Was diesen zukünftigen "Baubürgermeister" angeht: Einen größeren Vollpfosten ließ sich wohl für diesen Job nicht finden Angesichts so viel Dummgeschwalles ahne ich schlimmstes für die stadtgestalterische Zukunft Stuttgarts, wenn der Typ wirklich ans Ruder kommt!
Bitte auf Sprache achten. Dass ein Anderer nicht Deine Sichtweisen teilt, macht ihn noch lange nicht zum Vollpfosten. Kritik ist zu begründen.
Sei doch nicht so streng mit dem armen creolius, Wagahai! Schließlich schlägt er nur etwas tiefer und drastischer genau in jene Kerbe, die du ihm schon perfekt und mehrfach vormarkiert hast. Wir halten fest: Bei „Vollpfosten“ gibt’s ein „du du du!“ vom Moderator; wenn derselbige den designierten Baubürgermeister aber als personifizierte Katastrophe bezeichnet, was von Pajula dann auch prompt bekräftigt wird, ist das natürlich etwas völlig anderes.
Einmal mehr die Fragwürdigkeit solcher Pauschal-Rundumschläge anzuprangern, bei denen halt permanent ein gewisses Feindbild vom ewiggestrigen, fortschrittsverhindernden S21-Gegner und A1-Areal-Kritiker zwischen den Zeilen hervorschwappt, wäre hier vergebliche Liebesmühe, soviel habe sogar ich mittlerweile verstanden. Den Kollegen sei also die ins Deckmäntelchen der Sorge um eine gedeihliche Fortentwicklung Stuttgarts gehüllte Freude am anonymen Argwöhnen und Vorverurteilen gegönnt.
Stattdessen möchte ich den Blick nochmals darauf richten, was denn der angebliche Gechmacksdiktator jenseits der von Wagahai in gewohnter Weise gefilterten Zuspitzungen und (mutmaßlich absichtsvollen) Ungenauigkeiten in dem weiter oben verlinkten STN-Interview eigentlich wirklich so äußert:
Planung und Entwicklung sei, so meint Pätzold, eine verbindende Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft – also von Bauherr/Investor ebenso wie von Architekten und dem letztlich die Bebauungspläne absegnenden Gemeinderat. Dabei hält er es für wünschenswert, ein gemeinsames Verständnis von guter Stadtplanung zu erzielen. Nun: Dass in dieser Frage ein völliger Konsens nahezu unmöglich ist, zeigt schon unser Forum. Gleichwohl: Ist gegen dieses Ansinnen grundsätzlich etwas zu sagen?
Da viele Bürger emotional stark in ihrem jeweiligen Wohnviertel verankert seien, sollte nach Pätzolds Ansicht bei einem Neubauprojekt stets geklärt werden, in welcher Weise dieses auf das Quartier einwirke. Weitergehend fordert er, man müsse mit Architekten, Städtebauern und Landschaftsplanern in einen grundsätzlichen Qualitätsdiskurs eintreten, was sicher ein längerfristiges Unterfangen sei.
Diese Aussage verstehe ich persönlich durchaus auch im Bezug auf den angedachten Gestaltungsbeirat. Jedenfalls ist, anders als du, Wagahai, behauptest, an keiner Stelle des Interviews davon die Rede, die Stadt solle zukünftig „…bei jedem Projekt (…) ganz lang über Qualität diskutier(en)“.
Zum Thema herausragende Bauten als Touristenmagnet und Aufwertungsmotor äußert Pätzold, dass ihm eine „gestalterisch qualitätvolle Alltagsarchitektur“ wichtiger sei. Eine Stadt könne nicht nur aus lauter Leuchtturmprojekten bestehen, es bedürfe vielmehr einer guten architektonischen Alltagskultur. Vor der Schaffung neuer Solitäre sei überdies eigentlich erstmal das Sanierungsproblem zahlreicher Kulturbauten zu stemmen.
Der Baubürgermeister in spe scheint, wenig überraschend, kein Fan vom A1-Quartier zu sein, wobei die ihm von dir, Wagahai, unterstellte Aussage, das Milaneo ebenso wie das Gerber seien „schrecklich“, eben genau so nicht getroffen wird.
Mag sein, dass ich ansonsten den offenbar so unheilvoll-lähmenden Subtext im Interview nicht durchschaut habe und es sich mir entsprechend auch nicht erschließen konnte, wo sich da nun die "grüne Geschmacksdiktatur" Bahn bricht – vielleicht, weil ich die falsche ideologische Brille aufhabe. Mir scheinen die Äußerungen jedenfalls in der Summe recht vernünftig, wobei sich nun (gegebenenfalls) zeigen muss, welche Taten diesen vorläufig noch sehr allgemeinen Worten dann wirklich folgen werden.
Wer allerdings, so wie Wagahai, im Interview gleich eine geballte Ladung Visions-, Lust- und Humorlosigkeit ausmacht – der Spaßanteil war tatsächlich eher mäßig - und den noch nicht einmal gewählten „BB“ vorsorglich gleich die Generalverantwortung für „Jahrzehnte städtebaulicher Vollausbremsung Stuggis“ aufhalst, sollte vielleicht mal konkret benennen, welche Aussagen er denn gerne vom zukünftigen Haupt-Bauverantwortlichen im Rathaus hören und welche Handlungen er (quasi im Sinne ungebremsten Fortschritts) erwarten würde: Vielleicht die Verteilung planungsrechtlicher Blankoschecks an potentielle Investoren? Oder die Rückwidmung der gar schröcklichen „Radl“-Spuren in PKW-Fahrstreifen samt dem Gelöbnis, dem Automobil in seiner Geburtstadt ewige Treue sowie allzeit maximal ungehinderte Fahrt zu gewähren?
Was darf’s sonst noch sein? Eventuell hier und da im Talkessel ein paar möglichst weit über das Tagblattturm-Maß hinausreichende Hochhäuser nach dem Muster von Cloud 7 und ansonsten noch einige repräsentative Ankerbauten (wahlweise im Stil vom Gerber oder von Z-UP und Icade)?
Angesichts dessen, was mich z.B. an München, Zürich, Salzburg oder Barcelona (alles Städte, in denen ich mehr oder weniger lag gelebt habe), jeweils so angezogen hat, stellt sich mir ernsthaft die Frage, ob ausgerechnet die oben genannten Maßnahmen Stuttgart attraktiver werden ließen. Ich bin da eigentlich schon eher bei Herrn Pätzold, der Nachholbedarf bei der oft scheinbar unauffälligen, im Sinne eines harmonischen und/oder spannungsvoll-abwechslungsreichen Gesamt-Stadtbildes aber unschätzbar wichtigen Alltags-Architektur sieht. "Stimmt" das bauliche Umfeld, stellt sich nach meiner unmittelbaren Erfahrung auch ein positiv verändertes Lebensgefühl ein.
Da wir uns hier im Europaviertel-thread befinden, möchte ich die Thematik am konkreten Beispiel abschließen: Abgesehen von den älteren, ungeschlachten Bankenbauten, die einem die Laune auf weitere Erkundungen des Viertels schon erheblich verhageln können, ist das Quartier gestalterisch sicher bei weitem nicht so unwirtlich, wie es manche gerne darstellen wollen, wobei ich der Stadtbibliothek (außen pfui, innen hui) eine gehörige betongraue Kafkaeskheit nicht absprechen möchte. Es wird dich vielleicht erstaunen, Wagahai, dass ich mit deiner Einschätzung und Einordnung der verschiedenen Neubauten größtenteils übereinstimme – abgesehen vielleicht von deinen nach meinem Dafürhalten insgesamt zu hoch angesetzten Schulnoten.
Aber: Das Ganze nun zum Muster geglückter Stadt-Gestaltung zu verklären und in ihm einen Hort neu gewonnener Urbanität zu sehen, scheint mir doch an den tatsächlichen Gegebenheiten etwas vorbeizuzielen –jede aus mehr als drei Menschen bestehende Passantenansammlung eifrig zu dokumentieren und hier in einem neuen Beitrag zu posten, hilft da nach meinem Verständnis genauso wenig weiter wie der Verweis auf die doch so stattlichen Besucherzahlen im Milaneo. Dieses macht innen gewiss was her, doch gewisse Shoppingangebote „ziehen“ sowieso völlig oder doch weitgehend unabhängig vom architektonischen Gehäuse (siehe z.B. die Überseecontainer-Architektur einer beliebten schwedischen Möbelhauskette), sodass man den Ansturm allenfalls zu einem Teil als Ausweis ästhetischer Geglücktheit betrachten sollte.
Als touristischen Fixpunkt für nicht speziell architekturinteressierte Gäste, denen ich Stuttgart zeigen möchte, würde ich das Europaviertel jedenfalls gewiss nicht ansteuern, zumal ich bei ersten gemeinsamen Visiten mit Freunden überwiegend negative Rückmeldungen erhielt. Insofern wünschte ich mir eher, dass sich die Ära des neuen Baubürgermeisters - ob er nun Pätzold oder doch noch anders heißen wird - in einer Art und Weise niederschlägt, die insbesondere auch der Außenwahrnehmung Stuttgarts gut tut. Das (Vor-)Urteil einer ingesamt "hässlichen Stadt" begegnet mir persönlich jedenfalls bis heute auf Schritt und Tritt, so bald ich erwähne, dort einmal gelebt zu haben - das sollte zu denken geben.