Beiträge von Oranien

    Es macht - rein ästhetisch - natürlich Sinn zu versuchen, die bestehende Architektursprache fortzuschreiben. Wenn es keine Chance gibt, diese zu verändern... Und die gibt es nicht - aus finanziellen, ökologischen wie ideologischen Gründen. Allerdings bezweifle ich, dass diese Fassade es leistet, diese Fortschreibung mit höherer Qualität zu schaffen als es die arme DDR vor 50 Jahren tat. Und das ist schon ein starkes Stück - meines Erachtens.

    Trotzdem ist es eine Bankrotterklärung. Architektenkind bring mE diese Bankrotterklärung auf den Punkt, wenn er schreibt: "Die Stadtplanung von heute muss sich an dem orientieren, was da ist." Eigentlich müsste sich die Stadtplanung an den orientieren, as für die Menschen am besten ist. Was die Menschen vorziehen, wenn sie die Wahl haben. Und da ist die Abstimmung mit den Füssen eindeutig: kleinteilige Altbauquartiere mit Gemischtnutzung. Das genaue Gegenteil der Fortschreibung des Städtebaus der DDR. Vor dem ich, wie gesagt, angesichts des Resourcenmangels in der DDR viel mehr Respekt habe als vor dem, als vor dem was seither zustande gebracht wurde.


    Dass wir diesen Bau bereits als Verbesserung empfinden weil sie versucht, nachzuverdichten und ein wenig Raumkante zu schaffen, spricht Bände. Ein ziemlich niedriger Standard.

    Die Auflösung von Raumkanten halte ich - noch vor der Idee der Autogerechtigkeit - für die grösste Sünde der städtebaulichen Moderne. Immerhin da ist der Bau ein Schritt nach vorn. Also in Summe begrüssenswert.

    Beitrag gesplittet. Teil 1 ist nun im BoS.


    Neben den funktionalen Schwächen der aufgelockerten Bebauung kommen aus meiner Sicht auch ästhetische Schwächen hinzu. Das ist aber natürlich Geschmacks-Sache. Die Ästhetik der Europäischen Stadt lebt von einer Abfolge von eng und weit, also Strasse und Platz. Lebt von einer klaren Definition von Strasse und Raumkante. Ideen, die sich über tausende von Jahren entwickelt haben.

    Das Projekt versucht ja beides zu verbinden. Ein wenig traditionell dort, wo es die Ist-Bebauung fortsetzt (Menzel). Ein wenig Nachkriegs-Moderne mit 2 Mini-Punkthochhäusern. Schade ist halt, dass sich der gerade neu gebaute Nachbar ebenfalls dem Blockrand verweigert hat und das Projekt dort mit einer Brandwand endet. Das wird schon ein wenig Kraut und Rüben. Schade ist auch, dass die Hochhäuser ebenso wenig konsequent sind und keine echten solchen sind. Kommt mir so viel wie der halbgare Türmchen, das angesichts der Erweiterung des Bauhausmuseums entstand. Wenn schon wäre "mehr" in beiden Fällen besser gewesen.


    Die letzten Beiträge wurden z. T. verschoben, da zu sehr OT.

    DerBe : Das macht mE keinen Sinn. Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt doch um ein Vielfaches mehr an Sickerfläche wenn sich eine Stadt wie in Paris oder Asien bei 4-5facher Bevölkerungsdichte auf einen Bruchteil der Fläche beschränkt. Ein stinknormaler Mischwald ist als Schwamm zig mal besser als ein Stück künstlich aufgeschüttetes Vorstadtgrün in der Innenstadt. Mit dem Schwammstadt-Gedenken die Flächenfrass einer Stadt um ein Vielfaches auszudehnen: eine wilde Idee. Mathe spricht dagegen.

    Camondo : TowerMaranhão hat es bereits erwähnt: Steigende Temperaturen erfordern höhere Dichte und mehr Schatten. Alle Kulturen einmal um die Welt haben haben das seit Jahrtausenden verstanden - und bauen entsprechend. Irgendwann wird diese Erkenntnis auch nach Berlin vordringen - da bin ich zuversichtlich. Berlin leidet an einem Mangel an Verdichtung - nicht an einem Mangel an Grünflächen. Wären alle Städte der Welt so wenig dicht bebaut und abstandsbegrünt wie Berlin, wäre der Amazonas abgeholzt. Wenn's reicht.

    Auch der öffentliche Zugang / Publikumsverkehr ist im Rahmen der Blockrandbebauung kein Problem. Die vielen Wohn- und Gewerbekombinationen zB in Kreuzberg und Mitte machen das deutlich bzw sind gerade deswegen attraktiv.


    Trotzdem kann es gut werden. Bauwert & Leibfried stehen für einen hohen städtebaulichen und architektonischen Anspruch.

    Als die DDR die Umgebung bebaut hat, mussten die Bauherren und Architekten mit Material- und Devisenmangel klarkommen. Trotzdem ist mE ein höherer architektonischer Standard gelungen als bei dieser Kiste (soweit erkennbar). Wer hat sich dabei was gedacht? 2024 im Zentrum einer Hauptstadt? Zum Glück ist die finanzielle Situation der WBM mittlerweile so schlecht - und die Baukosten so hoch, dass man nicht damit rechen muss, dass sie in den kommenden Jahren noch all zu viel Schaden anrichten kann.

    Immerhin scheint diese Industrie-Architektur erhalten zu bleiben: Menzel Elektromotoren.

    Zum Thema Blockrand: Warum man in Berlin immer noch auf Niemands-Land Grünflächen setzt ist kaum nachvollziehbar. Es gib inzwischen genügend Belege dafür, dass Grünflächen, die weder richtig privat (zB ein Innenhof) noch richtig öffentlich (zB ein Park) sind, nur eine Kombination der jeweiligen Nachteile beider bewirken.

    Das halte ich überwiegend für Wunschdenken. Und Wunschdenken verleitet dazu, auf Probleme nicht ausreichend zu reagieren. Berlinbashing liegt mir fern - im Gegenteil. Ich sehe Berlin allerdings in der Phase des Alkoholikers, der sich noch mit aller Macht dagegen wehrt zu erkennen, dass er einer ist: "Denial".

    Man kann es an einer ganz einfachen Zahl festmachen: Es ist gar nicht so lange her als Berlin noch Pläne hatte, den BER auf 40 Mio auszubauen. Davon redet zurecht niemand mehr. Berlin und sein Flughafen hat jahrelang relativ zu anderen Metropolen Boden gut gemacht. Jetzt passiert das Gegenteil - und ich sehe da auch bisher keinen Grund für eine Trendumkehr.

    Man kann es auch an der Zahl der internationalen Besucher festmachen. Auch hier fällt Berlin in den Rankings - und liegt gerade noch auf Platz 41! (Link). Dass Berlin vom Tourismus überlaufen wird und das Touristen Berlin zerstören: Auf die Idee kann man meines Erachtens nur kommen, wenn man Berlin nie verlassen hat ;)


    Es ist auch nicht egal, woher die Besucher kommen und wie sie herkommen. Der dauerhafte Wegfall kaufkraftstarker russischer Touristen ist für Viele in Berlin drastisch spürbar: Von gehobenen Restaurants bis zu den Luxusläden am Ku'damm oder in der Friedrichstrasse. Der Luxustourist lässt hier an einem Wochenende 5000 Euro plus. Für denselben Umsatz braucht man 10 Bustouristen. Die Rechnung geht nicht auf. Kann man mögen oder nicht. Es gibt einen Grund warum das Regent geschlossen ist. Auch bei den kaufkraftstarken Skandinaviern gibt es einen Wandel (den ich allerdings nur anekdotisch kenne). Anders als bei den Billig-Partytouristen ist es hier nicht so, dass denen die Kohle für den teuer gewordenen Berlintrip fehlt. Sondern dort ist die Überlegung: Wenn Berlin schon fast so teuer ist wie Paris, kann ich fürs Shopping-Wochenende gleich dorthin fliegen. Und habe den Vorteil, dass es nicht an jeder zweiten Ecke nach menschlichen Exkrementen richt.


    Was die das Clubsterben angeht: Ich kenne die Zahl, das die Szene knapp 40% weniger Besucher als vor Covid hat. Da bricht echt dauerhaft was weg. Aber das liegt natürlich nicht nur an der Flughafenproblematik. Was Kunst angeht: Berlin hatte mal mehr Gallerien als New York - ca 550. Jetzt sind es noch 300. Im Kongress und Messegeschäft ist der Kollaps nicht ganz so gross - aber auch spürbar. Hier spielt die mangelnde und zu teure Anbindung Berlin eine Rolle - aber nicht die grösste. Trotzdem fällt unterm Strich auch dieser Treiber als Motor für den Flughafen aus. Kaum zu glauben, dass Berlin mal mit Wien die wichtigste Kongressstadt der Welt war. Lange ist es her.

    Auch bei den Startups sieht es nicht besser aus. Berlin hatte mal London überholt (!!) was die Investments in Startups pro Jahr angeht. Heute liegt London auf Platz 7, Berlin auf Platz 20. (link). Ein Drama, meines Erachtens. Wenn man die Zahl der "Unicorns" vergleicht, ist der Abstand leider noch grösser geworden. Auch das hat massive Auswirkungen auf den Flughafen - vor allem auf das Potential bei margenstarken Business-Flügen.

    Netto: Der Flughafen braucht dringend neue Impulse. Aus den Bereichen, die das Wachstum in der Vergangenheit getrieben haben, wird das nicht kommen. Berlin muss sich ein Stück grundlegend neu erfinden - dem muss man sich stellen. Aber Berlin hat sich in seiner Geschichte schon mehr als einmal neu erfunden. Deswegen bin ich da ganz optimistisch.

    Nuperus : Das halte ich für eine Wunschdenken-Perspektive. Wenn es denn so wäre, dass die energiepolitischen Standortbedingungen in Deutschland so toll wären, müsste Habeck nicht ständig mit einem "Industriestrompreis" hausieren gehen, um sich gegen den Kollaps und die Abwanderung der chemischen Industrie, der Glas-Industrie und der Stahlindustrie zu stemmen.

    Auch der Zusammenbruch der Auslands-Investitionen spricht eine klare Sprache. Sind nur noch 1/5 der Werte von vor einigen Jahrzehnten - gemessen am Sozialprodukt. Es gab mal Zeiten, da kamen Firmen freiwillig nach Deutschland. Heute tun sie das nur noch, wenn man ihnen, wie im Fall Intel, Milliarden hinterher wirft. Es gab auch mal Zeiten, als Deutschland 30% des Stroms aus AKW bezog. Gäbe es die noch, wäre die Abhängigkeit von Russland nie entstanden. Wäre der CO2 Footprint jetzt schon kleiner. Wäre der Konjunktureinbruch als Folge des Endes der Gaslieferungen nicht so stark. (und nein, ich bin nicht gegen regenerative Energien)

    Naja, wenn Argumente fehlen, kann man Andersdenkende (wie floyd) natürlich auch persönlich verunglimpfen. Aber zurück zum Flughafen Leipzig-Halle:

    - eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte, die es meines Erachtens so nur im Osten geben konnte. Der Westen ist dafür längst zu dekadent und es gibt dort zu viele NIMBYS.

    - abhängig davon, dass es den selbst-ernannten Gutmenschen nicht gelingt, ein Nachflugverbot durchzusetzen. Dann ist das Frachtgeschäft kaputt und Milliarden-Investitionen in den Sand gesetzt. Das wäre meines Erachtens auch vollends der letzte Sargnagel für Intel & Co. Denn so blöd (aus Sicht des Auslands) ist niemand in ein solch wirtschaftsfeindliches Umfeld zu investieren.

    - Angesichts der Konsumschwäche in Deutschland (das reale Sozialprodukt pro Kopf geht in Deutschland seit Jahren zurück und wird noch viele weitere Jahre zurückgehen) wird sich das Passagiergeschäft weiter unterdurchschnittlich entwickeln. Der Wahnsinn aus Gebühren und Bürokratie tut ein Übriges. Alle deutschen Flughäfen werden noch lange brauchen, bis sie das vor-Covid-Niveau wieder erreichen. Da reden wir mE teilweise über 10 Jahre. Halle-Leipzig wird wohl keine Ausnahme sein.

    Genau. Der Faktor Zeit wird masslos unterschätzt. Man es kann berechnen - aber einfach mal als Prinzip: Genehmigungs- und Umsetzungs-Zeiten von 10 Jahren statt 3 Jahren bedeutet hunderttausende von Wohnungen weniger. Das wäre ein Berlin ohne Wohnungsnot! Dieser Umsetzungswahn, den sich Berlin leistet, ist ein Luxus und eine Sache für Wohlhabende. Denn es treibt die Preise des Bestands und somit den Wert der Portfolios der "Reichen". Linke und progressive Ideologen arbeiten in die Hände ihrer "Gegner".

    Architektenkind : Sorry, aber nicht mal das stimmt an Deiner Argumentation: 2023 hat China pro Kopf Deutschland eingeholt (Statista). Spielt aber keine Rolle: Fürs Weltklima zählt wo die grossen Mengen herkommen. Und die kommen nicht vom Flughafen Halle-Leipzig und nicht aus Deutschland.


    Und dass CO2 an keinem spezifischen Ort entsteht: Ideologie in Reinform. Denk vielleicht nochmal drüber nach.


    Und ja: Was Technologie angeht, hat Deutschland leider sehr viele Federn gelassen. Ändert aber nichts am Grundprinzip. Und noch gibt es immer noch erstaunlich viel Substanz in diesem Land - vor allem im Mittelstand. In 10 Jahren sieht das anders aus, wenn es keine Wende gibt. Aber noch gibt es Subtanz. Um es zynisch zu sagen: Ein Industrieland, das an seinen Unis mehr Professuren für Genderstudies hat als für Chemie (ist in Deutschland so), kriegt irgendwann Probleme.

    Sorry Architektenkind : Schon Deine Prämisse ist falsch: Ich bin kein "Klimaschutz-Gegner". Ich argumentiere nur, dass man gegen den C02 Footprint dort was machen muss, wo er passiert. Und das ist nunmal nicht in Deutschland. Auch Deine ziemlich lange Argumentation kann davon nur ablenken - und es nicht widerlegen. Statt dessen argumentiere ich, dass ein Land wie Deutschland viel mehr zum weltweiten Klimaschutz beitragen könnte, indem es Technologien entwickelt. Das war mal unsere grosse Stärke. Und noch haben die Ideologen die deutsche Industrie nicht zerstört. Da gibt es immer noch viel Subtanz. Da könnte Deutschland immer noch einen signifikanten Unterschied fürs Weltklima machen.


    Zum Beispiel: Die Entwicklung des Katalysators für Verbrenner, an dem Deutsche entscheidenden Anteil hatten, hat mehr für eine gesündere Umwelt getan und mehr Menschenleben weltweit gerettet, als all die Ideologen, die in Berlin Wände mit Klima-Parolen beschmieren oder die Milliardärs-Töchter, die in deutschen Talkshows Fridays-for-Future propagieren.


    Man darf auch nicht vergessen: Deutschland hat sich vom Vorbild der Energiewende zu einer globalem Lachnummer entwickelt. Von Bewunderung zu Mitleid. Niemand folgt mehr dem deutschen Modell - und Deiner Argumentation. Wir sind die Geisterfahrer.

    Der Flughafen Leipzig Halle ist eine bemerkenswerte ostdeutsche Erfolgsgeschichte. Er wird darunter leiden. Er wäre schade, wenn er jetzt ideoloigisch und bürokratisch ins Abseits befördert wird. Leute wie Du glauben, die Welt zu retten indem sie dem Handwerker aus Zittau vorschreiben, was er in seinem Urlaub zu machen hat. Das wird nix. Es wird alle nur ärmer machen. Und ja: Auch Bahntickets sind zu teuer. Aber dann schau mal, woran es liegt, dass es in Deutschland 40 Jahre dauert, eine Bahnstrecke von Karlsruhe nach Basel zu erneuern. etc etc

    Global gesehen macht Deutschland weniger als 2% der CO2 Emissionen aus. Mathe erzwingt, dass man deren Summe nur dort signifikant reduzieren kann, wo sie signifikant anfallen. Also nicht am Flughafen Halle-Leipzig. Nicht in Deutschland. Der Rest der Welt wird nicht - weder Asien noch Afrika - auf die Rettung-durch-Schrumpfung-Ideologie einsteigen, die derzeit in Teilen des Westens den Diskurs bestimmen. In China sind Dutzende von AKW und Kohlekraftwerke ebenso im Bau wie viele Quadratkilometer von Solarfarmen. Auch der Flugverkehr wird weltweit weiterhin stark wachsen - nur halt nicht im ideologisch verbrämten Deutschland. Statt dessen in Asien und Afrika. Welche Technologien sich dabei durchsetzen, wird sich zeigen. Das ist ja genau das was die iterativen Prozesse von Innovation ausmacht. Vorher weiss man es meistens nicht. Und deutsche Bürokraten wissen es schon 2x nicht. Alles was passieren wird ist, dass sich Deutschland - wenn es nicht aufpasst - aus diesem System verabschiedet. Das nützt weder den Deutschen noch dem Klima etwas.

    Was unmittelbar passiert, ist dass durch die irrwitzige Bürokratie und die irrwitzigen Kosten weniger Menschen nach Deutschland reisen - mit Folgen für Tourismus, Messen, Kongresse. Und weniger Deutsche im Ausland Urlaub machen. Und zwar die "Normalos", die versuchen zB mit einem Job am Bau eine 4köpfige Familie zu ernähren - und deren Leben seit einigen Jahren eh schon nicht mehr so lustig ist.

    jan85 : Vielen Dank für Deine immer wieder faktenreichen und ausführlichen Berichte über die Entwicklung des BER. Ich schätze das sehr.

    Ich möchte kurz anhand von 2 Beispielen auf das Thema Sekundäreffekte eingehen:

    1. Der hohen Kosten am Flughafen wirken sich ziemlich negativ auf die Clubkultur in Berlin aus. Clubsterben aller Orten... Die Zeiten, als man aus dem Rest von Europe mal für ein paar Tage oder ein Wochenende zum Clubbing nach Berlin flog, sind auf Dauer vorbei. Zu teuer im Vergleich. Folge: Aus Mangel an Besuchern können sich immer weniger Berliner Clubs internationale und angesagte DJs leisten. Die Berliner Clubszene ist immer weniger wettbewerbsfähig. Ein Teufelskreis aus Verlust von Coolness/Attraktivität und Einnahmen entsteht... Berlin hat als Feiermetropole stark eingebüsst und wird weiter einbüssen. Der Mangel an günstiger Erreichbarkeit ist ein wichtiger Faktor im Mix.

    2. Auch beim Siechtum der Berliner Kunstszene spielt der Flughafen eine nicht unwichtige Rolle. Wenn jemand als Sammler aus zB New York zu einer Kunstmesse oder einem Kunstevent fliegt, findet er zur Frieze in London einen Direktflug. Ebenso zur Art Basel HongKong etc. Berlin dagegen heisst: Umsteigen & umständlich. Hinzu kommt: Nach HongKong oder London fliegt man sowieso. Und kann dann nebenher mal noch in eine Galerie gehen und eine Werk kaufen. In Berlin hingegen ist so wenig Wirtschaft, dass Berlin immer eine Extrareise erfordert. Hier wirkt sich die Pleite von AirBerlin bis heute negativ aus. Wäre der BER rechtzeitig fertig geworden und hätte Air Berlin dort ein Drehkreuz einrichten können, sähe die Sache evtl anders aus.

    Man kann also nur hoffen, dass es gelingt den Berliner Flughafen international wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Mehr Technologie, mehr Innovation. Dass die Gebühren nochmal sinken ist dagegen eher unwahrscheinlich. Wo die Deutschen ihre Bürokratiemonster erstmal aufgebaut haben, gibt es in der Regel kein zurück mehr.

    Die Passage hat schon nach ihrer Ersteröffnung nicht funktioniert und ging nach kurzer Zeit pleite. Danach wurde sie vom damals finanzstarken AEG Konzern zu deren Showroom umgebaut. Hoffen wir mal, dass dem neuen Passage-Versuch mehr Glück beschieden ist.

    Es gab ja in der Friedrichstrasse eine Reihe von Über-Eck-Passagen. Die die funktionierten, waren echte Abkürzungen für Fussgänger. So wie die neue Passage gestaltet ist, ist sie keine nennenswerte Abkürzung. Ein sich daraus ergebender, natürlicher Fussgänger-Strom dürfte sich kaum materialisieren.

    Es sind - für mich - auch keine Geschäfte drin, denen man einen grossen Pull-Faktor zutrauen kann. Das in Verbindung mit der konjunkturellen Kaufzurückhaltung, den Effekten des E-Commerce-Shift und dem Nicht-Wiederkommen der Billigtouristen nach Covid machen das Ganze mE zu einem Ritt über den Bodensee für die Betreiber.

    Denkmalschutzauflagen sind ein oft empfindlicher Eingriff in Eigentumsrechte. In einer prosperierenden Gesellschaft ist das in der Regel auch kein Problem. Trotzdem finden sich Investoren. Trotzdem finden sich Nutzungen. Zum Wohle von Stadtbildern. Zum Wohle des historischen Bewusstseins. Ob in Deutschland diese Balance noch gegeben ist, muss jedoch in Frage gestellt werden. Beim Tegeler Terminal wird sich das ebenso zeigen müssen wie beim ICC. Ich persönlich bin skeptisch. Wenn es für die Hochschule im xxx Mio teurer wird, ins Terminal einzuziehen statt irgendwo einen Würfelhusten hinzustellen, wird es eng. Jemand muss die xxx Mio zahlen. Dafür wird der Spielraum in Deutschland - und erst Recht in Berlin - in den kommenden Jahren weiter schrumpfen.

    M-aus-Gohlis: Das ist eine sehr deutsche Sicht. Beziehungsweise eine neudeutsche Sicht. Die Rückzug von Ryanair, Easyjet etc aus Deutschland - getrieben durch Bürokratiewahnsinn und einzigartig gestiegene Kosten - führt zu höheren Flugpreisen in Deutschland. Darunter leiden die Chancen der deutschen Durchschnittsverdiener zu vertretbaren Kosten zu reisen. Den Privilegierten wird es nix ausmachen. Dem Weltklima nützt das dagegen mit Sicherheit gar nichts - ausser in den Köpfen von Ideologen. Mathe spricht dagegen.

    Im alten Deutschland wären innovative Unternehmer an vorderster Front von Technologie-Entwicklungen gestanden (sagen wir mal von CarbonCapture bis Elektroantriebe), die wirklich - auf einen Weltmaßstab skaliert - das Klima hätten beeinflussen können. Heute hängt man einer Verzichtsideologie nach, die im Weltmaßstab das Problem sicher nicht lösen wird. Wer aus Asien oder Afrika blickt, wird über diese neudeutsche Mentalität nur müde lächeln. Eine grosse Tragik - den gerade Sachsen war mal sehr, sehr unternehmerisch und innovativ.

    Mir geht es wie Camondo : Dass sich Graft das leisten kann? Dafür werden die doch in der Zunft geteert und gevierteilt.


    Trotzdem ist das Projekt für den städte-baulichen Wandel interessant. Berlin hat über 60 Einkaufszentren. Ein grosser Teil wird in seiner jetzigen Form nicht überleben. Insofern ist der Umbau sicher nicht ästhetisch wegweisend - aber vielleicht mit seinem Mixed-Use-Ansatz. Mehr als 20% Verkaufsfläche dürfen da nicht übrig sein.

    Die Debatte wer in Berlin mehr schaden anrichtet - die bösen Investoren oder die böse Politik - kann man endlos führen. Meine These ist: Die Investoren sind überall gleich. Gleich böse, gleich rendite-orientiert. gleich engagiert, gleich innovativ, gleich ambitioniert. Trotzdem bauen die in Leipzig andere Fassaden als in Berlin etc. Den entscheidenden Unterschied macht die Politik. Und das ist ja letztlich auch gut so - denn die soll ja Gestaltungsspielraum haben. Ich teile vollkommen die Überzeugung von Architektur-Fan dass in den letzten 20 Jahren ein entscheidendes Fenster vertan wurde.

    Naja, kann durchaus so sein. Kann aber auch sein, dass die erzielbaren Einnahmen im Verhältnis zu den gestiegenen Kosten heute anders sind. Einnahmen drastisch runter. Kosten drastisch hoch. Wie gesagt: Berlin hat sein für die jetzige Generation historisch einmaliges Fenster verpasst. Das wird sich noch bei vielen Projekten bemerkbar machen. Das "trostlose" WBM-Haus an der Fischerinsel wird sich als wegweisend erweisen. Das meine ich ganz ohne Zynismus.