U5-Verlängerung Europaviertel (Baustellenbesichtigung 24.4.2025)
Einige Foristen hatten die Gelegenheit, an einer Führung durch die U5-Baustelle von der Station Güterplatz bis zur Rampe vor der Emser Brücke teilzunehmen. Vorab: das sehr freundliche SBEV-Team war beeindruckend auskunftsfreudig, keine Frage blieb ohne Antwort. Dafür erst mal ein dickes Dankeschön. 3,5 Stunden Vortrag und Begehung waren vollgepackt mit Informationen, die wir hier weitergeben wollen, nach und nach, ich mache mal den Anfang.
Bauverzögerungen
In der Summe ist bisher eine Inbetriebnahmeverzögerung von rd. 3 Jahren entstanden, die im Wesentlichen aus drei Ursachen resultiert.
1. Kampfmittelräumung (rd. 1 Jahr)
Die Kampfmittelräumung ist Ländersache und es gibt in Hessen keine verbindliche
Vorgabe, bis zu welcher „Korngröße“ Kampfmittel gesucht werden müssen (das sog.
Räumziel). Sucht man 1000 kg-, 500 kg-, 250 kg- und 50 kg-Blindgänger, geht die
Suche verhältnismäßig schnell, weil derart große Teile mit Sonden gut
aufgespürt werden können, das ist gängige Praxis. Es gab allerdings auch Brandbomben,
in die kleine Sprengkörper eingebaut waren mit dem Zweck, den Brennstoff (z.B.
Phosphor) noch möglichst weit zu verstreuen, um viele auseinanderliegende
Brandherde zu schaffen. Diese kleinen Sprengkörper werden meistens nicht
gesucht, weil man ihr Gefahrenpotential gering einschätzt. Die Entscheidung
darüber, was gesucht wird, trifft in Hessen, mangels gesetzlicher Vorgabe, der
Bauherr mit den ausführenden Firmen im Benehmen mit einer privaten
Kampfmittelräumfirma .
Im vorliegenden Fall verlangten die ausführenden Firmen, um ganz sicher zu
gehen, auch die kleinen Sprengkörper zu suchen. Da sie sich aber mit den Sonden
für Großteile nicht aufspüren lassen, musste das gesamte Baufeld bis zu einer
bestimmten Tiefe in 25 cm Schichten (sog. Volumenberäumung) ausgekoffert
werden; der Aushub wurde zu einer Entsorgungsfirma im Osthafen gefahren und
dort hinter einer Schutzwand aus Containern durchgesiebt, ein zeitlich viel
aufwändigeres Verfahren. Es wurden viele Kleinteile (Bombensplitter,
ungefährliche Fallgewichte von Brandbomben und Unmengen an Schrauben und
Muttern aus ca. 100 Jahren Betrieb des Güterbahnhofs) gefunden, aber nur sehr wenige
dieser Kleinsprengkörper.

Bildnachweis: SBEV, 2018
Erst danach gab es die Kampfmittelfreimeldung von der
Kampfmittelräumfirma. Wegen der Ausdehnung der Suche auf besagte Kleinteile, dauerte
die Kampfmittelräumung deutlich länger als veranschlagt.
2. Havarie des Schneidrades (14 Monate)
Bekanntlich war das Schneidrad der Tunnelvortriebsmaschine (TVM) vorzeitig und viel zu stark verschlissen und musste schon nach ca. 200 m außer Betrieb genommen werden. Die Ursachen für den übermäßigen Verschleiß stehen noch nicht fest und sind Gegenstand gutachterlicher Untersuchung und rechtlicher Auseinandersetzung. Unabhängig davon war natürlich die Reparatur äußerst schwierig. Die TVM konnte nicht zurückgesetzt werden, um von vorne das Schneidrad zu erreichen. Da die TVM im Grundwasser steht, mussten beiderseits des Schneidrades in +/- 20 m Tiefe Kavernen angelegt werden, in denen unter Überdruck jeweils eine Person am Schneidrad arbeiten konnte, d.h. Meisel auswechseln, Stahlteile heraustrennen und neu einschweißen usw.. Arbeiten unter Überdruck (zur Abwehr des drängenden Grundwassers) heißt, die Arbeiter brauchen nach der Schicht Dekompensationszeit (wie Taucher beim Aufsteigen aus bestimmter Tiefe). Die gezeigten Bilder zeigten uns ein wirklich gravierendes Schadensbild, aber die Reparatur ist gelungen.
3. alte Verbauanker am Platz der Republik
Beim Bau des Tunnels in der Düsseldorfer Straße Anfang der 70er Jahre, waren vor dem Tunnelende, an das heute angebaut werden muss, in offener Bauweise Anker zur Sicherung des damaligen Baugrubenverbaus verwendet worden; diese Anker bestehen aus 10-15 m langen Röhren, die durch den Baugrubenverbau ins umgebende Erdreich gebohrt werden, mit einem Armiereisen versehen und mit Druck mit einer speziellen Zementflüssigkeit gefüllt werden; diese Flüssigkeit tritt am Ende aus der Röhre aus und bildet im Erdreich einen kugelförmigen Pfropf, der mit dem Armiereisen fest verbunden ist. Auf das Armiereisen, das wegen des Propfs nicht mehr aus der Röhre gezogen werden kann, können dann in der Baugrube Halterungen angebracht werden, welche die Baugrubenwand davor bewahren, unter dem Druck des anstehenden Erdreichs in die Baugrube zu fallen, ein gängiges Verfahren, tausendfach bewährt. Das Problem: Zahl, Länge und Lage der Anker waren in den 70er Jahren nicht dokumentiert worden, auch nicht der Umstand, dass sie nicht gezogen wurden, sondern im Erdreich verblieben sind. Sie ragten wie die Stacheln eines Igels vor dem Bestandstunnel in mehrere Richtungen ins Erdreich
Beim Bau des D-Tunnels Richtung Messe ist der Baugrubenverbau besser dokumentiert worden. Was man aber nicht dokumentiert hat, war der Fund alter 70er-Jahre-Anker. Daraus folgte, dass bei der Planung für die U5, da niemand um die alten Anker wusste, der maschinelle Vortrieb bis 2 m vor den Bestandstunnel vorgesehen wurde; die verbleibenden 2 m würden vereist werden, so dass der Dichtblock, also der Anschluss Neu an Alt im Schutz eines Eispanzers händisch hergestellt werden könnte.
Rund zehn Meter vor dem Bestandstunnel stieß die TVM auf einen alten Anker und musste angehalten werden, die Meißel des Schneidrads knacken jedes Gestein, aber keinen Stahl, scheiterten also an den alten Armiereisen. Folge: die TVM hat den Eisblock nicht erreicht, die fehlende Distanz musste ebenfalls unter Überdruck konventionell-händisch hergestellt werden. Das dauerte wieder zusätzliche nicht geplante Wochen Handarbeit.
Inzwischen ist der gesamte Rohbau mit Ausnahme der Station Güterplatz fertig, in diesem Jahr wird die Wand zum Bestandstunnel (heutige U5-Wendeanlage) geöffnet, die bisher als Havarieschott diente und den Bestandstunnel davor bewahrte, dass im Falle eines unkontrollierten Wassereinbruchs in der Baustelle der U-Bahnbetrieb gestört werden könnte.
(Fortsetzung folgt)