sein. :)


    Gibt es für dich wirklich keinerlei Nachkriegsarchitektur, die man als gelungen bezeichnen kann? Dann scheinst du wohl wirklich ein Reko-Trump zu sein. :)


    Mir fielen der Fernsehturm, die neue Gedächtniskirche und noch so manches Wohnhaus in Altbauquartieren ein. Bei Nach-Wende-Architektur fiele mir noch eine ganze Menge mehr ein.


    Martintre
    Dein Vergleich hinkt etwas, da der Brunnen ja kein Bestandteil des Schlosses war.


    @Klaas Sneyder
    Der Platz der Republik ist doch nach wie vor vorhanden. Das wichtigste Gebäude dort steht immer noch. Der Vergleich hinkt etwas - und wohl auch nicht zufällig. Da die neue Siegessäule eben ein guter Spin der Nazis war - egal, ob man die Nazis jetzt gut findet oder weniger gut. :)


    Der Neptunbrunnen ist städtebaulich gewissermaßen die Siegessäule des Sozialismus. Und je mehr Zeit verstreicht, desto schwieriger wird es werden, die jetzige Semantik zu eliminieren.


    Ich habe nichts dagegen, wenn der Brunnen einmal wieder zum Schloß zurückkehrt. Ich möchte nur nicht, daß dies "rekoistisch" und fanatisch geschieht. Die Schloßfreunde muß doch eine Menge reiten, wenn sie völlig ohne Not den Brunnen so schnell wie möglich wieder am Schloß haben wollen, ohne daß es ein sinnvolles Nachfolgekonzept für das Rathausforum gibt.


    Das ist eben Rekoismus. Oder soll ich es Rekozentrik nennen? :)


    Diese historische Zwanghaftigkeit wird übrigens zu Recht manchmal kritisiert, und da könnten die Freunde der Historie Berlins einiges für ihre Außenwahrnehmung tun.

    Na, wie erfreulich, daß uns in dieser Causa weder der sozialistische noch der rekoegoistische noch ein Mittelweg den Tod bringen.


    Ich weiß, was adäquat heißt. Was aber ist ein adäquates Schloßumfeld? Vermutlich der "Mittelweg", welcher sowohl die jüngere als auch die ältere Tradition respektiert.


    Noch mal die Frage an die Reko-Egoisten: Wollt Ihr die Siegessäule wieder vor den Reichstag stellen, um so wieder ein "adäquates" Stadtbild herzustellen?


    Städtebau funktioniert nicht nach der Methode Trump. Deshalb benutze ich auch immer schön Wörter wie "ganzheitlich" und "dialektisch". :)


    Die "konsum-orientierten Dummbatzen" sind manchmal einfach nur Bürger, die nur die DDR-Historie erlebt haben und ansonsten einfach nichts Genaueres über das Schloßumfeld wissen. Die würden den Brunnen halt auf dem Rathausforum vermissen.


    Glücklicherweise gibt es den Mittelweg, welcher darin besteht, erst mal 10 Jahre zu warten, die Gegenwart zu respektieren und dann evtl. den Brunnen vor's Schloß zu setzen oder eine moderne Replik. Berlinerischer wäre sicherlich eine moderne Replik. Wertschätzung gegenüber der eigenen Stadthistorie kann auch darin zum Ausdruck kommen, daß man die Nachkriegsgeschichte respektiert.


    So einfach ist die Sache eben nicht, wie es sich manch Holzhammer-Rekoist ausmalt. Die Reko-Fraktion könnte mehr für ihre Sache tun, wenn sie ausgewogener argumentierte.


    Dies alles hier schreibt gleichwohl jemand, der sich allgemein mehr historische Rückorientierung wünscht als in den letzten 20 Jahren geschehen. Es ist aber nichts gewonnen, wenn der Wunsch nach mehr Vorkriegshistorie dazu führt, daß wertvolle Nachkriegshistorie eliminiert wird. Oder sich das Stadtbild einfach zu schnell verändert, seien die Absichten auch noch so gut.

    Mal als Laie gefragt: Was wäre denn die Alternative? Ist nicht alles irgendwie Raster? Okay, man könnte eine Glasfassade davor setzen.


    Ich finde diesen Entwurf in seiner Stringenz und den subtilen Variationen gut. Es kommt wohl mehr auf die Mischung an. In der Umgebung braucht man auch viele andere Stile. Der Entwurf sieht immerhin zehnmal besser aus als ein typischer 70er-Jahre-Bau. Gerade das Staffelgeschoß ist reizvoll, wenn damit der Anschluß zu einem Altbau hergestellt wird.


    Dann hat man immer das gute Gefühl, hier hat man verstanden. Trotz moderner Fassade macht man Zugeständnisse an traditionelle Bauformen und die Umgebung. Gerade so kann moderne Architektur richtig gut wirken.

    nun ja, es ist äusserst bedauerlich, wenn verbohrtes ideologisches Denken und Handeln die Wiederherstellung des adäquaten Schlossumfeldes verhindern wird....die finanziellen Mittel sind zugesagt und bereitgestellt...sei es der Schlossbrunnen und respektive die Kolonnaden....aber es wird gezickt ohne Ende und das Stadtbild Berlins wird letztendlich verlieren...vielleicht kann es die nächste Generation realisieren ?


    Was ist denn ein "adäquates Schloßumfeld"? Ich sehe das Problem eher in Reko-Egoismus und in postsozialistischem Weltschmerz. Beides ist kontraproduktiv.


    Beides sind letztlich Extrempositionen. In beiden läßt sich eine gewisse Verbohrtheit erkennen. Für die einen ist die Tradition ein negativer Fetisch, für die anderen ein positiver.


    Ein Mittelweg wäre besser. Der Neptunbrunnen :) bleibt vorerst, wo er ist. Die Kolonnaden und Mosaike werden rekonstruiert. Ich würde ja eine minimalistisch gepixelte Replik des Schloßbrunnens bevorzugen. Oder eine Lego-Variante. Jedenfalls etwas Modernes, das aber deutlich das Original zitiert. Daß an die alte Stelle des Brunnes etwas hin muß, das müßte zumindest schon mal Konsens sein.


    Dies wäre ein Weg, der Stadtbild und Identität am wenigsten beschädigt, da das Rathausforum vertraut bleibt, unverändert, und weil der Wehmut nach dem alten Schloß genüge getan wird, indem man sich sehr deutlich auf die Histrorie bezieht.


    Was schätzt denn der gemeine DAF-User, wieviel Prozent der eingeborenen Berliner davon wissen, daß der Neptunbrunnen ehedem neben dem Schloß stand? Daß da überhaupt an der Stelle mal etwas stand?


    Ich schätze, das sind weniger als 20% der Berliner. Ich kenne eingeborene Berliner, die noch nicht mal den Leipziger Platz kennen (jedenfalls bis zur Eröffnung von LP12) oder wissen, daß Neukölln früher zu Westberlin gehörte.

    Ein hervorragendes Projekt :daumen: Man sieht, welcher Baustil auch nach über 100 Jahren in jedem Fall immer gut ankommt.
    Die Bausünden aus den 50er, 60er und 70er Jahre werden sich nie wieder wiederholen.


    Also ich als Neuling in diesem Fred kann ganz unvoreingenommen bestätigen, daß Jack ganz offensichtlich eine allgemeine Aussage über die Popularität gewisser Baustile äußerte und sich nicht auf etwaige Bauten aus den 50ern bis 70ern direkt am Platze bezog. So habe ich es jedenfalls vor Kenntnisnahme des dann folgenden Disputs verstanden. :)


    Ansonsten freue ich mich natürlich auch über diesen Stil. Jack hat in der Tat recht mit seiner These, daß der Schrott der Nachkriegsmoderne eben Schrott ist und nicht in den Architekturkanon eingeht, abgesehen von vielleicht ein paar gelungenen Projekten, wo wirklich ein Gestaltungswille erkennbar ist.


    Würde denn heute noch jemand im Stil der Rathauspassagen bauen? Die sind zwar verhältnismäßig gelungen für diese Zeit und diesen Ort, aber eben wirklich nur noch als historisches Dokument interessant, nicht als ästhetische Glanzleistung.


    Dagegen können die historisierenden Bauten seit den 80er Jahren durchaus eine eigene Originalität aufweisen und einen gewissen Esprit entfalten, gerade weil man ihnen ansieht, daß sie auch ein bißchen modern sind.

    Also meines Wissens war Holm 18, als er sich für die Stasi verpflichtete. Dort diente er dann fünf Monate. Nicht auszudenken, wenn er zum Wachpersonal an der Bornholmer Straße gehört hätte.


    Dann würde er heute als Held gefeiert werden und hätte öffentliche Auftritte, die von Vertretern aller Parteien beklatscht würden. :)

    Es ist doch eigentlich ganz einfach. Es gibt eine neue Tradition des Brunnens auf dem Rathausforum.


    Will hier eigentlich jemand der Reko-Freunde die Marienkirche wieder in ihren Originalzustand versetzen - um mal polemisch zu fragen?


    Wir bewerten diese Traditionen unterschiedlich, und das soll ja auch so sein. Mein Punkt ist, daß eine sofortige Umsetzung unnötig zerstörerisch wirkt in bezug auf die neue Tradition.


    Man kann den Brunnen doch umsetzen, wenn man wirklich ein ernsthaftes Konzept für's Rathausforum hat. Alles andere ist Reko-Egozentrik.


    Bitte mehr Augenmaß. Dann fällt vielleicht auch auf, daß das Schloßumfeld nach Süden hin heute sehr anders aussieht als dazumalen. Deshalb ist eine Umsetzung nicht so selbstverständlich, wie es postuliert wird. Gerade ein neuer Brunnen könnte dort meiner Meinung nach eine ganz eigene Wirkung entfalten und mehr Potential zusammen mit dem Neptunbrunnen entwickeln.


    Es müßte doch jetzt wirklich jeder mitbekommen habe, daß ich ein regelrechter Traditionsenthusiast bin verglichen mit Lüschern und den Rotrotgrünen. Ich habe aber keine Lust auf Reko-Brutalismus bzw. auf einen Reko-Tunnelblick, der die Dialektiken Berlins ignoriert.


    Mich stören Ideologie und Dogmatismus, egal ob nun in die modernistische oder traditionelle Richtung.


    Zitat von Wilmerdorfer

    in Berlin haben wir eigentlich weiß Gott genug "Dialektik" und den "Geschichtsunterricht live" gibts auch überall gratis...z.B., wenn in ein -und derselben Straße die Häuserzeile auf der einen Straßenseite noch intakt "altertümlich" ist und die andere Seite mit meist dem diskreten Charme der 50-er bis 70er Jahre ziemlich ahistorisch neubebaut wurde.


    Es geht hier natürlich um emphatische, pointierte Dialektiken und nicht bloß um Allerweltsmerkmale einer kriegszerstörten Stadt. Das versteht sich wohl von selbst.


    Und wenn Berlin nun keine ironische und gebrochene Stadt ist, welche dann? Straßenbahnen fahren nur im Osten. Doppeldecker nur im Westen. Von Ausnahmen abgesehen. Zwei Zoos. Bald zwei Schloßportale. Bahnhöfe, die es gar nicht mehr gibt (Anhalter, Görlitzer).


    Die Unterscheidung in gebrochene und ungebrochene Städte ist selbstverständlich idealtypisch.

    Zudem sind die Figuren völlig verkalkt und müssen zur Restaurierung sowieso abgebaut werden. Bei dieser Gelegenheit können sie auch gleich in ein kleineres Becken auf dem historischen Schlossplatz umziehen. Auf dem Rathausforum sollte man stattdessen einen modernen Ersatzbrunnen, das Marx-Engels-Denkmal oder passenderweise die berühmte Berolina aufstellen.


    Der Neptunbrunnen macht sich doch auf dem Rathausforum sehr gut und veranschaulicht die Geschichte Berlins nach '45. Die Umstellung des Brunnens ist insofern eine Schnapsidee, als eine gut etablierte "schwache Tradition" einer fragwürdigen "starken Tradition" geopfert wird. Wir haben heute eine völlig andere Situation am Schloßplatz als dazumalen. Daher ist eine Brunnenumsetzung auch nicht das Selbstverständlichste von der Welt, wie es einige hier zu suggerieren versuchen.


    Man sollte erst mal mindestens 10 Jahre warten und dann neu nachdenken. Ich empfinde es als ausgesprochenen Egoismus der Schloßfreunde, wenn sie ohne Sinn und Verstand ihren lieblichen "Schloßbrunnen" wiederhaben wollen. Das kann man vielleicht in 20 Jahren machen. Im Moment ist es eine Vergewaltigung eines vertrauten Stadtraumes, nämlich des Rathausforums.


    Nichts gegen Historizität, aber man kann alles übertreiben und auch auf diesem Wege Kulturfrevel anstellen.


    In 10 bis 20 Jahren sind wir schlauer. Ich würde ja für eine moderne Replik des Neptunbrunnens vor dem Schloß plädieren. Das würde die Nachkriegsgeschichte nicht negieren, eine neue Dialektik herstellen und sehr schön Geschichtsunterricht live bedeuten.


    Dann kann man unmittelbar vor Ort erfahren, wie nach dem Krieg mit dem Schloß umgegangen wurde: Schloß weg, Brunnen vor's Rathaus. Ein Portal ins Staatsrats-Gebäude. Gerade neben der langen Barockfassade am Schloßplatz würde sich ein zeitgemäßer "Kommentar" wunderbar machen. Und auch für Touristen wäre solch ein Doppelbrunnen wie das Doppelschloßportal ein typischer Berolinismus. Ungebrochene, unironische Städte können sie in Paris oder Wien bestaunen. Es bezweifelt ja kaum jemand, daß man sich in Berlin allgemein zu wenig an der Historie orientiert, aber meiner Meinung nach gibt es auch das gegenteilige Übel, wenn man sich zu sklavisch an historischen Vorgaben orientiert oder eine Pseudohistorizität herstellt wie mit einer barocken Ostfassade des Schlosses. Ähnlich morbid und nekrophil kommt es mir im Moment vor, wenn man sogleich den Neptunbrunnen vor's Schloß setzen und die totale Historizität wiederherstellen wollte. :)


    In Potsdam ginge das vielleicht, gerade in Berlin ist es aber fehl am Platze.


    Ich finde es immer jammerschade, wie plump Berlin mit seinem geschichtlichen Vermächtnis umgeht. Man sollte da eine integrative Haltung entwickeln und versuchen, Vorkriegs- und Nachkriegsgeschichte zu versöhnen.

    ^^Am besten man reisst gleich alle Gebäude ab die zwischen 1945 und 1990 gebaut wurden!


    Dann blieben aber die Platten stehen, die erst 1991 vollendet wurden - um mal etwas zu klugscheißen und sarkastisch zu werden.


    Wurde zwar schon tausendmal gesagt, aber Konstanz und Heimat sind wichtig für die Leute, die in Berlin geboren sind und wohnen. Das ist auch Stadtqualität.


    Berlin ist ja in erster Linie für die Berliner da, falls das jemand vergessen haben sollte. Mit dem Abriß der östlichen Ostplatte kann ich leben, aber auch nur, wenn da wirklich ein imposanter Patzschke hinkommt wie auf den ersten Entwürfen, der wirklich dem Ort gerecht wird.


    Die westlichen Ostplatten sollten noch viele Jahre stehen bleiben und von fernen Zeiten künden. :)


    Sie liefern genau den richtigen morbiden Berlin-Charme ab. Diese Zusammenschau aus Holocaustmahnmal, Platten, Ministergärten und der Rückseite vom Pariser Platz ist einzigartig und atmosphärisch. Wenn diese Platten am Mahnmal jemals abgerissen werden würden, müßte dort der tolle (andere) Patzschke hin. Allerdings meine ich mitbekommen zu haben, daß jetzt dieses völlig würdelose "Berlin-Carré" auf Westniveau dort hinkommen soll, welches diesen Ort völlig trivialisieren würde.


    Dann lieber die Platten. Das Holocaustmahnmal ist eines der besten Mahnmale Berlins, wenn nicht der Welt. Die jetzigen Platten sind wenigstens authentisch. Da spürt man ein bißchen Kalten Krieg.


    Ich bin bekanntlich kein Vergangenheitsneurotiker, aber an solch einem erstklassigen Ort muß dieser tolle klassische Patzschke hin.

    Wie, in aller Welt, kommt man auf so einen Gedanken?


    Das ist ein leicht erkennbarer humoresker Beitrag, der vermitteln soll, daß man selbst solch ein Wahnsinnsprojekt wie Germania aus privaten Mitteln bauen könnte. Mit diesem Mittel der Übertreibung wollte ich veranschaulichen, was wir Deutschen doch für Krämerseelen sind. :)


    Ein zusätzlicher Reiz bestand natürlich darin, hier die Möglichkeit zu suggerieren, daß ich ein begeisterter Fan eines solchen Projektes wäre und den Nazis nahestehe, was selbstredend nicht der Fall ist.


    Zum Problem der Innenräume: Gewiß ist das Schloßumfeld erst mal wichtiger. Und gewiß geht es hier auch nicht darum, alle Räume zu rekonstruieren. Man sollte aber das Schloß langfristig veredeln, indem man z.B. nur einen Raum wirklich wiederherstellt. Das hätte schon einen drastischen, surrealen und didaktischen Effekt. Andere Leute kennen sich besser mit dem Schloß aus. Die wissen womöglich, was sich am besten anbietet.

    Die Zimmer wären auch nun wirklich Quatsch. Der Reiz alter Schlossräume liegt ausschließlich darin, dass dort einmal Königs gelebt haben, ein authentisches Erinnermich. Das funktioniert mit Replikas einfach nicht.


    Dein Einwand ist prinzipiell richtig, aber dennoch überzogen. Einzelne rekonstruierte Innenräume können vielleicht nicht die Aura von den Originalen erzeugen, aber eben einen besseren Eindruck des historischen Schlosses vermitteln und den Bau als ganzen veredeln, wie ich finde. Es hat also durchaus etwas für sich.


    Und die rekonstruierten Schloßfassaden haben eben auch nicht die Aura der Originale. Aber man kann sich so immerhin das originale Schloß und die damaligen Zeiten gut imaginieren.


    Zitat von Kieselgur

    Allerdings ist das Humboldtforum ein heiß diskutiertes Politikum, bei der der Bund nicht mal so einfach sagen kann, er begleicht schon den Rest der Rechnung.


    Was bei der hoch umstrittenen Flüchtlingskrise auf einmal geht, das geht auch beim Schloß. Ich denke, die meisten Leute begreifen, daß der Bund nur symbolisch eintritt, quasi seine Fittiche drüber hält, Geburtshelfer ist. Es ist doch gerade der Anspruch der Befürworter und Spender, daß man die formale Lücke selbst schließt, auch wenn der Bund eine gewisse Sicherheit gewährleistet. Mein Anspruch ist das jedenfalls, und ich werde mein Spenderverhalten danach ausrichten und auch versuchen, andere zu überzeugen.


    Moneten haben die Deutschen mehr als genug. Man könnte ganz Germania aufbauen aus privaten Mitteln - wenn man denn wollte.