Beiträge von kunnukun

    Eine bleibende spezifische Leistung Haeslers scheint mir in Folgendem zum Ausdruck zu kommen:

    Architekt Franz Jaschke, der Praktiker auf dem Podium, der zu den renommiertesten Kennern von Bausubstanz des Neuen Bauens zählt, lenkte den Blick u. a. auf die Bauten von Otto Haesler in Celle. Dort greife der Nachhaltigkeitsbegriff durchaus, wenn man den Flächenverbrauch oder das bezahlbare Wohnen als Maßstab heranzieht. Haesler baute kleine Wohnungen für viele Menschen und verbrauchte dafür deutlich weniger Platz, als heute nötig wäre und setzte der Wohnungsnot der damaligen Zeit etwas entgegen, das auch noch Baukultur war.

    https://www.lavesstiftung.de/t…kte/aid/100-jahre-bauhaus

    Nach Jahren will ich noch anfügen:

    Otto Haeslers Siedlungen in Celle wurden 2019 (Bauhausjahr) natürlich vom Tourismusmanagement mit Erfolg zum Gegenstand touristischer Bemühungen gemacht. Inzwischen - 2018 - haben sich allerdings so starke Schäden am Stahlgerüst der Siedlung Blumläger Feld gezeigt, dass die Bewohner ausziehen mussten und die Siedlung leersteht. Nun, das ist natürlich, der Lauf der Dinge. Das Stahlgerüst war sicher nicht für die Ewigkeit gemacht. Aber für mich ist der Denkmalschutz nun lächerlich geworden: Starke politische Kräfte wollen über 10 Millionen Euro in eine Sanierung hineinstecken, die auf einen Austausch der tragenden Stahlteile hinausläuft. Und das bei einer Siedlung, die am Ende der Weimarer Republik einmalig hinsichtlich ihrer Sparsamkeit war! Haesler hatte drei moderne Siedlungen in Celle geplant: 1) Italienischer Garten. 2) Georgsgarten. 3) Blumläger Feld. 1) war zwar national von Interesse wegen der modernen Ästhetik, aber völlig unökonomisch, wurde den Anforderungen überhaupt nicht gerecht, wird aber Touristen gern gezeigt wegen des stylischen Äußeren. 2) war näher am Ziel und die erste Zeilensiedlung der Moderne i.e.S., aber noch zu teuer. Erst 3) wurde den an den Architekten gestellten Anforderungen gerecht und bot überdies noch jedem Mieter einen Garten, der viel Selbstversorgung ermöglichte. Zur Sparsamkeit trugen der 'Kabinengrundriss', der schon im Georgsgarten zur Anwendung gekommen war, und das Stahlskelett, für das aber wohl nicht der beste Stahl verwendet wurde (Weltwirtschaftskrise), bei.
    Nun sollte meines Erachtens gerade auch diese Siedlung Audruck des Wandels werden: Alles Irdische ist vergänglich. Ich selbst plädiere für eine gewisse Semiotisierung: Teile könnten spolienhaft das Alte veranschaulichen, aber eben im Rahmen einer völlig neuen Konzeption, die gerade auch Energie- und Umweltbelangen gerecht wird. Aber was wollen Politiker, Tourismusmanager und Denkmalschützer ? Natürlich Rekonstruktion.

    Mir hängt es zum Halse raus - zumal 'Bauhaus' heute ästhetisch etwas völlig anderes bedeuten würde als vor hundert Jahren: Architektur 'sampelt' heute wie Popmusik: https://www.flickr.com/photos/…239132887/in/photostream/

    Ist es nicht eher anzustreben kulturelle Vielfalt zu bewahren, so dass wenn man sich an einem anderen Ort (Sei es Deutschland, Europa oder Weltweit) befindet, dieses auch weitestgehend optisch bemerkbar ist oder hat es auch einen Vorteil, da man sich ja sofort zurecht findet?


    Das mag man als Wert annehmen. Theoretiker aus dem Umfeld des International Style hatten eher andere Werte. Eine Architekturtheorie darf nicht von derartigen Beschränkungen ausgehen, sondern sollte eine Beschreibungsrahmen liefern, der Ansichten wie oben als spezielle Fälle allgemeinerer - wohl gradueller - Kriterien charakterisiert. Zudem: Entwerfen ist Handeln, also von mehr oder weniger ausdrücklichen Zielen geprägt. Die wiederum können komplex sein: Architekt x mag räsonnieren:
    - Mein Bauwerk a soll 40 kleinen Familien und 20 Singles eine Wohnung bieten.
    - Es wird sich neben einer Großsiedlung der 70er befinden.
    Je mehr Ziele im Detail angegeben werden, desto mehr werden die Wahlmöglichkeiten eingegrenzt. Aber immer bleibt ein Spielraum. Bei den obigen Voraussetzungen kann x z.B. entscheiden, on sich a irgendwie dem Look der Großsiedlung anpassen oder von ihm abgrenzen soll. x kann auf ein bekanntes Projekt der nächsten Innenstadt anspielen. a kann den Bewohnern mehr oder weniger Gestaltungsspielraum lassen. ................... Die Möglichkeiten und deren Verbindungen sind extrem vielfältig. Das 20. Jh. war sehr von stark eingrenzenden Ideologien geprägt. Spannend ist zum Beispiel, wenn diese zu Resultaten führten, die sich im Laufe der Jahrzehnte ungeplant verändert haben ...

    ein Haus zu bauen, was einerseits modernen - ich sage mal - eine Art Bauhausstil beinhaltet, und wobei auch natürliche Bauelemente wie Holz und Stein Verwendung findet.


    'Bauhausstil' in Öko - ist, glaube ich, zurzeit extrem angesagt. Vielleicht diejenigen, die diesen 'Ferienpark' entworfen haben?
    http://wild-zero.de/center-parcs-moselle-le-trois-forets/
    Und die hier bieten sicher ganz individuell für jeden sein bauhaus:
    http://jk-traumhaus.de/traumha…ont_content.php?idart=513


    Ein "Zeichen" ist in der Semiotik etwas was aufgrund einer vorher vereinbarten sozialen Konvention als etwas aufgefasst werden kann, das für etwas anderes steht.


    Das würde ich - als Semiotiker - nicht so eng sehen. Auch Anzeichen sind Zeichen, und zwar gerade nicht unbedingt konventionelle (vgl. u.a. Husserl, Log. U. und Posner "Believing, Intending, ..."). Und was das Altern von Bauten betrifft, schafft dieses gerade unbeabsichtigte und entsprechend nicht konventionelle Anzeichen: Spuren von Vergangenem, wie sie übrigens, gerade was die gealterte Moderne betrifft, von Architekten bei Sanierungen gern beseitigt werden (nicht nur aus Gründen der Eignung des betr. Baus für vorgesehene Zwecke, sondern auch oder sogar v. a. aus ästhetischen Gründen). "Zeichen der Zeit" ist in der Tat ein geflügeltes Wort und als solches OK; ob es aufmerksam macht, ist eine andere Frage.

    "Spuren" oder "Zeugnisse"

    ist aber vielleicht wirklich treffender.

    Die Fenster werden immer größer und bodentiefer, sind aber eigentlich immer mit Rollläden verschlossen. [...] denn man schiebt hier Stilgründe oder energetische Gründe vor, gibt dem ganzen einen Namen "Neo-Bauhaus-wasweissich",


    Eben. Die großen Fensterflächen sind modisch und schick, aber energetisch Unfug. Man rechtfertigt es dann mit der tollen Dämmung. In den Relikten der alten ('echten') Moderne, jedenfalls im Massenwohnungsbau, waren die Fenster oft nicht größer als nötig; und Energie wurde gespart zum Beispiel durch Flureinsparung (so z. B. hier, wo ich wohne: http://www.flickr.com/photos/5…6220613791/in/photostream ). Jene Retromoderne ist unser neuer Historismus.

    'Funktionalismus' erklärt nicht viel

    Form immer erst dann gewählt, wenn die Funktion klar ist.


    Man kann damit wirklich nicht viel erklären: Charles Jencks bezeichnet die Rede vom 'Funktionalismus' mit Recht als 'logisches Monster'. Immer besteht ein großer ästhetischer Spielraum, in dem man sich eben nach ästhetischen und/oder semiotischen Gesichtspunkten für eine Form entscheidet. Sehr schön sind zum Beispiel Broadbents Beispiele für typisch 'funktionalistische' Bürobauten, die in vielerlei Hinsicht besonders unvorteilhaft sind. In: Broadbent et. al. "Signs, Symbols, and Architecture" (John Wiley & Sons), S. 122. Darin auch einiges über den sehr zeichenhaften Charakter von Mies' Rasterfassaden S.162: "These serve no useful purpose, they are simply meant to 'symbolise' structure."
    Leider fallen Architekturstudenten seit einiger Zeit wieder auf die Funktionalismusphrasen herein, offenbar um retromodernen Standards einen rationalen Anstrich zu geben. Die ergeben sich in hohem Maße aus Geschmacksentscheidungen.:lach:

    August-Bebel-Hof von Richrd Ostermeyer

    Ich würde mir gern einmal den - nach dem Krieg stark veränderten - August-Bebel-Hof von Richrd Ostermeyer ansehen.

    Bauhauskitsch?


    „Kitsch bedeutet doch eher, dass man Verzierungen zum Selbstzweck einsetzt, oder?“
    Nein. Kitsch entsteht allgemeiner schon dadurch, dass Zitatmäßiges und ‚Wiederbelebungsversuche’ in Bezug auf Stile nicht als solche erkennbar sein sollen. Daher ist die Bezeichnung „Bauhauskitsch“ sehr treffend in Bezug auf jene äußerliche Modernerenaissance, die seit einigen Jahren alle Neubaugebiete durchsetzt. Die Wahrnehmungsgewohnheiten haben sich viel zu sehr geändert, als dass man einfach wieder ‚Bauhaus’ machen könnte – schon insofern geändert, dass man gleich zu erkennen meint: Aha, Bauhausstil. Zudem ist jene ‚Retromoderne’ Teil der Retro-Beliebigkeit: In jedem neuen Einfamilienhausviertel haben sich auch ein paar Neueigentümer ihre ‚Bauhausvilla’ bauen lassen. Und siehe die Werbung:
    http://jk-traumhaus.de/traumha…ont_content.php?idart=513


    In flickr hat jemand allen Ernstes einen retromodernen Ersatz für zwei abgerissene Zeilen des ersten Bauabschnitts der Siedlung Blumläger Feld von Otto Haesler für original Haesler gehalten (das hat er inzwischen korrigiert): http://www.flickr.com/photos/gert55/7183101235/
    Diese neuen Häuser wären schon in den 70ern, als sich Flachdachbungalows verbreiteten, nicht mehr aufgefallen.


    und was du ansprichst, ist eher der Unterschied von gut gemachter und durchdachter Moderne und deren halbbatzig hingesudelter Kopie, würde ich sagen.


    Größenwahn zum einen und Luxus fern von dem Anspruch, mit Hilfe von Architektur zur Lösung sozialer Missstände beizutragen, zum anderen waren aber AUCH Seiten der Moderne schon in den 20ern und 30ern, siehe Le Corbusiers Parispläne zum einen und die Villen von Mies, Le Corbusier u. a. zum anderen. Nicht ohne Grund wird ja oft eine Kontinuität zum Ordnungswahn des NS und des Stalinismus gesehen. Bekanntlich haben die meisten Protagonisten der Moderne in den Totalitarismen wenigstens für sich jeweils eine Chance gesehen (May in der UDSSR, Haesler in Lodz und in Sewastopol, Gropius' und Mies' Versuche, im NS zu bauen, die Beiträge zum Reichsbankwettbewerb, später auch zum Olympiabezirk, die Beiträge zum Sowjetpalastwettbewerb, schließlich die Arbeiten im 'eingedeutschten' Polen mit dem Extrembeispiel des Bauhausabsolventen Ertl in Auschwitz).
    Es besteht eine Familienähnlichkeit zwischen verschiedenen Facetten der Moderne bis hinein in die logisch-positivistische Philosophie. Umso weniger hat meines Erachtens die zurzeit modische Besinnung auf äußerliche Attribute wie Flachdach, weißen Putz, kubische Baukörper mit dem zu tun, was die Generationen des International Style motivierte. Weniger diese sind heute praktisch von Interesse als die Beiträge zu sozialen Problemlösungen. (Und deren 'ökologischer' Reiz wird heute auch an architektonischen Fachbereichen gesehen.)

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    Ich meine, dass Retromoderne Kitsch sein kann, wie die vielen Neo...'s der Jahrhundertwende einen Kitschaspekt hatten. Vor allem: Diese einzelnen luxuriösen, kubischen, weiß verputzten Flachdachdinger am Stadtrand sind heute überhaupt nicht Ausdruck einer typisch modernen Gesinnung wie etwa in den 20ern. Sie gehören vielmehr zur postmodernen Beliebigkeit. Allerdings auf eine Weise, auf die man heute eher reinfällt statt sie durchschauen (Tschuldigung für die Arroganz).

    was hat denn die Moderne an Sozialem zu bieten, das es nicht schon längst gibt?

    Im Unterschied zu den Verhältnissen der 20er gilt es aus meiner Sicht heute, ein umweltschädigendes und (wenn ich mir die vielen neuen Einfamilienhäuser ansehe) recht asoziales Anspruchsdenken zu überwinden, wofür Siedlungskonzepte der Moderne hilfreich sind. In der Siedlung von 1931, in der ich wohne, hat man ziemlich geringe Nebenkosten (Heizung von einem Durchgangsraum aus, ohne Flur), nur gut genutzten Platz und dabei viel Grün drumherum.

    ob ein konkretes Gebäude den Menschen dient, die darin leben und arbeiten. Viele moderne Gebäude tun das nur in einem sehr eingeschränkten Sinn: sie bieten Wärme, vier Wände und einen Ort, das Bett und den Tisch hinzustellen. sozial und psychisch sind sie allerdings oft problematisch, was bei älteren Gebäuden weniger häufig der Fall ist - vielleicht nur schon darum, weil die traditionellen Materialien wie Holz und Stein schon von ihren Eigenschaften so beschränkt sind, aber auch so eigensinnig und individuell, dass es nur schwer möglich ist, unpassende Räume zu bauen - oder auch massenweise genau gleiche Einheiten aufzustellen.


    Wie Menschen Gebäude atmosphärisch erleben, ist schon individuell verschieden. Ich wäre ja manchmal froh, wenn ich den Landhausstilhäuslebauern wie denen, die in Einfamilienhausvierteln mit ihrem verspäteten Bauhauskitsch protzen, ihre Vorlieben austreiben könnte. Aber sie finden das eben dienlich.
    Sicher hat das 'Sterile' vieler moderner Werke seinen Reiz. Und wenn man 'Wärme' sucht, dann wird man sich anderer Mittel bedienen. Grete Schütte-Lihotzky, eine recht typisch moderne Architektin, empfand Breuers Stahlrohrmöbel als zu 'kalt', steril'. Sie zog z. B. Kramers Holzmöbel vor. Das Neue Bauen wies hier also einen recht großen Spielraum auf. Übrigens empfinde ich alt gewordene Moderne als reizvoll durch eine eigene Art von 'Wärme'. Leider wird dieser Reiz jedoch wieder zerstört, wenn alte Werke der Moderne aufpoliert werden. Eines der schlimmsten Beispiele sind die Dessauer Meisterhäuser. 1990 genoss ich es, den Spuren des Vergangenen in Dessau nachzugehen, am Bauhaus selbst wie in Dessau-Törten. Inzwischen hat die restaurierende Musealisierung jedoch um sich gegriffen und eine ewige Jugend die gealterte Moderne gefressen. So auch bei einem Teil des grötenteils abgerissenen ersten Bauabschnitts des Blumläger Felds von Haesler in Celle: In Flickr kann man sich Bilder der 2003 sanierten Teile und neuerdings auch Bilder des unsanierten zweiten Bauabschnitts (der noch gut und billig zu bewohnen ist) ansehen.
    Ganz sicher keine Geschmacksfrage ist, was 'ökologisch' und sozial geboten ist. Und da kommt man um einige Konzepte modernen Wohnungsbaus eben nicht herum.

    Mir ging es weniger um Rietvelds Haus. ich wollte an die Frage anknüpfen, ob die Moderne im Wesentlichen ein Funktionalismus (in welchenm Sinne?) war. Um die Frage, was 'Moderne' in der Architektur ausgemacht hat, geht es auch in dem von mir genannten Aufsatz.


    In der Tat nervt mich extrem, wie heute ein 'Bauhausstil' nachgemacht wird (was schon Gropius ablehnte): An allen Stadträndern breiten sich diese Einfamilienhaussiedlungen aus, in denen sich Kitsch aller Arten harmonisch zu Kitsch aller Arten gesellt; hervorstechend immer der Bauhauskitsch: kubisch,weiß verputzt, Flachdach. Daneben 'Friesenstil' u. dgl.
    Aber das ist ja alles letztlich eine Geschmacksfrage. Der genannte Aufsatz begründet gerade, dass zur Moderne - einer in mancherlei Hinsicht vergangenen Epoche - zum Teil eine Kalkülisierung des Planens gehörte, die ihre Parallelen in der Philosophie hatte.
    Rietveld u. ä. zeigen eine andere, rein ästhetische, Facette der Moderne.
    Was ich mir heute wünsche, ist eine Orientierung an sowohl umweltmäßiger ('ökologischer' - v. a. was Ressourcenverbrauch betrifft) als auch sozialer Problemlösung. Und da war der Siedlungsbau der 20er gerade teilweise wegweisend, stand damit jedoch auch im Gegensatz zu Mies' und LeCorbusiers Luxusprojekten. Siedlungsarchitekten wie May und Haesler zeigten damals noch ein Gefühl fürs Maß, für Grünflächen und dezentrale Versorgung - z. B. Le Corbusiers Wahnideen (Paris ...) stehen für eine andere Seite der Moderne, die sich dann gut mit den Totalitarismen vertrug (vgl. Gutschow: Ordnungswahn). Viele Seiten also, einige 'Familienähnlichkeiten'.

    Form follows function (nach gaengiger dt. Definition) ist dort doch tatsaechlich in Vollendung praktiziert.


    "Form follows function" charakterisiert keine Strömung, auch nicht Moderne. Hierzu z. B.:

    aus einem Aufsatz, der 'Kalkülisierung' als besonderes Merkmal des Siedlungsbaus eines der typisch modernen Architekten herausstellt: http://www.kunstgeschichte-ejo…chlaberg_Otto_Haesler.pdf
    Ohne dass diese Bauten dadurch trist oder gestalterisch anspruchslos würden!