Beiträge von Oranien

    Es ist nicht richtig, dass das Projekt günstig war. Es sollte mal günstig sein. De facto ist es aber eine Planungs- und Umsetzungskatastrophe, die mit dem BER vergleichbar ist (Bauzeit verdoppelt, Kosten verzwölffacht). Es ist nur von den absoluten Zahlen her kleiner - also hat es keiner so recht mitbekommen.

    Gerechnet auf "Kosten-pro-gebauter-Bus-Bucht" ist es ein Goldene-Wasserhähne-Projekt - das aber trotzdem aus Blech besteht.

    Ich finde es bedauerlich, dass man sich aus politischen Gründen nicht dazu durchdringen konnte, den Busparkplatz mit hoher und dichter Bebauung (daneben oder oben drauf) zu finanzieren. So macht man es von München bis London, von Tokyo bis Rio. Das wäre für den Steuerzahler billiger gewesen - oder gar profitabel. Diese Pläne gab es in den Nuller-Jahren auch für Berlin. Das Hotel wäre abgerissen worden - und ersetzt. Eine Randbebauung wäre entstanden. Statt dessen entschloss man sich nach jahrelanger politischer Diskussion im Jahr 2013, es selber "besser und billiger" zu machen.

    Immerhin finde ich die Kunst am Bau (den Knoten) ganz gelungen - und recht kostengünstig - für das was da sonst manchmal ausgegeben wird (nur 200.000 Euro).

    Man darf nicht vergessen, dass es bei den 350 Mio nicht bleibt: Das Geschäftsmodell erzwingt Dauersubventionen. Die Künstlerinitiativen können keine Innenstadt-Marktpreise bezahlen - und werden stetige Transferleistungen brauchen. Das kann auch nicht überraschen. Hier ist es genau genau wie mit den Sozialwohnungen: Mit demselben Geld hätte man an andere Stelle viel mehr erreichen können. Aber das Projekt stammt halt aus einer Zeit, als man der politischen Symbolik willen bereit war, beim Thema "Aufwand vs Ergebnis" wegzugucken.

    Herr Benko soll ein wirklich unangenehmer Mensch sein - dass muss man wahrscheinlich zur Kenntnis nehmen. Aber er hat das Leben diese Kaufhäuser verlängert - und nicht verkürzt. Wären die Kaufhäuser nicht für ihn Hebel für - im Niedrigzins-Umfeld - hochprofitable Immobiliendeals gewesen, wären die Kaufhäuser schon seit Jahren zu. Auch das KaDeWe kränkelt seit schon viele Jahre.


    Trotzdem überrascht es mich, dass es nicht jetzt nicht nur kränkelt - sondern von der Insolvenz steht. Wenn ich die Central Group wäre, würde ich mir zweimal überlegen, jetzt nochmals viel Geld reinzustecken. Das Konsumklima wird durch die weiter fortschreitende Verarmung der Deutschen auf Jahre verhalten sein. Wohlhabende russische Touristen kommen so schnell auch nicht mehr zurück. Die Central Group macht das bestimmt nur, wenn's ein Schnäppchen wäre (oder wenn sie so etwas vom bereits für die ersten 50% darin versenkten Geld retten können). Aber vielleicht macht es ja im Paket Sinn - denn in München und Hamburg soll es ja besser laufen als in Berlin.


    Der Trost dabei - für mich: Wahrscheinlich wird sich niemand mehr dazu aufraffen das Geld in die Hand zu nehmen und dem KadeWe die eigentlich geplante Glashaube aufzusetzen.

    Was Beton angeht: Ein grossartiges Baumaterial, meines Erachtens, Wie überall kommt es auf die Qualität der Ausführung an. Oder vielleicht sogar bei Beton noch mehr. Der derzeit bedeutendste lebende japanische Architekt, der bekannt ist für einen Umgang mit Beton, zeigt das deutlich: link. Mein Eindruck von den Bildern her ist: Der Entwickler bezahlt bei dieser Ex-Brauerei einen für Berliner Verhältnisse teuren und qualitativ hochwertigen Umgang mit Materialien. Insofern kann man erstmal guter Dinge sein.

    Bisher werden weniger als 12% aller Waren online gekauft (Statista / Link). Es gibt also noch viel Luft nach oben - auch im Vergleich zu anderen Ländern. Das heisst umgekehrt: Der Kahlschlag im stationären Einzelhandel hat leider gerade erst begonnen.

    Interessant finde ich die These, dass auf Dauer stationär nur noch 2 Bereiche florieren werden:

    Einerseits Orte für sogenannten "Erlebniskauf". Also zB durch ein Luxuskaufhaus schlendern, sich inspirieren lassen, dabei einem Artisten zuschauen, die Kinder in der Super-Duper-Hüpfburg abgeben während die Eltern in der 6.Etage schlemmen.

    Und auf der anderen Seite: Sehr kleine, hochspezialisierte Fachgeschäfte mit exzellenter Beratung für ein Nischenpublikum / Fanpublikum. Für die breite Masse der Anbieter wird es dagegen schwierig. Feld-, Wald- und Wiesen- Bedürfnisse werden Online einfacher gedeckt.


    Mich hat auch immer gewundert, dass Investoren bis vor kurzem noch den Bau von Shopping Centern riskiert haben - in Berlin sind es wohl mittlerweile 64 Stück. Und die sind alle "Middle-of-the-Road". Ich würde die These wagen: Kein Betreiber ist in Berlin happy mit seiner Rendite. Bei Kaufhäusern ist es noch extremer. Hätte sich der Markt normal bereinigt, würde es ausser dem KaDeKe schon lange keines mehr geben. Die anderen gab es nur noch so lange, weil sie Teil von Immobiliendeals waren (damit Benko bauen durfte, musste er sie noch ne Weile erhalten)

    Was speziell das KaDeWe angeht, versucht man seit vielen Jahren den "Erlebniskauf"-Weg zu beschreiten. So wie wie ich es mitbekomme bisher allerdings nur mit mässigem Erfolg. So blieb zum Beispiel die teuer umgebaute Luxus-Herren-Etage weit hinter den Erwartungen zurück. Einzig die Shop-in-Shop Konzepte im EG und die Schlemmer-Etage im DG werfen gute Renditen ab. Aller dazwischen ist wohl eher mau.

    Überraschend vom CEO in Davos verkündet: Intel wird in Magdeburg 1,5nm Chips fertigen - und damit die weltweite Top-Range - statt wie von Vielen erwartet nur einfache Varianten: Link. Damit spielt die Fabrik eine noch bedeutendere Rolle im Intel Verbund - und auch für Europa. Wenn alles so kommt wie geplant, wird Magdeburg davon noch mehr gewinnen. Die Sorge vor Ort ist derzeit aber wohl im Gegensatz dazu: Wohin mit dem Aushub: Link

    Auf die Gewinne kommt es nicht an - zumindest nicht, solange man die Verluste über Kapitalaufnahme finanzieren kann. Hinzu kommt: Uber (130 Mrd) ist mehr wert als Mercedes (89 Mrd). Was wirklich im Hintergrund lief ist schwer zu sagen. Damit Anschutz Mercedes aus einem laufenden Vertrag werfen kann, müssten die ja schon irgendwas verbrochen haben. Deswegen erscheint mir das unplausibel. Im Gegenteil - oft haben Sponsoring Partner sogar einseitige Verlängerungsoptionen. Plausibler erscheint, dass Mercedes nicht mehr wollte - und bereit war, von seinem Rechten zurückzutreten - vielleicht gegen eine Entschädigung. Und Uber mit einem dickeren Scheck bereit stand....

    Nein, ist doch offensichtlich: Mein Punkt reagiert auf die obergenannte Kritik, dass es skandalös sei, dass sich Mercedes zurückzieht. Ich kann daran nichts skandalöses erkennen. Mercedes handelt rational. Mein Punkt reagiert auch auf die Kritik, dass es skandalös sei, dass der Platz umbenannt werden kann. Auch daran kann ich nichts skandalöses erkennen.


    Im Übrigen halte ich ganz persönlich die Vergabe von Namensrechten an sich für grundsätzlich problematisch. Ich halte es für eine Überkommerzialiserung, die mir persönlich nicht gefällt. Denn es führt dazu, dass wichtige Gebäude alle paar Jahre anders heissen - zumindest dann, wenn ein Namenssponsor feststellt, dass sich für ihn die Verlängerung nicht rechnet. Und das war offenbar sowohl bei O2 als auch Mercedes der Fall. Beide haben nicht verlängert - sondern sich zurückgezogen.


    Allerdings ist auch hier der Punkt: Wenn man nicht will, dass sich alle paar Jahre Namen ändern - von Platz bis zum Aufkleber auf der Klomarke, muss das Geld eben woanders herkommen. Über höhere Auslastung, über höhere Eintrittsgelder etc. Da all dies zunehmend schwieriger wird, wird man leider um Namensvergaben nicht herumkommen.


    Denn: Kuchen essen und behalten geht halt meistens nicht (ausser aus Sicht bestimmter Berliner Milieus). Die Gefahr ist, dass es wird wie bei Hertha. Wenn die Leistung nicht stimmt und wenn das wirtschaftliche Umfeld armselig genug wird, stehen am Ende nur noch die 1-Euro-Shops als Sponsor bereit und zahlen dann halt 5 Mio Euro statt 50 Mio.

    ElleDeBE Deine Antwort hat nichts mit dem zu tun was ich schieb. Natürlich muss der Staat das Recht haben, öffentliche Strassen und Plätze zu benennen. Und das geschieht ja auch - in unseren Zeiten sogar hoch politisch korrekt. Zum Beispiel werden in Mitte neue Strassen und Plätze nur noch nach Frauen benannt. So lange, bis es genauso viel Frauennamen wie Männernamen gibt. Aber der Staat hat keineswegs das Recht, private Grundstücke zu benennen. Nirgendwo in Europa (zumindest wäre mir kein Staat bekannt, wo das geht). Aber in Berlin ist sowas offenbar heutzutage ein Skandal der Turbokapitalismus, wenn der Staat das nicht kann. Trotzdem kann der Staat auch bei Privatgrundstücken Einfluss nehmen - zB wenn ein städtebaulicher Vertrag mit dem Entwickler diesbezüglich Regelungen vorsieht. Aber die Skandaliserung des Ganzen, die Du hier versuchst, ist zwar ideologisch modern - aber trotzdem haltlos.


    Was das Namenssponsoring angeht: Es zählen die Fakten. In Deutschland verkauft Mercedes noch 10% seiner Autos. Mit weiter fallender Tendenz. Mercedes war in Berlin historisch weit überproportional präsent und engagiert. Das geht bis in die 20iger Jahre zurück. Die die älteste Mercedes Fabrik der Welt steht nicht in Stuttgart sondern in Berlin. Unter den Linden gab es schon vor dem 2WK einen berühmten Autosalon.

    Aber dass die inzwischen die Konsequenzen ziehen kann man ihnen nicht verübeln - im Gegenteil. Es macht Sinn. Ohne die persönliche Verbundenheit von Reuter und andern Mercedes Managern wäre das - glaube ich - schon viel früher passiert. Sowas kommt halt von sowas.

    Ich verstehe nicht, wie man sich hier über die Entscheidung von Mercedes aufregen kann. Der deutsche Markt hat für Mercedes sehr stark an Bedeutung verloren und nur noch wenig Zukunft. Es gab mal eine Zeit, da hat Mercedes in Berlin 10.000 Autos p.a verkauft. Jetzt nicht mal mehr die Hälfte davon. Wenn Mercedes noch auf den deutschen Markt angewiesen wäre, wären sie längst pleite. Dass das so kam, hat sehr viel mit der Haltung der Deutschen / Deutschen Politik zum Thema Automobil zu tun. Mercedes handelt vollkommen rational. Warum sollen die in einen Markt investieren, in dem sie nicht gewollt sind? Dass Mercedes unter Reuter mal so stark auf Berlin gesetzt hat, war ein klarer Fehler (wirtschaftlich, imagemässig) und wurde im Nachgang zurecht korrigiert.

    Was mich nur wundert: Dieselben Leute, die Autos rauf und runter doof finden, plärren, wenn sich Autohersteller dann auf andere Märkte konzentrieren. Was mich ebenfalls wundert, ist dass eine Stadt wie Berlin Uber regulatorisch sowie Freiraum lässt. Denn das ist nur wirklich der übelste Turbokapitalismus, was die da machen (wenn man in diesem Dimensionen denken will) - und einer der zentralen Faktoren für die Zerstörung des mittelständischen Taxigewerbes - und somit auch der Rolle von Mercedes, die es dort mal gab.

    Was die Namensstrategie bei der Arena angeht: Wer ist noch in die Lage, die Summen zu stemmen, die für solche Namensponsorings nötig sind? Aus Deutschland immer weniger Unternehmen. Wir werden uns dran gewöhnen müssen, dass die grossen Namen an Fussball-Stadien und Arenen eher asiatisch und amerikanisch geprägt sein werden - und das nicht nur in Berlin.


    Was die Platznamensgebung angeht: Ich halte es für eine typisch deutsche gut gemeinte Form von staatlicher Übergriffigkeit, wenn der der Staat jetzt auch noch bestimmen soll, ob und wie ich die private Fläche vor meinem Haus benennen darf. Meines Wissen ist der Platz doch ein Privatgrundstück?

    JimmyMcGill : Vielleicht verstehst Du das Argument nicht. Denn: Gerade wenn man sich für den Klimawandel oder fürs klimagerechte Bauen interessiert - und man begrenzte Ressourcen hat, - muss man sich auf das konzentrieren, was wirklichen Impact hat. Du bestätigst insofern was ich schreibe: Dir ist Symbolik wichtiger als Ergebnis. "Wünsch Dir was" mit endlosen Resourcen gibt es nämlich nicht. Es würde sogar wesentlich mehr bringen, wenn man denselben Klimaschutz-Aufwand in einen beliebigen Plattenbau irgendwo in Marzahn stecken würde - statt sich symbolisch damit an der Bauakademie abzuarbeiten.


    Es wird aber meines Erachtens sowieso erstmal für viele weitere Jahre nichts passieren. Die Fronten sind zu verhärtet. Man wird Wege finden, die Entscheidung weiter hinauszuzögern - von jeder Seite aus mit der Hoffnung, dass sich in ein ein paar Jahren die politische Konstellation zu den eigenen Gunsten verbessert.

    Die Argumentation ist hinsichtlich der Ökologie ist absurd - bezogen auf die Gesamtheit der Stadt. Wenn man etwas tun will, das hinschlicht eines grünen Umbaus wirklich die Zeiger bewegt, würde man meinetwegen Genehmigungsverfahren für Solardächer vereinfachen, den öffentlichen Nahverkehr in Stadt-relevantem Masse ausbauen und beschleunigen. Man würde vor allem für Schatten sorgen (Bebauungspläne ändern und Hochverdichtung ermöglichen). Selbst so fragwürdige Dinge wie eine effektive Vereinfachung des Holzbaus (Brandschutzregeln etc) würde mehr bringen. Man würde alles mögliche tun - aber sich garantiert nicht am Wiederaufbau der Bauakademie abarbeiten. Die gibt es nur 1x in Berlin und die ist für eine Ökobilanz völlig egal. Die Bauakademie ist für den ökologischen Städtebau das, was für die Verkehrswende die 500 Meter Friedrichstasse sind: Symbolpolitik - getrieben von Ideologen.

    Es sind immer dieselben Themen:
    1. Mangel an qualifiziertem Personal in den Bauverwaltungen: Viele Projekte verzögern sich deswegen um Jahre oder um Jahrzehtne. Oder sie werden ganz aufgeben - wie zum Beispiel der ehemals geplante Rückbau der Urania-Verkehrswüste.

    2. Poltische Einflussnahme: Das betrifft alle Parteien - jede schützt ihr Klientel. Mal soll es mehr Park sein, dann wieder mehr produzierendes Gewerbe. Dann soll lieber gar nix gebaut werden. Und dann wieder lieber Kultur. Oder mehr Sozialwohnungen. Denn 'ne U-bahn statt 'ne Strassenbahn. Oder umgekehrt. Naturgemäss haben in Demokratien viel mehr Gruppen die Macht, Dinge zu verhindern als die Macht, Dinge durchzusetzen. Ist ja im Prinzip auch richtig so. Aber im Berin ganz besonders ausgeprägt.

    3. Streckung der Kosten über viele Haushalte: Der Planungs- und Abstimmungsaufwand beläuft sich in D bei grossen Infrastrukturprojekten inzwischen auf 20% der Gesamtkosten. Weltspitze - neben UK. Hinzu kommen inzwischen hohe Inflation, hohe Zinsen (Berlin hat ein historisches Fenster verpasst - das erst in Jahrzehnten wieder kommen wird - meines Erachtens). Deswegen werden die Kosten für Projekte über viele Haushaltsjahre hinweg gestreckt. Motto: Wir tun ja was - dauert halt 20 Jahre. Und man kann pro Legislaturperiode mehr neue Projekte ankündigen (Pressephoto inklusive). Auch die Heidekrautbahn ist dafür ein Beispiel.


    Dass es mit dem Projekt Nachnutzung von Tegel überhaupt soweit gekommen ist, ist eh ein Wunder. Das ist nicht zuletzt dem umtriebigen und medienstarken langjährigen Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, Philipp Boutelier, zu verdanken. Ohne ihn würde man wahrscheinlich auf Tempelhof-Level diskutieren. Aber auch der hat nach 10 (oder so) Jahren aufgegeben und ist gegangen.

    ...wenn Du ins Detail gehen willst: Das Gebäude ist letztlich nicht viel mehr als ein Aufzug und ein Treppenhaus - um das Weinmeisterhaus barrierefreier zu machen. Daneben ganz wenige Räume. Umgerechnet auf diese nutzbaren QM ist das Projekt immens teuer. Aber das Land Berlin kann es sich ja offenbar leisten. Ob ein privater Investor dafür auch Millionen für einen Anbau ausgegeben hätte - oder vielleicht eher einen Aufzug ins Weinmeisterhaus gebaut hätte - die Frage darf man stellen.

    Und was Graffiti angeht: Ja, das war natürlich eine etwas unsachliche Spitze. Allerdings habe ich 5 Jahre lang um die Ecke in der Mulackstrasse wohnt. Und erlaube mir daher das Urteil, dass die Walldorfschule und ihr Umfeld (auch Weinmeisterhaus) die beschmierteste/verzierteste der Gegend ist.

    Wie es sich für eine Walldorfschule gehört, ist der Erdgeschossteil der Fassasde bereits mit Graffiti verziert. Interessanter ist das Dekor oberhalb davon: Sind das Vorrichtungen, an denen sich Pflanzen emporranken sollen? Problematisch finde ich jedoch Aufwand / Ergebnis beim geringen Bauvolumen. Mehr als 5 oder 6 Räume dürfen da nicht drin sein. Dafür den ganzen Fixaufwand, der heutzutage in einem Neubau steckt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht problematische Quadratmeterpreise gibt.

    Da ich zwischen Tokyo und Berlin pendele, möchte ich auf ein paar Aspekte aufmerksam machen, die den Städtebau in Tokyo prägen und von denen meines Erachtens Berlins Baupolitik teilweise lernen kann.


    - Polyzentrismus konsequent an grossen Transport-Hubs verankert: Der Städtebau in Tokyo ist sehr stark auf die öffentliche Verkehrsinfrastruktur ausgerichtet. Dort, wo grosse Bahnstationen sind, wird sehr hochverdichtet und werden dicht gestellte Hochhäuser gebaut.


    Die Logik: Zu Fuss sollen von der Bahnstation aus möglichst viele Quadratmeter Büro/Gewerbe/Wohnen erreichbar sein. Das mindert generell den Verkehr und zusätzlich die Erschliessungskosten für die öffentliche Hand pro gebautem QM drastisch.


    Übertragen auf Berlin würde das bedeuten: Ein 200m-Hochhauscluster am Alex und Zoo - aber auch am Ostkreuz, Westkreuz, Südkreuz, Gesundbrunnen. Auf die Idee, statt dessen den Flughafen Tegel oder das Gartenfeld (beides quasi unerreichbar mit Tokyoter Maßstäben) zu einem Schwerpunkt der Stadtentwicklung zu erklären, käme man eher nicht. In Berlin werden solche Konzepte hin und wieder zwar auch diskutiert - in Tokyo aber seit 50 Jahren gebaut. Entsprechend gibt es fast 20 solcher Cluster. Das Modell hat sich sowohl ökonomisch als auch ökologisch allen anderen Modellen überlegen erwiesen.



    - Priorität auf Mischnutzung / Laxes Baurecht: Ein mit Berliner Maßstäben skandalös liberales Baurecht ermöglichst sehr erfolgreiche Mischnutzung und - für eine so große Stadt - sehr günstige Mieten im Kernbereich. Wer ein Grundstück besitzt, kann, ohne dass die Nachbarn gross etwas dagegen unternehmen können, fast jeden QM bebauen wie er mag. Die strenge Gebiets-Trennung in Wohnen, leises Gewerbe, lautes Gewerbe, Büro etc etc mit vielen weiteren Einschränkungen ist viel weniger relevant. So entstehen wild gemischte Bauformen und Nutzungen. Was das angeht, ist Tokyo einer Art riesiges "Gründerzeitkreuzberg" - als es noch 8.000 Einwohner pro QM hatte - aber für 35 Mio Menschen - indem sich in Wohnungen aller Art, Dienstleistungen, Schulen, Sozialeinrichtungen, Kultur, Einkaufen - und sogar Fabriken/produzierendes Gewerbe - wild durcheinander und aufeinander türmen. Alles auf sehr engem Raum und - mit unseren Maßstäben - ohne jede Struktur. Aus meiner Sicht mit hervorragendem Ergebnis: Organische, lebendige, bunte Viertel - in denen fussläufig oder mit dem Fahrrad wirklich alles erreichbar ist - und die bezahlbar sind. Natürlich mit dem Nachteil, dass einem der Nachbar aus 1 Meter Entfernung auf dem Balkon beim Frühstücken zusehen kann.

    Die Angst vor starker Verdichtung, vor flächendeckender Nutzungsmischung, vor Freiheit von Angebot und Nachfrage - und vor allem die Angst vor Hochhäusern - kennt man nicht. Die Diskussion um Blickachsen und Frischluftschneisen würde in dem Masse, wie sie in Berlin diskutiert wird, auf vollkommenes Unverständnis treffen. Freiflächen und Grün sind knapp in Tokyo (im Verhältnis zu Berlin) - aber das Luftqualität trotzdem vergleichbar gut.

    Berlin sollte und könnte hier viel mutiger sein. Auch in Berlin gilt, dass die am meisten nachgefragten Viertel die am dichtesten bebauten und am meisten gemischten sind. Für mich persönlich ist es erschreckend, was in den letzten Jahren in Berlin entstanden ist. Am Übelsten finde ich die monothematischen Wohnungswürfelhusten in Einheitshöhe und Einheitsfassde mit Abstandsgrün. Vorstadt in der Kernstadt. Crazy.



    - Verkehr: Tokyo hat Verkehrs-Schneisen, die sich mit je 6 Suren auf 3 Ebenen mitten in der Stadt auftürmen. Im Grunde wie wenn man das Dreieck am Funkturm 3x aufeinander schichtet und dann an den Alex verpflanzt. Gleichzeitig hat Tokyo aber in 100 Meter Entfernung davon sehr kleine, sehr enge Strassen. Und natürlich ein sehr gutes Netz des öffentlichen Nachverkehrs. Zum Vergleich: Pro Tag fahren in Tokyo 15 Mio Menschen mit den Öffis. In New York 3 Mio. In Berlin 1,5 Mio. Das Tokyoter Verkehrsmodel ist aus meiner Sicht genial und produziert eine sehr hohe Lebensqualität (immer im Kopf habend: Hier geht es um 35 Mio Menschen).


    Es gibt eine Ko-Existenz eines sehr effizienten Systems für grössere Distanzen (bestehend aus Öffis und Durchgangsstrassen mit recht hohen Geschwindigkeiten und sehr hohem Durchlass) und direkt daneben in den Mischvierteln sehr viele sehr enge Strassen. Die engen Straßen haben häufig den Charakter einer Linienstrasse - zwei Autos kommen kaum andienender vorbei. Die gefahrenen Geschwindigkeiten sind sehr niedrig: 10, 20, max 30km. In diesem Strassen mischen sich Autos, Fussgänger und Fahrräder - häufig ohne jede Fahrbahn-Markierung - oft sogar ohne Bürgersteig. Also ein echtes "Shared-Space-Konzept". Dieses Nebeneinander der beiden Extreme halte ich für ausschlaggebend für die Lebensqualität.

    Auch hier könnte sich Berlin meines Erachtens etwas abgucken. Statt den Autoverkehr langsamer (im Distanzbereich) zu machen - lieber den öffentlicher Nachverkehr schneller machen. Ausserdem sehr viel mehr Shared Space abseits von Durchgangsstrassen. Und keine Notwenigkeit den Autoverkehr zu verbannen...



    - Lärm: Ich empfinde Tokyo als ausgesprochen leise Stadt. Es gibt zwar viel mehr Protz-AMGs/Ferraris/Lambos (und Maybachs) als in Berlin. Aber die werden offenbar nicht von Protz-Tyen gefahren. Es gibt einen höheren Anteil an Hybrid Autos - die bei den niedrigen Geschwindigkeiten abseits der Trunk-Raods sehr leise sind. Mir kommt es so vor, als gäbe es strengere Lärmvorschriften für Autos, Busse etc. Auch an Baustellen gibt es in Tokyo Lärm-Messtationen - die die Dezibelzahl minutengenau anzeigen. Habe noch nie so leise Schlitzwandbagger gehört... Alles sehr angenehm - und das tut mE mehr für die alltägliche Lebensqualität als Abstandsgrün, ein abgeschnittenes Hochhaus und eine "Frischluftschneise".



    - Wohnviertel und Modal Split: Modal Split in Tokyo ist 47% Public, 12% Auto, 17% Fahrrad und 24% Fussgänger. Und das mit ganz wenigen Fahrradwegen... Und ausserdem ohne die Verkehrsträger ideologisch so gegeneinander auszuspielen...

    Das geht, weil man konsequent um grosse Nachverkehrs-Schwerpunkte herum Hochhauscluster baut und dort extrem verdichtet. Das geht auch, weil man sich - in den eigentlichen Mischvierteln im Shared-Space - zu Fuss und mit dem Fahrrad sehr angenehm bewegen kann. Und weil diese Mischviertel in kurzer Distanz eben auch wirklich alles haben. Die Cité-15-Minutes, die die französische Bürgermeisterin seit einigen Jahren populär macht, wird in Tokyo seit Jahrzehnten gebaut. 6-Jährige Kinder können zu Fuss gefahrlos (natürlich auch wegen der niedrigen Kriminalität) allein zur Schule in der Nachbarschaft... Und die ältere Dame auf dem Fahrrad ums Eck zum Arzt...


    Im Prinzip hat man das auch in Berlin verstanden. Warum man sich aber trotzdem so gegen Verdichtung, Hochhauscluster, Mischnutzung, Shared Spaces sträubt, ist mir ein Rätsel. Statt dessen arbeitet man sich an der Friedrichstraße ab. Und baut reine "Wohnviertel" in die Pampa. Hier passiert was die Berliner gerne dem Rest der Republik vorwerfen: Provinzialität ohne Ende. Den viel stärkeren Ausbau von Public Transport strebt man ja an. Aber im Verhältnis zur Grösse der Stadt produziert Berlin hier vor allem viel heisse Luft - und weniger Ergebnis als die Autostadt Hamburg. An all diesen Punkten müsste man sich echt mal am Riemen reissen und sich im Rest der Welt umgucken.

    Ich habe heute Iim Zusammenhang mit der Kostenexplosion beim Bau der britischen Schnellfahrstrecke "HS2" einen TV-Beitrag gesehen, indem ein Experte aussagt, dass der Kostenaufwand bis zur Baugenehmigung in UK bei 22% der Gesamtkosten läge und der Zeitbedarf bei 70% der Gesamtprojektzeit.


    Weiters sagte er, dass dem in Kontintaleuropa nur Deutschland nahe komme. Für eine Umnutzung mehrere Jahre verhandeln zu müssen, scheint in diese Kategorie zu fallen.


    Am anderen Ende des Spektrums befinden sich übrigens (in dieser absteigenden Reihenfolge: Spanien, Frankreich, Italien. Städtebau ist sicher nicht mit dem Bau von Überland-Verkehrs-Infrakstuktur vergleichbar - aber das wären schon mal 20% mehr Miete/qm. und das ohne Baupreis - und Gründstückskosten-Inflation.

    Das Projekt wird schon seit 2016 diskutiert. Dahinter steht die Unternehmerfamilie Pepper - bekannt geworden durch den Bau des Europa-Center. Standort wäre das Conti-Parkhaus in der Nürnberger Strasse. Hochhäuser ermöglichen einen viel kleineren CO2-Footprint - und lösen viel weniger Infrastrukturkosten im Verhältnis zu flacher Bauweise aus. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein so rationaler Blick in der ideologisch aufgeheizten Berliner Diskussion verfängt. Hiereiner von diversen Berichten dazu. Es wäre eine Sensation, wenn es gelingen würde, eine solches Gebäude politisch durchzusetzen und seine Baukosten im jetzigen Zinsumfeld zu finanzieren.

    Richtig ist, dass Lamentieren leicht ist - besser machen schwer. Man müsste eine Gegenrechnung aufstellen: Ein Louvre hat knapp 8 Mio Besucher pro Jahr. Die Museumsinsel in der jetzigen Form 0,9 Mio. In der geöffneten Form vor der Pandemie zuletzt 3 Mio (2019). Wenn man also annimmt, dass das fertige Gesamtkonzept statt 0,9 dann 5 Mio Besucher schafft, geht es um einen Differenz von 4 Mio pro Jahr mal 20 Jahre mal = 80 Mio Besucher. Wenn jeder Besucher der Stadt 100 Euro bringt: 8 Mrd Euro! Für diesen Einnahmeausfall lässt sich locker eine Beschleunigung bezahlen! Oder 10 Humboldtforen à 700 Mio...