Beiträge von Oranien

    Es soll nur ein geringer Anteil der Gesamtfläche bebaut werden - ich meine mich zu erinnern, dass es um 8% der Fläche ging. De facto würde das die Nutzung als Freizeitpark kaum einschränken. Leider sind die komplett explodierten Bodenpreise ein wichtiger Grund, warum das Bauen in Berlin so teuer wurde. Und diese Bodenpreise sind so explodiert, weil kein Berliner Senat die Kraft hatte, das Auswiesen von mehr Bauland gegen die eigene Klientel durchzusetzen. Gilt für links wie rechts. Ein Durchbruch wäre wünschenswert - angesichts von Zuzug und weiter wachsender Nachfrage nach Wohnungen....

    Angesichts der derzeitigen Haushaltslage (und die wird auf viele Jahre hinweg so bleiben) wird es zu massiven Streichungen bei Investitionen kommen müssen. Denn Investitionen sind in Deutschland leichter zu streichen als Konsum-Ausgaben. Ich fürchte, man muss für dieses Projekt schwarz sehen - bzw, Fertigstellung 2080 oder so :-(. Das liest sich besser als streichen.

    Ich finde es beeindruckend und überraschend, dass an dieser Stelle überhaupt jemand baut. Das mag vielleicht teilweise die vergangene Niedrigzinsphase ermöglicht haben. Man kann also nur hoffen, dass das Projekt auch im neuen Zinsumfeld durchgesetzt werden kann. Auch den Baustil halte ich für begrüssenswert: Gehobener Berliner Schießschartenlook (naja, nicht ganz in Reinform). Aus meiner Sicht begrüßenswert. An diesem Schießschartenlook wird man meines Erachtens einmal rückblickend eine Stilepoche festmachen - und urteilen, dass es nicht die schlechteste war.

    Tomov: Du behauptest halt nach wie vor Sachen, die sich zwar gut anhören - aber nicht stimmen. Das Hauptproblem der Signa sind die gestiegenen Zinsen. Wie bei vielen Entwicklern. Was man der Signa vorwerfen kann: Dass sie so tat, als würde es immer so weiter gehen. Was einfach grundlegend falsch ist, ist der in Deutschland gern vorgetragene Versuch, die gestiegenen Zinsen bei Hern Putin abzuladen. Das ist bequem und hört sich gut an. Hat aber mit der Wirklichkeit nix zu tun. Auslöser ist vielmehr die Geldpolitik der Notenanken seit 2008 - also seit der Finanzkrise. Und meines Wissens war damals Putin noch nichtmal auf der Krim.

    Dass die Signa am Gebäude-Energiegesetz zerbricht, behauptet natürlich niemand. Aber man muss sich schon den Tatsachen stellen: Wir haben Bauen (in einer Mischung aus vielen Faktoren - von denen ich bei weitem nicht alle aufzähle) in Deutschland und besonders Berlin sehr viel komplexer, teurer und teilweise unerwünschter gemacht als anderswo. Das bremst die Bautätigkeit bei uns mehr als anderswo. Und in dieses anderswo ziehen halt dann die Bauherren. Alles logisch soweit. Nur hinterher rumheulen sollte man dann halt nicht.

    Dass Netto-Ergebnis: Auf die Miete umgerechnet 20 Euro/qm Neu-Baukosten. Und das können halt gerade in Berlin nicht so viele leisten. Und so zu tun als hätte das nichts mit lokalem Handeln zu tun, tut vielleicht der geschundenen Berliner Seele gut - löst aber das Problem nicht. Und nur davon hätte eine geflüchtete Person etwas. Oder eine alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern in Neukölln.

    Kühne (jener von Kühne und Nagel) ist einer der grössten Geldgeber bei Signa. Er sieht - als Folge der Geld und Zinspolitik - das Ende des Baubooms der letzten 2 Jahrzehnte - und zwar nicht als Konjunkturelle Delle - sondern auf sehr sehr viele Jahre. Jetzt kann man in Berlin-Manier sagen: Ach soll der blöde Milliardär doch nach Dubai abhauen. Aber die Signas der Welt wachsen halt nicht auf den Bäumen.

    Johannes_9065: Es ist nicht richtig, dass René Benko insolvent ist. Ebensowenig die Signa Gruppe. Allerdings einige der Töchter schon - zB eine E-Commerce-Tochter. Die Signa Gruppe wird re-strukturiert - allerdings ohne Herrn Benko, der das Vertrauen der Mehrheit der Investoren verloren hat. Eine andere Frage ist, ob die Sanierung gelingt - oder ob am Ende nicht doch eine Insolvent steht. Aber bis dahin ist es noch ein Stück des Weges. Wahrscheinlich wird man weiter versuchen, Assets zu verkaufen.


    Tomov: Solche unterkomplexen Klischees lesen sich zwar gut - haben aber oft nichts mit der Wirklichkeit zu tun:

    1. Die Baukosten steigen - überdurchschnittlich in Deutschland - allein durch das Gebäude Energie Gesetz und andere Regulierungen. Das ist also hausgemacht. Das ist gewollt.

    2. In Berlin steigen die Baulandpreise besonders stark - weil das Land Berlin nicht bereit ist, mehr Bauland auszuweisen (Flughafen Tempelhof, Umwandlung Schrebergärten etc etc etc) oder mehr Nachverdichtung zuzulassen. Auch das wirkt sich massiv auf die Kosten aus. Auch das ist hausgemacht. Es ist in Summe halt einfach Realität, dass man in Berlin unter 20 Euro/qm keine Wohnung mehr bauen kann. Nicht alles hausgemacht (zB Zinsen und Probleme in den Lieferketten) - aber Vieles.

    Das sind nur wenige Beispiele von ganz vielen hausgemachten Faktoren - die meines Erachtens hier auf lange Sicht den Neubau massiv behindern werden.und zwar überall: Wohnungen, Büros - aber auch öffentliche Infrastruktur. In Berlin gibt es leider einen Kumulation von solchen behindernden Faktoren - bis hin zu unterbesetzten Genehmigungs-Behörden und politischer Behinderung (Motto: Neubau ist eh blöd - führt nur zu Gentrifizieurng).

    Tja, ein ziemlich ausdifferenzierter Artikel, finde ich: Wenig geht voran: Strassenbahn Projekte stoppen, weil Berlin halt Berlin ist:

    - zu wenige Planer

    - zu viel Bürokratie in der Hinsicht

    - Nimbys, nicht wenige davon Grüne.


    Will nicht mit der üblichen Litanei anfangen: Schau wie gut das die Chinesen hinkriegen. Ne, ein Blick nach Frankreich genügt schon. Aber auch hier, wie auf der Schliessung der Museumsinsel, finden wir bestimmt genug gute Gründe, warum das ok ist, dass Berlin sich wie zäher Schleim bewegt. Zeit aufzuwachen und wieder professioneller zu werden. Berlin konnte das alles mal sehr gut!

    Ich weiss nicht ob irgend etwas davon wirklich zwingend ist. Der in Deutschland ziemlich einzigartig hohe Planung-, Genehmigungs- und Überwachungsaufwand spielt sicher eine Rolle. Ich bilde mir aber ein selbst genügend Projekte geplant zu haben um skeptisch zu sein, ob das alles ist. Ich würde die These wagen: Das ging und geht da halt alles seinen "sozialistischen Gang". Wenn sich dann eben alles zu 4 / 10 / 14 Jahren aufaddiert, ist das halt so. Zumal, so bekomme ich es mit, es intern Strukturen gibt, denen es eh am liebsten ist, wenn es gar keinen Publikumsverkehr gibt. Man wird ja weiterbezahlt und hat keine/weniger Arbeit. Und aus Sicht der Konservatoren ruiniert Publikumsverkehr sowieso nur die Exponate. Ohne irgendeinen Einblick zu haben würde ich wetten: Wenn man es nur wirklich wollte, ginge es in der Hälfte der Zeit. Genauso wie man eine Autofabrik in 1 1/2 Jahren bauen kann - wie Tesla - oder in 6-8 Jahren wie andere.

    Ich würde gerne im Detail verstehen, was diese langen Zeiträume zwingend macht.

    Im Louvre würde man kaum auf die Idee kommen, die Mona Lisa für 10 Jahre wegzusperren - allein schon weil an solchen Ikonen der Kunst Tourismus-Einnahmen hängen.

    Wir haben uns in Deutschland und Berlin an Realisierungszeiträume gewöhnt, die früher und anderswo als absurd betrachtet worden wären bzw werden. Oder um es etwas zynischer zu sagen: Ist das jetzt das neue "Deutschland-Tempo"?

    Als Mieter würde ich mich über eine Gründach-Tendenz grundsätzlich freuen:

    Hm, in Summe werden sich die Mieter nicht freuen - ausser Sie haben Geld übrig. Die vorgeschlagenen Änderungen der Bauordnung treiben alle die Komplexität bei Bau, bei Planung und bei Genehmigung - ausser das Aufzugthema natürlich. Bauen wird noch teurer. Mieten werden steigen. Mich verblüfft der Vorstoss daher sowieso. War die Idee nicht Entschlackung, Vereinfachung, Beschleunigung?

    jan85 : Das stimmt so leider nicht. Wohlstand kommt nicht von Mittelmass. Noch nie und nirgendwo.

    Beispiele: Der Aufstieg Süd-Koreas zum Wohlstand hing an Exzellenz im Schiffbau und dann in Consumer Electronics. Der Aufstieg Japans an der Autoindustrie. Der Aufstieg Italiens am Maschinenbau und ebenfalls an der Automobilindustrie. Oder schau nach Skandinavien. In Dänemark gibt es eine der grössten Redereien der Welt und eine exzellente Windkraft-Industrie. Der Deutschland Wohlstand baut auf ehemaliger Exzellenz in Pharma, Atomkraft, Elektrotechnik, Chemie - und bröckelnder Exzellenz in Maschinenbau und Autobau.

    Es stimmt auch nicht, dass die USA den Aufstieg Chinas etc nicht "verhindern" konnten. Nein, die USA haben den Aufstieg Chinas aktiv gefördert - über Jahrzehnte (WTO Mitgliedschaft etc etc) - und bereuen das heute sicher. Ebenso haben die USA den Wiederaufstieg Europas aktiv gefördert.

    Die Ansiedelungen internationaler Unternehmen in Berlin haben viele strategische und taktische Gründe. Hier gibt es Talent (in gewissem Umfang) und hier gibt es Nachfrage (wenn auch langsamer wachsend als woanders). Es gibt immer noch Substanz in Deutschland - auch wenn sie auf Ausläufern von historischer Exzellenz beruht (ehemalige Bildungsexzellenz, ehemalige Exzellenz bei Nobelpreisen, bei Patenten, bei Innovationen). Bevor das vollends kaputt ist, dauert das zum Glück.

    Klar ist aber - und das demonstriert leider jedes einzelne der Dir dankenswerterweise (!) zusammengestellten Beispiele: Im wesentlichen sind es mässig relevante Ableger grosser Player wie Google - oder Unternehmen, die mal global exzellent waren und ihren Zenith leider weit überschritten haben (SAP, Cariad/VW, Telekom, Siemens, Deutsche Bank, Daimler, BMW). Neue globale Kraftzentren gibt es nicht - und werden hier wohl auch nicht mehr entstehen.


    Es geht mir nicht darum, die Haupstadtregion schlecht zu reden. Hier hat sich viel getan. Aber der Wohlstand hier ist mal mit globaler Exzellenz entstanden. Hier wurde mal gegründet was später zur grössten Bank der Welt wurde: Deutsche Bank. Hier wurde mal eine Uni gegründet die Vorbild für alle modernen Unis der Welt wurde (zB alle IvyLeague Unis der USA): Humboldt-Uni. Hier wurde mal der Computer erfunden (Conrad Zuse). Hier gab es mal mehr Industriearbeitsplätze (mehr als 1 Million) als im damals doppelt so grossen London. Hier wurde mal eine Versicherung gegründet, die dann ebenfalls die grösste der Welt wurde: Allianz. Oder nehmen wir ruhig Siemens: War mal das grösste Elektrotechnik-Unternehmen der Welt - und einer der grössten Patentanmelder der Welt. Auch aus Berlin. Heute ein Schatten seiner selbst.

    In solchen Maßstäben entsteht Wohlstand - und entstand der Berliner Wohlstand - den wir heute alle geniessen. Wir leben von den Innovationen unserer Urgrossväter. Das ging erstaunlich lange gut. Aber Deine Bespiele zeigen nur unfreiwillig: Wie lange noch? Dazu ist Deutschland inzwischen zu technikfeindlich, leistungsfeindlich, bildungsfeindlich. Und in all dem ist Berlin Vorreiter. Die globale Abstieg der drei Berliner Unis sind das beste Beispiel dafür. Das Wissen um >100 Geschlechter ist sicher wichtig, aber damit wird man auf Dauer den Berliner Sozialhaushalt nicht finanzieren können.

    Gerade wenn einem die Stadt am Herzen liegt, darf man sich das nicht schönreden.

    Frau Kahlfeldt muss sich im herrschenden politischen Klima genau überlegen, welchen Kampf sie kämpft und welchen nicht. Gibt sie ihr politisches Kapital für einen Wiederaufbau der Bauakademie aus - für einen traditionell bebauten Jüdenhof - für eine Wiederbebauung des Marx Engels Forums? Oder für Eldenaer4Zero? Alles wird nicht gehen - also Prioritäten setzen und sichtbare politische Opfer bringen. Dann kann man was im Gegenzug fordern...

    Kleinteiligkeit ist natürlich relativ. Kleinteiligkeit im Zentrum einer grösseren Stadt heisst wohl kaum Einfamilienhäuser. Auch Townhouses sind eine Ausnahme - sogar im Zentrum von London. Die Ermöglichung von Nutzungsmischung ist entscheidend. Und dabei hat sich in Berlin - von Kreuzberg bis Wilmersdorf - das stinknormale Berliner Gründerzeit-Mietshaus als Basiseinheit doch sehr gut bewährt. Breiten, Traufhöhen, Fensterachsen, Deckenhöhen, Staffelungen nach hinten, Mischung von Wohnen, Einkaufen, Kultur, Gewerbe. Nichts davon muss neu erfunden werden. Was man dann mit der Fassade macht ist eine ganz andere Sache.

    Die von Dir verlinkten Bilder widerlegen meines Erachtens Deine These. Die optische Achse ist nämlich nur "erlebbar", wenn man den Bildausschnitt mit grosser Sorgfalt auswählt und dann noch ein starkes Zoom einsetzt. Dass der Brunnen dort gut besucht und genutzt wird - auch von Kindern, wie Du sagst - trifft meines Erachtens keine Aussage über den Ortsbezug. Der Brunnen ist als Objekt an sich attraktiv. Er wäre es auch auf einer Autobahnraststätte oder in Hellersdorf.

    Am Ende ist die Frage, welche historische Einbettung "gewinnen" soll: Die aus der DDR stammende. Oder die aus den (überwiegend) bürgerlichen Zeiten davor. Diese Frage stand ja schon bei der Sprengung des Schlosses ebenso wie beim Abriss des Palasts der Republik auf der Agenda. Und zieht sich auch immer wieder in ähnlicher Form durch die Diskussionen in diesem Forum.

    Aus meiner Sicht ist die DDR mit 40 Jahren Anteil - und das nur in einem Teilstaat - ein Wimpernschlag der deutschen Geschichte. Je mehr Zeit vergeht umso deutlicher wird das werden. Und umso mehr werden andere historische Einbettungen "gewinnen". Ohne diesen Wandel wäre schon das Humboldt-Forum an sich gegen die DDR-Städtebau-Freunde nicht durchsetzbar gewesen.

    Die grossen Kunst-Sammler sind seit Jahrhunderten überwiegend Bürgerlich-Konservative. Von Briefmarke bis Gegenwartskunst. Das konservative Bildungsbürgertum bevölkert auch die Kunstvereine etc. So einfach ist es also nicht. Das überraschende hier ist ja, dass sich offenbar eine Szene gegen Kunst am Bau wendet, der man das nicht zugetraut hätte und die ich eher links und progressiv einordnen würde. Für Gegenwartskunst interessieren sich nur wenige Menschen - 1-2% - mehr auf keinen Fall. Somit defacto eine sehr elitäre Szene - auch in Berlin. Vielleicht ist es auch das woran man sich reibt. Ich würde mal sagen, dass die Stele dem Künstler viele Hunderttausend Euro einbrachte. Mit Kunst am Bau kann man Geld verdienen. Ich persönlich finde die Arbeit übrigens hervorragend. Denn Kunst am Bau misslingt oft - denn da darf dann die Vorstands-Gattin (Klischee) auswählen - statt eines erfahrenen Kurators.

    Ich halte es für wenig realistisch auf Geschäftsreisen und Fernreisen zu setzen. Berlin ist als Geschäfts-Stadt dafür viel zu irrelevant. Das wird sich - wenn überhaupt - nur sehr langfristig ändern lassen. Im bekanntesten Ranking schafft es Berlin nicht mal in die "Alpha" Kategorie (wo Frankfurt ist). Die Stärke von Berlin lag im Billigtourismus / Massentourismus. Das heisst, der Flughafen muss für die Ryan-Airs und EasyJets der Welt wieder attraktiv werden - also wieder wesentlich billiger werden. Die internationalen Billigairlines zogen und ziehen sich derzeit aus Deutschland auf breiter Front zurück - weil überall zu teuer im Vergleich zum Rest von Europa / der Welt. Ganz besonders betroffen von diesem Rückzug ist jedoch leider Berlin. Wenn man das aus klimapolitischen Gründen gut findet - ok. Man muss dann aber halt auch mit den wirtschaftlichen Konsequenzen leben können.

    Kieselgur : Aus meiner Sicht beschreibst Du perfekt, warum eine Bibliothek konventioneller Art keine Zukunft hat: Digitalisierung der Metadaten, Digitalisierung des Abstracts, Digitalisierung der Ausleihe/Vorbestellung/Rückgabe, Digitalisierung des Backoffice-Prozesse. Aber dann Halt machen vor der Digitalisierung des Inhalts? Das wird so nicht passieren, meines Erachtens. Das wird bald niemand mehr nachvollziehen können. Selbst im Lande Gutenbergs.

    Ansonsten hörte ich: Im Haushalt stehen 350 Mio. Beziehungsweise standen 350 Mio. Denn dieser Betrag ist mittlerweile CDU/SPD angesichts anderer Pressionen zu hoch (Bildung, Geflohene etc). Allein das Grundstück und Gebäude soll wohl 500-600 Mio kosten. Plus 200-300 Mio für Umbau. Also 700-900 Mio gesamt. Am Ende wird dann daraus > 1 Mrd. Angesichts dessen kann man jetzt schon eine hohe Wette eingehen, dass das leider nix wird. So einen Betrag für einen kulturellen Leuchtrum - teurer als das "Stadtschloss"....?

    Backstein : Selbstverständlich werden gedruckte Bücher nicht durch E-Books ersetzt. Die Zeitbudgets, die früher in gedruckte Bücher flossen, fliessen heute in Soziale Medien. Selbst Studenten lesen heute viel weniger Bücher als noch vor Jahrzehnten. Ich war vor vielen Jahren mal Teil der Buchbranche. Schon damals war klar: Es wird noch viel gekauft, aber das gekaufte weniger gelesen. Heute wird auch weniger gekauft. Das Thema Buch ist für die Mehrheit der Bevölkerung durch. Die Zahlen, die ich zuletzt sah: Bibliotheken sind ein Minderheitenthema für 1/3 der Bevölkerung. 2/3 betrete sie nie/nicht mehr. Die durchschnittliche verkaufte Auflage von Belletristik Neuausgaben in Deutschland liegt inzwischen bei knapp über 2000 (!) Exemplaren. Sich solchen Entwicklungen nicht zu stellen macht keinen Sinn.


    Mir kommt das vor wie die Diskussion um Shoppingzentren in Berlin. Es gibt 64 davon. 80% davon könne sich schon mal Umnutzungskonzepte ausdenken, meines Erachtens.


    Moewe: Ich stimme dem überwiegend zu. Viele Bibliotheken sind voll - manche sogar zu klein (wie zum Beispiel das neu gebaute Grimm-Zentrum). Es wird auch in Zukunft hoffentlich öffentliche Orte geben, an denen man sich zum Lernen versammeln kann. Aber es werden keine Bibliotheken sein - ausser für vielleicht sehr kleine, sehr privilegierte Minderheiten. Vielleicht wird man es trotzdem Bibliothek nennen - auch wenn es mit dem, was man heute darunter versteht, nichts mehr zu tun haben wird.


    Was die Friedrichstrasse angeht: Ich fände es für mich persönlich hervorragend, wenn dort die Landesbibliothek einzieht - und eine 20 Jahre anhaltende Diskussion ein akzeptables Ende fände. Die Vorteile der Standorts wurden ausführlich beschrieben. Ich persönlich fand auch das Dussmann'sche Medienkaufhaus in derselben Strasse hervorragend. Die Abteilung mit Berlin-Büchern suchte jahrelang ihresgleichen. Heute ist sie auf 1/5 der Fläche geschrumpft. Selbst in dieser Zielgruppe und für diese Thema schrumpft die Nachfrage nach "Buch-vor-Ort". Das Medien-Kaufhaus auch ein Rückzugsgefecht. Wenn es im Lafayette gelänge, einen zukunftsträchtigen Ort fürs Lernen zu bauen: Wunderbar. Ich fürchte aber, dort baut man eine Bibliothek - für eine Minderheit (zu der ich mich durchaus auch zähle). Während die Mehrheit weiter in die Röhre gucken wird, was eine zeitgemässe Nutzung des Internets angeht, als Beispiel.

    Ich halte die massive Investitionen in Bibliotheken für genauso irregeleitet wie massive Investitionen in Shopping Malls. In beiden Fällen verlagert sich die Nutzung ins Digitale. Den Shoppingmalls wird ebenso die Existenzgrundlage entzogen wie den Bibliotheken - von Ausnahmen jeweils abgesehen.

    Berlin sollte lieber Geld in kostenloses WLAN oder eine wenigstens ähnliche effektive Versorgung mit 5G wie in der tiefsten chinesischen Provinz investieren - statt 3stellige Millionenbeträge in Weisse-Bibliothek-Elefanten. Man kann beides machen - wenn man Geld im Überfluss hat - aber die Zeiten sind vorbei.

    Ich denke, man muss sich erstmal damit abfinden, dass die Friedrichstrasse ihre stadtweite Relevanz verloren hat. Dort muss es erst nochmal massiv schlechter werden bevor es wieder besser werden kann. Eine Torstrasse oder Kantstraße ist heute wichtiger als eine Friedrichstrasse (oder vielleicht sogar in Zukunft ein Kudamm). In diesen Strasse findet zB Retail- & Gastronomie-Innovation statt - dort werden neue Dinge ausprobiert wie in Zukunft Erdgeschosse genutzt werden können - nach dem die traditionellen Filialisten zunehmend als Nachfrager ausfallen.

    Die Mischung aus E-Commerce-Effekt plus U-Bahnbau plus Fahrrad-Sperrungs-Gezerre plus Kaufkraftverlust der Mittelschicht plus Corona-Effekt ist erstmal nicht wieder gutzumachen. Gleichzeitig wird die Vermieterstruktur eine ausreichend schnelles Sinken der Mieten verhindern, um alternative Nutzungen zu erleichtern.