Beiträge von Maghaal


    So ganz grottenschlecht finde ich diese Straßenecke nicht, ich würde sie irgendwo zwischen unorthodoxer Moderne und zurückhaltender Postmoderne ansiedeln. Es ist bestimmt kein Meilenstein der Architektur, kein Meisterwerk, aber in meinen Augen auch kein "Müll".


    @Schinkelpassagen » Was hat dieser Entwurf mit Schinkel zu tun? Die Qualität finde ich nicht besser als die des Hotels auf dem verlinkten Bild.

    ^ Wenn man im Zentrum einer Millionenstadt wohnt, muss man damit rechnen, dass in der Nachbarschaft etwas gebaut wird. Ein 35m hohes Gebäude ist nicht einmal ein richtiges Hochhaus, das ist der normale Massstab bei der Stadtgröße. Der Verlust der Baumsubstanz ist zwar bedauerlich, aber ersetzbar, zum Beispiel durch Baumpflanzungen anstelle einiger Parkplätze oder Fahrspuren in der Umgebung.


    Als einzigen wirklichen Kritikpunkt sehe ich, dass dieser Entwurf einfalllos und banal wirkt. Das Besondere, das dem Berliner Zentrum und seiner Wiedererkennbarkeit gut täte, fehlt.

    Weltweit wird die Tram nur dort ausgebaut,wo es bisher wenig oder gar kein Angebot im ÖPVN gibt.Zum Beispiel in LA.


    Das ist, mit Verlaub, Unfug. Paris hat mehr U-Bahnen als Berlin und mit dem RER ein S-Bahn-ähnliches System, trotzdem wird die Straßenbahn gebaut:


    http://de.wikipedia.org/wiki/P….9Fenbahnen_.28ab_1992.29


    Ähnliche Situation gibt es in London, wo unter anderen der Tram-Bau auf der Haupteinzelhandelsstraße Oxford Street erwogen wird, obwohl unter dieser eine U-Bahn-Linie verläuft:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Tramlink


    http://en.wikipedia.org/wiki/Oxford_Street#Transport (Der Bau wurde nur deswegen aufgeschoben, weil die Baumassnahmen zu sehr diese für Buslinien wichtige Verkehrsader blockieren würden. Private Autos dürfen sie am Tag nicht befahren.)


    Ausbau in Barcelona ab 2004 (testweise ab 1997):


    http://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Barcelona


    Nicht nur auf der Avinguda Diagonal fährt die Straßenbahn streckenweise über der U-Bahn, die auch noch ausgebaut wird:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Metro_Barcelona


    Wohlfahrt und ÖPVN pressen aus Berlin riesige Mengen Geld heraus und nehmen die Stadt in Geiselhaft.


    Würdest Du schreiben, der Straßenbau und Wohlfahrt würden aus der Stadt Geld herauspressen? Der ÖPNV hat nichts mit der Wohlfahrt zu tun, sondern mit der Infrastruktur. Der einzige Unterschied zum Straßensystem ist, dass der ÖPNV in Millionenstädten viel effizienter ist.

    http://www.tagesspiegel.de/pol…nfrastruktur/4230900.html


    jetzt wo ich es in den kommentaren lese ist es mir auch unverständlich wozu es eine tram auf der leipziger bis hin zum potsdamer platz braucht. da wird in der tat eine wichtige verkehrsachse verstopft (gleise werden wohl auf der straße verlaufen)


    Du meinst die Stimmen mancher Politiker ganz unten, genauer der CDU, die darauf hofft, dass derer Wähler nur Autos fahren und Trams lediglich als Hindernisse sehen. Diese Windschutzscheibenperspektive machte sie in Bremen zur drittstärksten Kraft, was in Berlin genauso passieren könnte. Dem gegenüber stehen die Aussagen der Verkehrsexperten "Tramnetz forciert ausbauen" und die Stimme eines Benutzers, der auf die neue Tram-Linie hofft.


    Muss ich die Expertenmeinung hier noch einmal erklären? Die Trams seien leistungsfähiger als Busse, benötigen weniger Raum und weniger Energie. Außerdem sind sie viel billiger und nur etwas weniger leistungsfähig als U-Bahnen. Aus diesen Gründen "sollte Berlin dem weltweiten Trend folgen und das Straßenbahn-Netz endlich forciert ausbauen". Diese Vorteile gegenüber den Bussen kommen gegenüber dem Autoverkehr noch stärker zum Tragen.


    Erschreckend, wie leicht manche Kommunalpolitiker die wissenschaftlich fundierte Expertenmeinung ignorieren. Ich fürchte mich von der Wissensgesellschaft in eines der dunkelsten Jahrhunderte versetzt. Wieso wird Geld für Forschung ausgegeben, wenn die Erkenntnisse unerwünscht sind? Stattdessen könnten diese Leute Bücher verbrennen, Krankheiten und Verkehrsstaus mit dem Zorn Gottes erklären.

    Kein Disneyland

    Als im Jahr 2007 das Thema der Meisterhäuser-Kulissen aufgenommen wurde, lehnte der damalige Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau Omar Akbar die "originalähnliche" Rekonstruktion der Meisterhäuser ab und sagte


    ich lebe in Europa und nicht in einem Disneyland!


    Ich verstehe nicht, wieso gerade derjenige Bauhaus-Disneyland weiterbauen will, der vorwiegend durch Wetteifern in etlichen Medien gegen Wiederaufbaupläne an anderen Stellen bekannt ist.


    Aus dem gleichen Artikel erfahre ich, dass das ebenfalls im Stil der Moderne gebaute Olympische Dorf in München abgerissen und "ähnlich, aber nicht gleich" neu gebaut werden soll. Dieses Vorgehen soll bei allen Moderne-Gebäuden angewandt werden, natürlich auch in Dessau. Architekturwettbewerbe können moderne, zeitgemässe Entwürfe liefern.

    Zeitgemässer Neubau statt Gropius-Disneyland

    Natürlich sollte auch das Gropiushaus rekonstruiert werden! Das Gropiushaus ist ja leider zu Gunsten eines Einfamilienhauses in bester Tradion der Fünfziger niedergemacht worden.


    Dieser Bau der 1950-er ist ein Teil der Architekturgeschichte der DDR. Ihn durch Gropius-Disneyland zu ersetzen, wäre ein Versuch, das DDR-Erbe zu tilgen und die Architekturgeschichte des Landes verklärend-verniedlicht zu fälschen. Dafür gibt es keinen Bedarf.


    Die Betrachtung als Baudenkmal widerspricht dem auf Wandel ausgerichteten Geist der Moderne. Ich finde es falsch, wenn die Gebäude in diesem Stil zu Denkmälern erklärt werden und richtig, wenn der Fehler wie im Fall des Frankfurter Zürich-Hauses korrigiert wird. Oskar Schlemmer zahlte in der 1920-er Jahren die Hälfte des üppigen Gehalts für die Heizung seines Hauses, das außerdem unpraktisch verwinkelt entworfen wurde. Die geringe Praxistauglichkeit der Baumeisterhäuser wurde Anfang der 1930-er Jahre vom als Sachverständiger tätigen Professor Dr. Schultze-Naumburg festgestellt, worauf sie den Anforderungen des modernen Lebens angepasst wurden. Man braucht nicht hinzuzufügen, dass diese Häuser den modernen Passivhausstandards erst recht nicht entsprechen, was einen erneuten Umbau der existierenden Häuser erforderlich macht. Funktional sind sie ebensowenig, was zusätzlich für den Umbau oder Abriss und Neubau zeitgemässer Häuser spricht.


    Es handelt sich keinesfalls um echte Bauhaus-Gebäude, diese wurden im Krieg weitgehend zerstört und 1945, ab 1965, 1976 wie auch 1996 bis 2006 als unechte Kulisse erneut errichtet. Das Gebäude am Mittelring 38 ist eine 1992 errichtete Attrappe. Normalerweise reicht die Unechtheit der Bausubstanz zum Aberkennen der Denkmalprivilegien. Jetzt wird vorgeschlagen, den verniedlichenden Disneyland-Kulissen für ausgesuchte Touristen weitere hinzuzufügen. Geboten ist das Wegwerfen ideologischer Altlasten und der Ersatz längst überholter Bauten durch moderne, zeitgemässe und funktionale Gebäude.

    Zeitgenössische Grünanlage statt Architektur-Disneyland

    Man soll das Ganze auch nicht ideologisch überfrachten. Hier passiert nichts weiter,als ein Stück Architekturhistorie wieder ans Licht zu bringen.


    Solange es um die Wiederherstellung von Gründerzeit, Jugendstil oder klassizistischen Fassaden geht, finden Erklärungen wie die zitierte kein Gehör. Die Erklärung der Wiederaufbauprojekte durch Traumatisierung stammt von Oswalt selbst. Er sollte es besser wissen.


    Nach einer Bautradition seit der wilhelminischen Ära werden Artefakte der vorhergehenden Generation getilgt, um ein neues Geschichtsbild zu erzeugen. Der Wiederaufbau der Dessauer Meisterhäuser passt nicht ins Moderne Prinzip. Stattdessen sollten die anderen Bauhaus-Gebäude mit modernen Wärmedämmungen und mit kostensparenden Wellblechplatten versehen werden.


    Wieso sollte in Dessau die Ausbildung eines besseren Standortimage der Region zulässig sein, wenn sie bei dem Wiederaufbau des alten Berliner Stadtkerns unzulässig ist? Statt der architektonisch vergangenen Meisterhäuser ist in Dessau eine Grünanlage mit zeitgenössischer Landschaftsarchitektur geboten. Für diese soll ein Wettbewerb ausgeschrieben werden.

    Mit den Worten Oswalts im Namen von Geschichte wird Geschichte eliminiert, die Entstehungsära verharmlosend als architektonisches Disneyland dargestellt. Der Wiederaufbau steht für die Sehnsucht, eine andere deutsche Vergangenheit zu entwerfen als die, die kaum eine Dekade nach dem Baujahr Hitler an die Macht brachte. Unter den Architekten sollten Protestlisten unterschrieben werden. Wenn es nicht gelingen sollte, das peinliche Vorhaben zu unterbinden, als zweites Ziel muss eine intelligente und unter die Oberfläche gehende Diskussion erzwungen werden. Die Vehemenz, mit der das Projekt verfolgt wird, kann nur aus einer Traumatisierung erklärt werden.