Beiträge von Oranien

    JimmyMcGill : Vielleicht verstehst Du das Argument nicht. Denn: Gerade wenn man sich für den Klimawandel oder fürs klimagerechte Bauen interessiert - und man begrenzte Ressourcen hat, - muss man sich auf das konzentrieren, was wirklichen Impact hat. Du bestätigst insofern was ich schreibe: Dir ist Symbolik wichtiger als Ergebnis. "Wünsch Dir was" mit endlosen Resourcen gibt es nämlich nicht. Es würde sogar wesentlich mehr bringen, wenn man denselben Klimaschutz-Aufwand in einen beliebigen Plattenbau irgendwo in Marzahn stecken würde - statt sich symbolisch damit an der Bauakademie abzuarbeiten.


    Es wird aber meines Erachtens sowieso erstmal für viele weitere Jahre nichts passieren. Die Fronten sind zu verhärtet. Man wird Wege finden, die Entscheidung weiter hinauszuzögern - von jeder Seite aus mit der Hoffnung, dass sich in ein ein paar Jahren die politische Konstellation zu den eigenen Gunsten verbessert.

    Die Argumentation ist hinsichtlich der Ökologie ist absurd - bezogen auf die Gesamtheit der Stadt. Wenn man etwas tun will, das hinschlicht eines grünen Umbaus wirklich die Zeiger bewegt, würde man meinetwegen Genehmigungsverfahren für Solardächer vereinfachen, den öffentlichen Nahverkehr in Stadt-relevantem Masse ausbauen und beschleunigen. Man würde vor allem für Schatten sorgen (Bebauungspläne ändern und Hochverdichtung ermöglichen). Selbst so fragwürdige Dinge wie eine effektive Vereinfachung des Holzbaus (Brandschutzregeln etc) würde mehr bringen. Man würde alles mögliche tun - aber sich garantiert nicht am Wiederaufbau der Bauakademie abarbeiten. Die gibt es nur 1x in Berlin und die ist für eine Ökobilanz völlig egal. Die Bauakademie ist für den ökologischen Städtebau das, was für die Verkehrswende die 500 Meter Friedrichstasse sind: Symbolpolitik - getrieben von Ideologen.

    Es sind immer dieselben Themen:
    1. Mangel an qualifiziertem Personal in den Bauverwaltungen: Viele Projekte verzögern sich deswegen um Jahre oder um Jahrzehtne. Oder sie werden ganz aufgeben - wie zum Beispiel der ehemals geplante Rückbau der Urania-Verkehrswüste.

    2. Poltische Einflussnahme: Das betrifft alle Parteien - jede schützt ihr Klientel. Mal soll es mehr Park sein, dann wieder mehr produzierendes Gewerbe. Dann soll lieber gar nix gebaut werden. Und dann wieder lieber Kultur. Oder mehr Sozialwohnungen. Denn 'ne U-bahn statt 'ne Strassenbahn. Oder umgekehrt. Naturgemäss haben in Demokratien viel mehr Gruppen die Macht, Dinge zu verhindern als die Macht, Dinge durchzusetzen. Ist ja im Prinzip auch richtig so. Aber im Berin ganz besonders ausgeprägt.

    3. Streckung der Kosten über viele Haushalte: Der Planungs- und Abstimmungsaufwand beläuft sich in D bei grossen Infrastrukturprojekten inzwischen auf 20% der Gesamtkosten. Weltspitze - neben UK. Hinzu kommen inzwischen hohe Inflation, hohe Zinsen (Berlin hat ein historisches Fenster verpasst - das erst in Jahrzehnten wieder kommen wird - meines Erachtens). Deswegen werden die Kosten für Projekte über viele Haushaltsjahre hinweg gestreckt. Motto: Wir tun ja was - dauert halt 20 Jahre. Und man kann pro Legislaturperiode mehr neue Projekte ankündigen (Pressephoto inklusive). Auch die Heidekrautbahn ist dafür ein Beispiel.


    Dass es mit dem Projekt Nachnutzung von Tegel überhaupt soweit gekommen ist, ist eh ein Wunder. Das ist nicht zuletzt dem umtriebigen und medienstarken langjährigen Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, Philipp Boutelier, zu verdanken. Ohne ihn würde man wahrscheinlich auf Tempelhof-Level diskutieren. Aber auch der hat nach 10 (oder so) Jahren aufgegeben und ist gegangen.

    ...wenn Du ins Detail gehen willst: Das Gebäude ist letztlich nicht viel mehr als ein Aufzug und ein Treppenhaus - um das Weinmeisterhaus barrierefreier zu machen. Daneben ganz wenige Räume. Umgerechnet auf diese nutzbaren QM ist das Projekt immens teuer. Aber das Land Berlin kann es sich ja offenbar leisten. Ob ein privater Investor dafür auch Millionen für einen Anbau ausgegeben hätte - oder vielleicht eher einen Aufzug ins Weinmeisterhaus gebaut hätte - die Frage darf man stellen.

    Und was Graffiti angeht: Ja, das war natürlich eine etwas unsachliche Spitze. Allerdings habe ich 5 Jahre lang um die Ecke in der Mulackstrasse wohnt. Und erlaube mir daher das Urteil, dass die Walldorfschule und ihr Umfeld (auch Weinmeisterhaus) die beschmierteste/verzierteste der Gegend ist.

    Wie es sich für eine Walldorfschule gehört, ist der Erdgeschossteil der Fassasde bereits mit Graffiti verziert. Interessanter ist das Dekor oberhalb davon: Sind das Vorrichtungen, an denen sich Pflanzen emporranken sollen? Problematisch finde ich jedoch Aufwand / Ergebnis beim geringen Bauvolumen. Mehr als 5 oder 6 Räume dürfen da nicht drin sein. Dafür den ganzen Fixaufwand, der heutzutage in einem Neubau steckt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht problematische Quadratmeterpreise gibt.

    Da ich zwischen Tokyo und Berlin pendele, möchte ich auf ein paar Aspekte aufmerksam machen, die den Städtebau in Tokyo prägen und von denen meines Erachtens Berlins Baupolitik teilweise lernen kann.


    - Polyzentrismus konsequent an grossen Transport-Hubs verankert: Der Städtebau in Tokyo ist sehr stark auf die öffentliche Verkehrsinfrastruktur ausgerichtet. Dort, wo grosse Bahnstationen sind, wird sehr hochverdichtet und werden dicht gestellte Hochhäuser gebaut.


    Die Logik: Zu Fuss sollen von der Bahnstation aus möglichst viele Quadratmeter Büro/Gewerbe/Wohnen erreichbar sein. Das mindert generell den Verkehr und zusätzlich die Erschliessungskosten für die öffentliche Hand pro gebautem QM drastisch.


    Übertragen auf Berlin würde das bedeuten: Ein 200m-Hochhauscluster am Alex und Zoo - aber auch am Ostkreuz, Westkreuz, Südkreuz, Gesundbrunnen. Auf die Idee, statt dessen den Flughafen Tegel oder das Gartenfeld (beides quasi unerreichbar mit Tokyoter Maßstäben) zu einem Schwerpunkt der Stadtentwicklung zu erklären, käme man eher nicht. In Berlin werden solche Konzepte hin und wieder zwar auch diskutiert - in Tokyo aber seit 50 Jahren gebaut. Entsprechend gibt es fast 20 solcher Cluster. Das Modell hat sich sowohl ökonomisch als auch ökologisch allen anderen Modellen überlegen erwiesen.



    - Priorität auf Mischnutzung / Laxes Baurecht: Ein mit Berliner Maßstäben skandalös liberales Baurecht ermöglichst sehr erfolgreiche Mischnutzung und - für eine so große Stadt - sehr günstige Mieten im Kernbereich. Wer ein Grundstück besitzt, kann, ohne dass die Nachbarn gross etwas dagegen unternehmen können, fast jeden QM bebauen wie er mag. Die strenge Gebiets-Trennung in Wohnen, leises Gewerbe, lautes Gewerbe, Büro etc etc mit vielen weiteren Einschränkungen ist viel weniger relevant. So entstehen wild gemischte Bauformen und Nutzungen. Was das angeht, ist Tokyo einer Art riesiges "Gründerzeitkreuzberg" - als es noch 8.000 Einwohner pro QM hatte - aber für 35 Mio Menschen - indem sich in Wohnungen aller Art, Dienstleistungen, Schulen, Sozialeinrichtungen, Kultur, Einkaufen - und sogar Fabriken/produzierendes Gewerbe - wild durcheinander und aufeinander türmen. Alles auf sehr engem Raum und - mit unseren Maßstäben - ohne jede Struktur. Aus meiner Sicht mit hervorragendem Ergebnis: Organische, lebendige, bunte Viertel - in denen fussläufig oder mit dem Fahrrad wirklich alles erreichbar ist - und die bezahlbar sind. Natürlich mit dem Nachteil, dass einem der Nachbar aus 1 Meter Entfernung auf dem Balkon beim Frühstücken zusehen kann.

    Die Angst vor starker Verdichtung, vor flächendeckender Nutzungsmischung, vor Freiheit von Angebot und Nachfrage - und vor allem die Angst vor Hochhäusern - kennt man nicht. Die Diskussion um Blickachsen und Frischluftschneisen würde in dem Masse, wie sie in Berlin diskutiert wird, auf vollkommenes Unverständnis treffen. Freiflächen und Grün sind knapp in Tokyo (im Verhältnis zu Berlin) - aber das Luftqualität trotzdem vergleichbar gut.

    Berlin sollte und könnte hier viel mutiger sein. Auch in Berlin gilt, dass die am meisten nachgefragten Viertel die am dichtesten bebauten und am meisten gemischten sind. Für mich persönlich ist es erschreckend, was in den letzten Jahren in Berlin entstanden ist. Am Übelsten finde ich die monothematischen Wohnungswürfelhusten in Einheitshöhe und Einheitsfassde mit Abstandsgrün. Vorstadt in der Kernstadt. Crazy.



    - Verkehr: Tokyo hat Verkehrs-Schneisen, die sich mit je 6 Suren auf 3 Ebenen mitten in der Stadt auftürmen. Im Grunde wie wenn man das Dreieck am Funkturm 3x aufeinander schichtet und dann an den Alex verpflanzt. Gleichzeitig hat Tokyo aber in 100 Meter Entfernung davon sehr kleine, sehr enge Strassen. Und natürlich ein sehr gutes Netz des öffentlichen Nachverkehrs. Zum Vergleich: Pro Tag fahren in Tokyo 15 Mio Menschen mit den Öffis. In New York 3 Mio. In Berlin 1,5 Mio. Das Tokyoter Verkehrsmodel ist aus meiner Sicht genial und produziert eine sehr hohe Lebensqualität (immer im Kopf habend: Hier geht es um 35 Mio Menschen).


    Es gibt eine Ko-Existenz eines sehr effizienten Systems für grössere Distanzen (bestehend aus Öffis und Durchgangsstrassen mit recht hohen Geschwindigkeiten und sehr hohem Durchlass) und direkt daneben in den Mischvierteln sehr viele sehr enge Strassen. Die engen Straßen haben häufig den Charakter einer Linienstrasse - zwei Autos kommen kaum andienender vorbei. Die gefahrenen Geschwindigkeiten sind sehr niedrig: 10, 20, max 30km. In diesem Strassen mischen sich Autos, Fussgänger und Fahrräder - häufig ohne jede Fahrbahn-Markierung - oft sogar ohne Bürgersteig. Also ein echtes "Shared-Space-Konzept". Dieses Nebeneinander der beiden Extreme halte ich für ausschlaggebend für die Lebensqualität.

    Auch hier könnte sich Berlin meines Erachtens etwas abgucken. Statt den Autoverkehr langsamer (im Distanzbereich) zu machen - lieber den öffentlicher Nachverkehr schneller machen. Ausserdem sehr viel mehr Shared Space abseits von Durchgangsstrassen. Und keine Notwenigkeit den Autoverkehr zu verbannen...



    - Lärm: Ich empfinde Tokyo als ausgesprochen leise Stadt. Es gibt zwar viel mehr Protz-AMGs/Ferraris/Lambos (und Maybachs) als in Berlin. Aber die werden offenbar nicht von Protz-Tyen gefahren. Es gibt einen höheren Anteil an Hybrid Autos - die bei den niedrigen Geschwindigkeiten abseits der Trunk-Raods sehr leise sind. Mir kommt es so vor, als gäbe es strengere Lärmvorschriften für Autos, Busse etc. Auch an Baustellen gibt es in Tokyo Lärm-Messtationen - die die Dezibelzahl minutengenau anzeigen. Habe noch nie so leise Schlitzwandbagger gehört... Alles sehr angenehm - und das tut mE mehr für die alltägliche Lebensqualität als Abstandsgrün, ein abgeschnittenes Hochhaus und eine "Frischluftschneise".



    - Wohnviertel und Modal Split: Modal Split in Tokyo ist 47% Public, 12% Auto, 17% Fahrrad und 24% Fussgänger. Und das mit ganz wenigen Fahrradwegen... Und ausserdem ohne die Verkehrsträger ideologisch so gegeneinander auszuspielen...

    Das geht, weil man konsequent um grosse Nachverkehrs-Schwerpunkte herum Hochhauscluster baut und dort extrem verdichtet. Das geht auch, weil man sich - in den eigentlichen Mischvierteln im Shared-Space - zu Fuss und mit dem Fahrrad sehr angenehm bewegen kann. Und weil diese Mischviertel in kurzer Distanz eben auch wirklich alles haben. Die Cité-15-Minutes, die die französische Bürgermeisterin seit einigen Jahren populär macht, wird in Tokyo seit Jahrzehnten gebaut. 6-Jährige Kinder können zu Fuss gefahrlos (natürlich auch wegen der niedrigen Kriminalität) allein zur Schule in der Nachbarschaft... Und die ältere Dame auf dem Fahrrad ums Eck zum Arzt...


    Im Prinzip hat man das auch in Berlin verstanden. Warum man sich aber trotzdem so gegen Verdichtung, Hochhauscluster, Mischnutzung, Shared Spaces sträubt, ist mir ein Rätsel. Statt dessen arbeitet man sich an der Friedrichstraße ab. Und baut reine "Wohnviertel" in die Pampa. Hier passiert was die Berliner gerne dem Rest der Republik vorwerfen: Provinzialität ohne Ende. Den viel stärkeren Ausbau von Public Transport strebt man ja an. Aber im Verhältnis zur Grösse der Stadt produziert Berlin hier vor allem viel heisse Luft - und weniger Ergebnis als die Autostadt Hamburg. An all diesen Punkten müsste man sich echt mal am Riemen reissen und sich im Rest der Welt umgucken.

    Ich habe heute Iim Zusammenhang mit der Kostenexplosion beim Bau der britischen Schnellfahrstrecke "HS2" einen TV-Beitrag gesehen, indem ein Experte aussagt, dass der Kostenaufwand bis zur Baugenehmigung in UK bei 22% der Gesamtkosten läge und der Zeitbedarf bei 70% der Gesamtprojektzeit.


    Weiters sagte er, dass dem in Kontintaleuropa nur Deutschland nahe komme. Für eine Umnutzung mehrere Jahre verhandeln zu müssen, scheint in diese Kategorie zu fallen.


    Am anderen Ende des Spektrums befinden sich übrigens (in dieser absteigenden Reihenfolge: Spanien, Frankreich, Italien. Städtebau ist sicher nicht mit dem Bau von Überland-Verkehrs-Infrakstuktur vergleichbar - aber das wären schon mal 20% mehr Miete/qm. und das ohne Baupreis - und Gründstückskosten-Inflation.

    Das Projekt wird schon seit 2016 diskutiert. Dahinter steht die Unternehmerfamilie Pepper - bekannt geworden durch den Bau des Europa-Center. Standort wäre das Conti-Parkhaus in der Nürnberger Strasse. Hochhäuser ermöglichen einen viel kleineren CO2-Footprint - und lösen viel weniger Infrastrukturkosten im Verhältnis zu flacher Bauweise aus. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein so rationaler Blick in der ideologisch aufgeheizten Berliner Diskussion verfängt. Hiereiner von diversen Berichten dazu. Es wäre eine Sensation, wenn es gelingen würde, eine solches Gebäude politisch durchzusetzen und seine Baukosten im jetzigen Zinsumfeld zu finanzieren.

    Richtig ist, dass Lamentieren leicht ist - besser machen schwer. Man müsste eine Gegenrechnung aufstellen: Ein Louvre hat knapp 8 Mio Besucher pro Jahr. Die Museumsinsel in der jetzigen Form 0,9 Mio. In der geöffneten Form vor der Pandemie zuletzt 3 Mio (2019). Wenn man also annimmt, dass das fertige Gesamtkonzept statt 0,9 dann 5 Mio Besucher schafft, geht es um einen Differenz von 4 Mio pro Jahr mal 20 Jahre mal = 80 Mio Besucher. Wenn jeder Besucher der Stadt 100 Euro bringt: 8 Mrd Euro! Für diesen Einnahmeausfall lässt sich locker eine Beschleunigung bezahlen! Oder 10 Humboldtforen à 700 Mio...

    Unvorstellbar was allein die zeitliche Streckung an Kostenzuwachs auslöst: Weil man während der langen Zeit neue Erkenntnisse gewinnt und deswegen umplant. Weil es neue Vorschriften gibt und deswegen umgeplant werden muss. Und weil die öffentlichen Körperschaft sich jetzt mit 5% statt mit 0,5% refinanzieren müssen. Und weil die Baupreise steigen. Das dürfte locker für eine Verdoppelung des effektiven Aufwands reichen.

    Wenn man weniger als 3 Jahre vor der nächsten Wahl etwas anschiebt, das 1.) zurecht kontrovers ist und 2.) erst in 20 Jahren (wir sind hier in Berlin!) eventuell eine positive Wirkung hat, ist man entweder schlauer als alle anderen oder das genaue Gegenteil. Ich kann nicht nachvollziehen, warum die CDU das macht. Die sind ja auch nicht doof. Die müssen wissen, dass das mit 99% Wahrscheinlichkeit im Sande verläuft. Ist das, um "Zukunftsorientierung" zu signalisieren? Oder die Diskussion zur Verkehrswende in weg vom leidigen Fahrradthema zu kriegen?

    Die 500meter Strassenbahn in der Sonntagstrasse werden seit 10 Jahren diskutiert. Die Strassenbahn durch die Invalidenstrasse hat auch 10 Jahre gedauert. Niemand kann ernsthaft glauben, dass es in Berlin den politischen Willen gibt, mehrere Kilometer Innenstadt für ein neues System auf den Kopf zu stellen. Die CDU kann stolz sein, wenn es ihr gelingt, in dieser Legislaturperiode noch ein paar km Strassenbahn zu bauen - oder planfestgestellt zu bekommen.

    Industriepolitisch kann man dagegen vollkommen nachvollziehen, dass Max Bögl als Hersteller irgendwo in Deutschland ein Referenzprojekt braucht - dringend. Sonst wird es halt wie mit der Magnetschwebebahn - die läuft jetzt auch nur in China. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Aspekt ausgerechnet in Berlin Gewicht bekommt. Max Bögl ist schliesslich aus dem politisch verachteten Bayern.

    Es soll nur ein geringer Anteil der Gesamtfläche bebaut werden - ich meine mich zu erinnern, dass es um 8% der Fläche ging. De facto würde das die Nutzung als Freizeitpark kaum einschränken. Leider sind die komplett explodierten Bodenpreise ein wichtiger Grund, warum das Bauen in Berlin so teuer wurde. Und diese Bodenpreise sind so explodiert, weil kein Berliner Senat die Kraft hatte, das Auswiesen von mehr Bauland gegen die eigene Klientel durchzusetzen. Gilt für links wie rechts. Ein Durchbruch wäre wünschenswert - angesichts von Zuzug und weiter wachsender Nachfrage nach Wohnungen....

    Angesichts der derzeitigen Haushaltslage (und die wird auf viele Jahre hinweg so bleiben) wird es zu massiven Streichungen bei Investitionen kommen müssen. Denn Investitionen sind in Deutschland leichter zu streichen als Konsum-Ausgaben. Ich fürchte, man muss für dieses Projekt schwarz sehen - bzw, Fertigstellung 2080 oder so :-(. Das liest sich besser als streichen.

    Ich finde es beeindruckend und überraschend, dass an dieser Stelle überhaupt jemand baut. Das mag vielleicht teilweise die vergangene Niedrigzinsphase ermöglicht haben. Man kann also nur hoffen, dass das Projekt auch im neuen Zinsumfeld durchgesetzt werden kann. Auch den Baustil halte ich für begrüssenswert: Gehobener Berliner Schießschartenlook (naja, nicht ganz in Reinform). Aus meiner Sicht begrüßenswert. An diesem Schießschartenlook wird man meines Erachtens einmal rückblickend eine Stilepoche festmachen - und urteilen, dass es nicht die schlechteste war.

    Tomov: Du behauptest halt nach wie vor Sachen, die sich zwar gut anhören - aber nicht stimmen. Das Hauptproblem der Signa sind die gestiegenen Zinsen. Wie bei vielen Entwicklern. Was man der Signa vorwerfen kann: Dass sie so tat, als würde es immer so weiter gehen. Was einfach grundlegend falsch ist, ist der in Deutschland gern vorgetragene Versuch, die gestiegenen Zinsen bei Hern Putin abzuladen. Das ist bequem und hört sich gut an. Hat aber mit der Wirklichkeit nix zu tun. Auslöser ist vielmehr die Geldpolitik der Notenanken seit 2008 - also seit der Finanzkrise. Und meines Wissens war damals Putin noch nichtmal auf der Krim.

    Dass die Signa am Gebäude-Energiegesetz zerbricht, behauptet natürlich niemand. Aber man muss sich schon den Tatsachen stellen: Wir haben Bauen (in einer Mischung aus vielen Faktoren - von denen ich bei weitem nicht alle aufzähle) in Deutschland und besonders Berlin sehr viel komplexer, teurer und teilweise unerwünschter gemacht als anderswo. Das bremst die Bautätigkeit bei uns mehr als anderswo. Und in dieses anderswo ziehen halt dann die Bauherren. Alles logisch soweit. Nur hinterher rumheulen sollte man dann halt nicht.

    Dass Netto-Ergebnis: Auf die Miete umgerechnet 20 Euro/qm Neu-Baukosten. Und das können halt gerade in Berlin nicht so viele leisten. Und so zu tun als hätte das nichts mit lokalem Handeln zu tun, tut vielleicht der geschundenen Berliner Seele gut - löst aber das Problem nicht. Und nur davon hätte eine geflüchtete Person etwas. Oder eine alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern in Neukölln.

    Kühne (jener von Kühne und Nagel) ist einer der grössten Geldgeber bei Signa. Er sieht - als Folge der Geld und Zinspolitik - das Ende des Baubooms der letzten 2 Jahrzehnte - und zwar nicht als Konjunkturelle Delle - sondern auf sehr sehr viele Jahre. Jetzt kann man in Berlin-Manier sagen: Ach soll der blöde Milliardär doch nach Dubai abhauen. Aber die Signas der Welt wachsen halt nicht auf den Bäumen.

    Johannes_9065: Es ist nicht richtig, dass René Benko insolvent ist. Ebensowenig die Signa Gruppe. Allerdings einige der Töchter schon - zB eine E-Commerce-Tochter. Die Signa Gruppe wird re-strukturiert - allerdings ohne Herrn Benko, der das Vertrauen der Mehrheit der Investoren verloren hat. Eine andere Frage ist, ob die Sanierung gelingt - oder ob am Ende nicht doch eine Insolvent steht. Aber bis dahin ist es noch ein Stück des Weges. Wahrscheinlich wird man weiter versuchen, Assets zu verkaufen.


    Tomov: Solche unterkomplexen Klischees lesen sich zwar gut - haben aber oft nichts mit der Wirklichkeit zu tun:

    1. Die Baukosten steigen - überdurchschnittlich in Deutschland - allein durch das Gebäude Energie Gesetz und andere Regulierungen. Das ist also hausgemacht. Das ist gewollt.

    2. In Berlin steigen die Baulandpreise besonders stark - weil das Land Berlin nicht bereit ist, mehr Bauland auszuweisen (Flughafen Tempelhof, Umwandlung Schrebergärten etc etc etc) oder mehr Nachverdichtung zuzulassen. Auch das wirkt sich massiv auf die Kosten aus. Auch das ist hausgemacht. Es ist in Summe halt einfach Realität, dass man in Berlin unter 20 Euro/qm keine Wohnung mehr bauen kann. Nicht alles hausgemacht (zB Zinsen und Probleme in den Lieferketten) - aber Vieles.

    Das sind nur wenige Beispiele von ganz vielen hausgemachten Faktoren - die meines Erachtens hier auf lange Sicht den Neubau massiv behindern werden.und zwar überall: Wohnungen, Büros - aber auch öffentliche Infrastruktur. In Berlin gibt es leider einen Kumulation von solchen behindernden Faktoren - bis hin zu unterbesetzten Genehmigungs-Behörden und politischer Behinderung (Motto: Neubau ist eh blöd - führt nur zu Gentrifizieurng).

    Tja, ein ziemlich ausdifferenzierter Artikel, finde ich: Wenig geht voran: Strassenbahn Projekte stoppen, weil Berlin halt Berlin ist:

    - zu wenige Planer

    - zu viel Bürokratie in der Hinsicht

    - Nimbys, nicht wenige davon Grüne.


    Will nicht mit der üblichen Litanei anfangen: Schau wie gut das die Chinesen hinkriegen. Ne, ein Blick nach Frankreich genügt schon. Aber auch hier, wie auf der Schliessung der Museumsinsel, finden wir bestimmt genug gute Gründe, warum das ok ist, dass Berlin sich wie zäher Schleim bewegt. Zeit aufzuwachen und wieder professioneller zu werden. Berlin konnte das alles mal sehr gut!

    Ich weiss nicht ob irgend etwas davon wirklich zwingend ist. Der in Deutschland ziemlich einzigartig hohe Planung-, Genehmigungs- und Überwachungsaufwand spielt sicher eine Rolle. Ich bilde mir aber ein selbst genügend Projekte geplant zu haben um skeptisch zu sein, ob das alles ist. Ich würde die These wagen: Das ging und geht da halt alles seinen "sozialistischen Gang". Wenn sich dann eben alles zu 4 / 10 / 14 Jahren aufaddiert, ist das halt so. Zumal, so bekomme ich es mit, es intern Strukturen gibt, denen es eh am liebsten ist, wenn es gar keinen Publikumsverkehr gibt. Man wird ja weiterbezahlt und hat keine/weniger Arbeit. Und aus Sicht der Konservatoren ruiniert Publikumsverkehr sowieso nur die Exponate. Ohne irgendeinen Einblick zu haben würde ich wetten: Wenn man es nur wirklich wollte, ginge es in der Hälfte der Zeit. Genauso wie man eine Autofabrik in 1 1/2 Jahren bauen kann - wie Tesla - oder in 6-8 Jahren wie andere.