Beiträge von Augsburger

    Naja also grundsätzlich kann man, grob vereinfacht, sagen dass südlich von München besonders viele "Zugereiste", also aus dem Rheinland usw., leben. Und nördlich von München besonders viele Bayern (und Münchner die aus der Stadt rausgezogen sind). Das schlägt sich freilich auch im jeweiligen Ortsbild nieder. Die Rheinländer, Norddeutschen usw. bauen sich ihr Eigenheim dann eher so wie sie es auch in ihren Herkunftsgegenden gemacht hätten; zumindest in den Neubaugebieten der Umlandgemeinden sieht man das recht deutlich.


    Daher sieht man dort für Bayern auch heutzutage absolut untypische Dinge wie Walmdächer, auch am Zuschnitt kann man es erahnen - und dort gibt es wesentlich mehr, und höhere, Zäune und Hecken während in traditionelleren altbayrischen Dörfern die Grundstücke kaum vom öffentlichen Raum abgegrenzt sind. Das sind mal so die ortsbildprägenden Unterschiede die mir einfallen (bin im münchner Umland zur Schule gegangen). Wie sich das in der Verwendung von Holz niederschlägt, das weisst du vermutlich besser.


    Holzbau spielt IMHO eigentlich nur bei "Pionieren" von neuen Bautechniken, also beispielsweise ein Passivhaus aus erneuerbaren Materialien wo natürlich auch Holz dazugehört, und bei Fertighäusern eine besonders große Rolle (welche im Raum München vergleichsweise selten sind). Wirklich traditionell beheimatet ist massive Holzbauweise eigentlich nur im Oberland, im Allgäu und dann wieder in Franken (dort aber als "Fachwerk"; was es südlich der Donau ja quasi nicht gibt und außer bei Sanierungsvorhaben auch keine Rolle mehr spielen dürfte).


    Vielleicht hilft's ja bisl, viel Erfolg.

    Ja, Baumaterial - Ziegel. Klar. Aber zu 99,9% verputzt! Backsteinfassaden (das meine ich wenn ich kurz von "Backstein" spreche) sucht man südlich der Donau ebenso mit der Lupe wie Fachwerkfassaden, selbst Natursteinfassaden sind in den historischen Altstädten relativ rar. In Augsburg fällt mir beispielsweise kein einziges historisches Gebäude, älter als 100 Jahre, ein welches nicht vollumfänglich verputzt wäre. Doch, zwei alte Stadttore. Die haben aber vergleichbaren Ausnahmecharakter wie die münchner Frauenkirche...


    Ich mag die voralpenländische heitere Bauweise, mit lachsfarbigen (der Preuße würde vielleicht "rosa" dazu sagen) Barockfassaden und dergleichen. Die norddeutschen Städte mit ihrem Backstein und gedunkelten Natursteinfassaden machen mich regelrecht depressiv. Und mich stört sehr wie die nördlicheren Traditionen immer mehr dominieren, alles regionale überstrahlen. Bei diesem Denkmal ist der Kontrast IMHO zu krass.

    Opernturm, Tower 185,...

    Mäckler ist wirklich dabei eine Architekturepoche zu prägen mit seiner Architektur, klar nehmen Gebäude immer Anleihen von früheren Gebäuden, das ist ja auch nichts worüber man die Nase rümpfen muss; solange für Menschen gebaut wird solange wird es Fenster brauchen, gewisse Raumhöhen, usw. - das Rad neu erfinden zu müssen ist eine fixe Idee die Architekturstudenten haben, aber bei all den funktionalen Erfordernissen einen eigenen Stil, eine eigene Handschrift, zu entwickeln... das ist für mich wahre Baukunst. Herr Mäckler, Hut ab!

    Das mit der Rechtslage ist so eine Sache, ... (Mod: Zitat gekürzt. Für den gesamten Text das blaue Quadrat anklicken.)


    Bitte sachlich bleiben. Gültige Verträge können, sofern keine Kündigungsklausel o.ä. festgeschrieben ist, niemals einseitig gekündigt werden. Dass die Stromkonzerne gerne zustimmen wenn die Bundesregierung den "Atomausstieg" aufkündigt versteht sich von selbst, darüber hinaus ist das mehr ein Gesetzeswerk denn ein privatrechtlicher Vertrag gewesen. Wenn Bahn, Bund oder wem immer die Flächen gehören nun alles rückabwickeln will dann machen diese sich schadenersatzpflichtig gegenüber den Käufern dieser Grundstücke.

    Astroturfing-Argument


    Immer wieder überraschend welche Anglizismen man antrifft, damit meint "madmind" (...) das Vortäuschen einer Graswurzelbewegung (amerikanische Umgangssprache für Kunstrasen ist "Astro Turf"; ein Markenmonopol a lá Tempo-Taschentuch). So und da man sieht wieviel Zeit es kostet ständig solche Begriffe aufzuklären (alternativ redet man mangels Verständnis auch einfach aneinander vorbei) wäre es doch mal eine tolle Sache in allgemeinverständlichem Deutsch zu diskutieren.


    Ich möchte mal aus augsburger Perspektive einen Punkt einbringen. Ich weiss nicht wieso die Debatte der Württemberger immer an der Landesgrenze endet, in Ulm. Wir Augsburger, und unser ganzer Regierungsbezirk von immerhin 1,8 Mio. Einwohnern, haben eine schlechte Zuganbindung zum münchner Flughafen (mit Umstieg in München rund 2 Stunden!). Und der "münchner" Flughafen ist ja nun einmal der internationale Verkehrsflughafen der ganz Südbayern anbinden soll (nur für die Stadt München hätte man den nicht gebaut, da hätte Riem gereicht). Die Anbindung per Bahn ist aber äußerst mangelhat, der Transrapid bekanntermaßen gescheitert. Mit Stuttgart 21 hätten wir 1 Stunde Fahrtzeit von Augsburg HBF zu Stuttgart Flughafen. Das heißt der Raum Augsburg würde sich massiv in Richtung Flughafen Stuttgart orientieren! So wie generell die Anbindung Westbayerns an den Raum Stuttgart massiv verbessert wird, auch die Durchbindung über Stuttgart nach Frankfurt.


    Das ist für uns hier ein Knackpunkt, denn durch die intensive Lobbyarbeit der Oberbayern wurde die Neubaustrecke zwischen München und Nürnberg ja bekanntlich über Ingolstadt gebaut und damit haben sich die Fernverkehrsströme zu einem großen Teil von Augsburg (was wiederrum Fernverkehrsknotenpunkt für den Bahnverkehr bis tief in's Allgäu ist, eine Fläche so groß wie manches Bundesland) weg auf diese neue Strecke verlagert. Mit Stuttgart 21 wäre der Korridor über Stuttgart-Ulm-Augsburg nach München wieder deutlich stärker frequentiert, da es der direktere Weg vom deutschen Bevölkerungsschwerpunkt im geographischen Westdeutschland nach München wäre.


    Es geht halt nicht nur um Stuttgart. Wäre dem so dann dürfte der Bund hier auch keine Unsummen investieren, dann wäre das "Privatvergnügen" der Stadt Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg.

    Das ist ein anderer Fall. In München wurde ein komplett neuer Flughafen in der Region München hochgezogen, schön weit entfernt von der Stadt München so dass die feinen Städter eine geruhsame Nacht haben. In einem einst beschaulichen Landstrich, im Erdinger Moos (für die Nichtbayern: Moor). Es ist für die Menschen dort eine mittlere Katastrophe gewesen (großflächige Zerstörung wirklich wertvoller Naturräume, mehr als nur die üblichen Äcker und Wiesen). Das Grundwasser liegt heute auch viel tiefer, mit allen Auswirkungen auf die Natur noch in weiter Entfernung des Flughafens. Und so weiter und so fort, kurzum, auch Befürworter des neuen Flughafens hatten "Bauchschmerzen" angesichts der Auswirkungen.


    Dass die Menschen dagegen protestiert haben und das noch heute bei jeder neuen Erweiterung tun verstehe ich voll und ganz. Flugbetrieb in Schönefeld gibt es aber hingegen nun schon seit den 1930ern und wer da in der Region zB in den 90ern ein Häusle gebaut hat, auf billigem Baugrund (warum wohl so preiswert?) der kann IMHO jetzt nicht gegen den Flughafen protestieren. Das heißt er kann freilig schon, steht ja jedem frei. Aber ich habe dafür kein Verständnis. Aber auch hier haben wir wieder das Muster dass die Städter den Fluglärm den sie ja hauptsächlich verursachen auf das Umland abwälzen. Die Anwohner im Bereich der ehemaligen Stadtflughäfen Tempelhof und Tegel werden ja zu hunderttausenden von Fluglärm entlastet. So war es auch in München bei der Schließung von Riem.

    Also Bayern-Franken-Schwaben? Sonst stehen Letztere nämlich als nächstes auf der Matte ;) Obacht mit Aussagen zur Historie, freilich ist München eine eher junge Stadt und nicht einmal halb so alt wie beispielsweise Augsburg, aber südlich der Donau lag einst das Imperium Romanum und dessen Baugeschichte ist dann doch etwas älter und imposanter als die der Franken ;) Im Übrigen ist es alles andere als ein Zufall dass Frankreich Frankreich heißt, dass die Schweizer mit dem Franken zahlen... der Einfluß der Franken war ja dereinst wirklich epochal in Europa. Einen größeren Fußabdruck bis in die heutige Zeit hat eigentlich kein anderer Germanenstamm hinterlassen. Kein Grund sich benachteiligt zu fühlen, Mensch seid doch selbstsicherer :daumen:

    ...und was ist mit den Schwaben? Den Allgäuern? Und Augsburg gehörte beispielsweise nirgendwo dazu sondern war reichsunmittelbar, das Königreich Bayern labte sich entsprechend nach 1806 an den gefüllten Kassen Augsburgs. Das ist aber alles solange vorbei...ich finde diese Bindestrichländer persönlich vorallem peinlich und bin froh dass man zumindest meinem Bundesland, wie es auch heiße, nicht vorwerfen kann in übertriebener Kleinstaaterei Ressourcen und Kräfte zu vergeuden. Und Bayern hat einen guten Klang, ist kurz, leicht auszusprechen, hat ein schönes Schriftbild. Ich sehe das pragmatisch ;). Richtig ist dass Oberbayern die stärkste Lobby hat, aber auch die Niederbayern leiden wie gesagt darunter. Das hat also nichts mit "Franken Vs. Altbayern" oder so zu tun. Das, meinte ich, bildet man sich halt einfach ein.

    Baukunst
    Nicht zuviel rein interpretieren, in Bayern befasst man sich halt nicht so intensiv mit Wortklauberei und alle paar Jahre neue Begriffe zu entwickeln, politischen Korrektheidsmoden wegen. Darum redet man teilweise noch von Stämmen. Damit ist aber auch nichts anderes gemeint als anderswo der sog. "Regionalproporz". So dass halt jede Region vertreten ist.


    Dabei bitte unbedingt bedenken wie, für deutsche Verhältnisse, immens riesengroß Bayern ist! Immerhin 1/4 der Gesamtfläche der Bundesrepublik. Das wäre grob so als ob es Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin nicht gäbe sondern nur ein einziges Bundesland ("Preußen" oder was auch immer). Da wären doch auch Sachsen, Mecklenburger, usw. sehr darauf bedacht ausreichend vertreten zu sein. Dass sich die Nürnberger und Franken allgemein gerne zu kurz gekommen fühlen ist ein biserl ein Mythos den man gerne pflegt. Im urururbajuwarischen bayrischen Wald schaut es auch nicht unbedingt rosig aus. Es ist halt wirklich bloß München, was durch seine immense Strahlkraft auch Oberbayern mitzieht.


    Generell muss ich dazu sagen dass mir immer mißfällt welcher negative Grundton mitschwingt wenn die Vielfalt in deutschen Landen thematisiert wird. "Kleinstaaterei" usw., immer die selben Reflexe. Zuerst merzen wir alle Dialekte aus, tischen überall die selben Speisen auf (am besten mit italienischen Namen, und wenn wir welche erfinden müssen...), bauen überall gleich, ziehen uns alle gleich an.. und wenn wir dann so uniform "deutsch" sind dass wir es nicht mehr ertragen holen wir uns "Multikulti" in's Land, wo wir uns dann aber ständig über "mangelnde Integration" beschweren weil es wieder zu individuell, uneinheitlich, usw. ist... Architektur ist für mich Ausdruck von so vielen Dingen, eben mehr als ein Funktionsraum. Man kann IMHO die Architekturentwicklung nicht verstehen wenn man diese gesellschaftlichen Hintergründe nicht bedenkt. Und der zeitgenössische deutsche Einheitsbrei hängt mir wirklich zum Halse raus, pardon.

    Naja konkret vor Ort wissen sowas am ehesten Heimatpfleger. Von Augsburg weiss ich beispielsweise von umfangreichen Planungen, von denen aber nur ein erster Schritt umgesetzt wurde. Die Verbreiterung der heutigen "Fuggerstraße" zur Paradestraße, in dem Rahmen musste natürlich auch die Westseite, die dazu abgerißen wurde, neu bebaut werden. Und dazu passend die Verbreitung der Frontfassade des Theaters sowie Neugestaltung des Innenraumes im Stil der 30er (was IMHO eine wahre Barbarei war, denn es handelte sich um eines der prächtigsten Theater das im 19. Jahrhundert gebaut wurde). Augsburg hat freilich aufgrund des hohen Alters und Gründung durch die Römer (aus "Augusta" wurde im Laufe der Zeiten das heutige "Augsburg") eine besondere Bedeutung für Antikebegeisterte, dazu hatte die Stadt eine Schlüsselrolle in der Handelsentwicklung (>Fugger), bei der Reformation, war Reichsstadt und Tagungsort zahlreicher Reichstage. Ob solche Planungen auch für jede andere Stadt von vergleichbarer Größe ohne diese historische Bedeutung gab weiss ich nicht. Freilich haben Augsburg und Nürnberg eine große Gemeinsamkeit: der verbliebene Bestand von Gebäuden aus den Jahrhunderten vor dem 20. Jahrhundert ist nur noch ein Schatten früherer Pracht. Denn bei allem Respekt für die Wiederaufbaumoderne, lieber hätte ich die alten Patriziertürme, Jugendstilquartiere und Renaissance-Plätze "behalten".

    ^Nun, man war sich freilich gewahr dass die Nazis ihrerseits ja ebenfalls ihre "neue Zeit", so wurde das ja auch genannt (und von der NSDAP meist als "Bewegung" gesprochen, bewusst das Wort Partei vermeidend; Politikverdrossenheit ist kein neues Phänomen in Deutschland), baulich sichtbar gemacht haben. Das war eine ulkige Mischung aus ungelenkem neuen Bauen, mit viel Naturstein, und Formensprache der Antike/Renaissance. Hitler war ja ein grenzenloser Verehrer der Antike, da gibt es eine komplett falsche Vorstellung bei den Deutschen. Beispielsweise wird die deutsche Frakturschrift beim Spötteln gerne mit den Nazis vermengt. Dabei haben die Nazis diese sogar abgeschafft und die Nutzung der latinisierten Druckschrift durchgesetzt. Vermutlich weil Hitler ja dem Deutschtum dauernd Honig um den Mund schmierte und man das wohl einfach mal glaubt. In Wahrheit hatte er nichts übrig für die tatsächlichen deutschen Bautraditionen und wollte ja auch die ganzen hübschen, für ihn viel zu kleinteiligen, Altstädte abreißen und monumental neu gestalten.


    In gewisser Weise war es also auch nachvollziehbar den deutschen Faschismus als "Schluckauf" zu verstehen und wieder an die Zeit davor anzuknüpfen, die viel geschmähte Weimarer Republik war nämlich eine Zeit beeindruckender Modernität und progressiver Ideen - auch gesellschaftlichen Klimas - an welches wir teilweise bis heute nicht wieder anschließen konnten (freilich ging das vielen Menschen auch zu rasch, wenige Jahre zuvor gab es ja noch den Kaiser und die alte Weltordnung - diese Unsicherheit trieb der neuen Kaiserfigur die Leute in die Arme). Ich sage ja nicht dass Architektur und Städtebau nie ideologisch genutzt wurde, ich sage nur dass ich das verurteile. Gerade in Nürnberg, was ja in der ehm "Mythologie" der Nationalsozialisten eine große Bedeutung hatte, tat man darum gut sich nach dem Krieg der Deutung durch die Nazis souverän zu entziehen (auch wenn man sich im Widerspruch zum Faschismus definiert lässt man sich ja doch vom Faschismus definieren, statt eine Alternative zu entwerfen). Ich bin auch sehr froh dass die neue Bundesrepublik die Gelassenheit hatte, wohl durch die unterschätzte Provinzhauptstadt Bonn, sich keine neuen Monumente zu setzen wie es zuvor noch jeder neue deutsche Staat gemacht hat. Die Versuchung just vor Ort in Nürnberg, siehe meine Ausführung sich auch nicht im Widerspruch durch den Faschismus definieren zu lassen, entsprechend baulich tätig zu werden und damit in dieser unsäglichen Tradition zu bleiben war mit Sicherheit groß. Schluß mit Monumenten, der Mensch zum Maßstab. Das war die Nachkriegszäsur. :daumen:

    Politisieren und schmoren im eigenen Saft lenken gerade unter Deutschen all zu oft den Blick vom Wesentlich ab, Städte sind für Menschen da, nicht als Mahnmale, Monumente, steinernes Ego von Architekten, Kommerz, Ideologie...wenn man das Bauen auf seinen eigentlichen Zweck zurückführt erledigen sich die meisten Diskussionen von selbst. Das war im Übrigen auch die eigentliche Philosophie hinter den neuen Bauschulen der Jahrhundertwende, deren Enkel haben das aber bis heute nicht kapiert sondern kopieren die damaligen Stilelemente (rechtwinkliger Sichtbeton, Flachdach) auch noch ein Jahrhundert später unverdrossen weiter, haben damit aber schon lange den Urgedanke des neuen Bauens vergessen, sofern er ihnen überhaupt jemals bewusst war. Weil "Popanz" in Süddeutschland schon immer einen schwierigeren Stand hatte wurde der Wiederaufbau sehr pragmatisch angegangen. Die Rheinländer und Norddeutschen sind, bis heute, aber stärker Aufgeregtheit und Pathos zugeneigt, darum meinte man nach dem Krieg das "Nie wieder" per baulicher Zäsur wortwörtlich betonieren zu müssen (mich erstaunt bis heute dass kritische Geister solch eine einfältige Haltung zu Architektur haben konnten).


    Einen Kontrast zu sämtlichen deutschen Traditionen zu bauen wurde zum Selbstzweck erhoben. Und zu Anfang gab der Erfolg den Modernisten recht, Sichtbeton kann kurz nach Einweihung und vor dem ersten Winterhalbjahr durchaus ganz nett ausschauen und ein Stilbruch ist sicherlich interessant, solange er noch neu ist. Na und hier sind wir jetzt, viele Jahrzehnte später. Und irgendwie ist die Architektur auf eine absurde Art erzkonservativ geworden, man geriert sich zwar furchtbar modernistisch etc., als Selbstbild, aber baut im Grunde nichts was nicht auch vor Jahrzehnten schon errichtet worden sein können. Und das ist eben der Unterschied, Modernität und Konservatismus sind nie absolute sondern immer zeitrelative Begriffe. Was damals in der Tat progressives Bauen war ist, durch jahrzehntelange struktureller Stagnation der architektonischen Formensprache, in meinen Augen konservativ und altbacken geworden. Wobei manches Original aus den 50ern und 60ern noch heute einen gewissen futuristischen Chic auszutrahlen vermag, sofern es im Originalzustand erhalten und gepflegt wurde. Wenn ich heute irgendwelche kürzlich erbauten "SciFi" Machwerke sehe dann wirkt es einfach nur noch "gewollt", daraus werden keine Klassiker mehr.


    Ein überaus interessanter Punkt der hier angesprochen wurde ist die Regionalität. Diese ist für mich als Augsburger beispielsweise in Nürnberg im Vergleich zu meiner Stadt sehr augenfällig. Aber wenn ich Köln mit Hannover vergleiche dann stellt sich bereits das inzwischen gewohnte "kenn ich schon"-Gefühl ein, die immer gleichen Häuserzeilen eben. Kennt man eine kennt man alle. Auch darum ist für mich die Architektur der 50er/60er süddeutscher Prägung besonders erhaltenswert, sie ist zwar moderne Architektur aber sie setzte noch souverän regionale Akzente und war noch nicht beliebig.

    ^Ach es gab in deutschen Städten mal wunderbare Parks, noch bis in die 1960er, wie Photographien aus dieser Zeit schön zeigen. Eine wahre Farbenpracht (auch sonst waren die Städte viel farbiger, beispielsweise gab es viel mehr Leuchtreklamen an Gebäuden). Aber dann haben die 68er beschloßen dass das "spießig" sei, gepflegte Blumenflächen und gepflegte Städte an sich, und seitdem gibt's nur noch Unkrautflächen die alle paar Monate gemäht werden ("Rasen") und Bäume (die wachsen von selbst). Am Autobahnparkplatz ist's auch nicht trister.

    Am hellsten ist's unter freiem Himmel, ich will von einem Gebäude auch Sonnenschutz. Mag an meiner väterlicherseitigen "Latino"-Herkunft liegen dass ich die Vorliebe der Deutschen, sich mit Fensterfronten nach Süden blenden und die Schweiß auf die Stirn treiben zu lassen, nicht verstehen kann (es gilt wohl als "südländisch" sich eifrig jedem Sonnenstrahl auszusetzen den man nur erhaschen kann). Ich kann an deutschem Städtebau und Architektur sowenig gutes finden dass es halt rascher geht das aufzuzählen was mir gefällt/wo ich mich wohl fühle als Bewohner oder Nutzer: Bayrischer Jugendstil; Renaissance wie in Augsburg; konservative Landbauweise mit zentralem Kachelofen, weit auskragendem Satteldach und dicken Ziegelwänden.


    Ich wär eh schon lang "ausgewandert" wenn es nicht Bayern gäb', meine Abneigung gegenüber Deutschland mag daher zugegebenermaßen in meine Ablehnung der deutschen "Moderne" reinspielen. Aber die pure Objektivität gibt es ja eh nicht. Übrigens finde ich da immer ehm pikant dass (nach dem Selbstbild) progressive Modernisten, die ja in der Regel auch "Linke" sind, die Industrialisierung der Architektur so unreflektiert bejubeln wo doch sonst keine noch so abwegige Möglichkeit ungenutzt bleibt "den Kapitalismus" und "Materialismus" und "Konsumkultur" und "Wegwerfgesellschaft" etc. zu kritisieren. "Paläste für Alle" müsste doch eine sozialistische Parole sein (anstatt "Friede den Hütten, Krieg den Palästen").

    Nein, Berlinisierung ist LEIDER absolut nicht in München festzustellen. Wenn es doch nur so wäre. In München ist man beim Sozialbau-Look der 60er hängengeblieben. Vergleich mal empirisch die verschiedenen Bauprojekte beider Städte (hier im Forum) und du wirst deine Aussage zurückziehen.


    Nein, ich bleib bei meiner Meinung ^^ Und Deutschland hat nicht erst im 19. Jahrhundert begonnen zu existieren, die meiste Zeit war Wien die informelle Hauptstadt Deutschlands und auch der Sitz der Habsburger die die meiste Zeit den deutschen Kaiser gestellt haben. Tut mir leid aber mit Mondänität und dem metropolitanen Charme Wiens kann Berlin einfach nicht mithalten. Das gilt auch für zeitgenössische Architektur. Aber freilich, es heißt ja auch nur "Deutsches" Architektur Forum, dann gilt das wohl nicht mehr ;)


    Isek: Ich würde eher den Deutschen eine gewisse hm Dörflichkeit attestieren, wenn heute von Stadtgestaltung gesprochen wird ist nur von "Grün" die Rede (=Bäume; dass man außerhalb der botanischen Gärten mal eine Blume, gepflegten Rasen und Buchsbäumchen zu sehen bekommt hat Seltenheitswert). Sogut wie nie von anspruchsvoller Pflasterung, Möblierung, Wasserspielen und Brunnen..., Parkplätze spielen hingegen die Hauptrolle. Das ist aber die Welt von Kleinstädten und Dörfern. Kulturhistorisch wird man wohl mal im Rückblick sagen dass das 20. Jahrhundert keine Landflucht und Verstädterung brachte sondern die Städte deurbanisiert und verländlicht wurden und dabei expandierten, die Leute vom Land kamen zwar in die Städte und Ballungsräume aber haben ihre dörflichen Maßstäbe mitgebracht und in der Mitte hat man sich dann getroffen.


    Mag sein dass mir auch daher Wien so gut gefällt, diese Stadt sprüht nur so vor Urbanität. Die deutschen Großstädte, München bildet eine teilweise Ausnahme, sind aber doch eher einfach nur große Ballungsräume.

    Architekten können innerlich so "kreativ" sein wie immer sie wollen, dadurch dass die Bauten einfach so dermaßen reduziert sind und auch gar kein Budget für mehr als "Bruttogeschossfläche" da ist bleibt das Repertoire weitgehend ungenutzt. Mein Lieblingsstil ist der bayrische Jugendstil (der ja seinen "Namen" von einem münchner Kulturmagazin hat, ist also weit mehr als nur Architektur). Gerade weil es kein "Stil" in dem Sinne ist sondern die Architekten ihrer persönlichen Kreativität freien Lauf gelassen haben. Da ist alles dabei, jedes Material, von der Loggia zum Attikageschoss; die haben gezeigt was sie können, Unikate geschaffen.


    Der Planungsaufwand hat sich doch potenziert! Von der Grundrissgestaltung von Büros und Wohnungen in puncto Flexibilität, bis hin zu Energieoptimierung, Baukonstruktion etc..
    Versuch eines Vergleichs: Heutzutage entspricht ein Haus technisch einem Mercedes, früher einer Postkutsche mit ein paar Schnörkeln dran.


    Bei allem Verständnis für das Unverständnis gegenüber moderner Gebäudegestaltung, man sollte sich in einem Architekturforum doch mit der Materie besser auseinandersetzen.


    Energieoptimierung und das Beackern der ganzen Regelwut mag einen Architekten beschäftigen; hat aber mit Architektur soviel zu tun wie die Bürokratie die einen Großteil der Arbeitszeit der Ärzte in Anspruch nimmt etwas mit dem eigentlichen Medizinerberuf zu tun hat. Ausufernde Bürokratie ist halt ein Merkmal unserer Zeit, damit muss aber jeder Berufsstand irgendwie klar kommen.


    Wenn wir mal dabei bleiben dass Architektur eine Kunst ist, und nicht nur Bautechnik, dann ist das sog. "Schnörkel" die Essenz des Ganzen. Moderne Architektur ist all zu oft in meinen Augen nur eine leere Leinwand, das ist so als ob ein Maler einfach eine leere Leinwand aufhängt. Hier und da mag man das spleenig finden und beklatschen, wenn das aber alle machen...der Maler kann sich verwirklichen wie er will, ich bin neugierig auf alles und habe keine Vorbehalte. Aber ich verlange dass sich der Maler, der Architekt, und jeder andere Künstler anstrengt und nicht einfach jede Kritik als Majestätsbeleidigung Unwissender abtut. Des Kaisers neue Kleider....


    Und wenn ich mir den letzten und vorletzten Satz so durchlese kann ich nur sagen "Arzt heile dich selbst", wenn man sich nämlich mit den planerischen Leistungen früherer Baumeister auseinandersetzt, was diese mit den beschränkten technischen Möglichkeiten ihrer Zeit vollbracht haben, dann ist eher von einer De-Evolution der Architektur und Kreativität zu sprechen. Gerade weil heute die bautechnischen Möglichkeiten nahezu unbegrenzt sind gibt es für mich keine Entschuldigung mehr für uninspirierte Architektur.

    ^Ehm nein ich mein das ganz anders. Dass nicht jeder ein Virtuose ist der aus eigenem Genie heraus schöpft sondern Dinge kopiert werden und sich gleichen, Moden eben, ist ja normal und das war immer so und wird immer so sein. Aber das Repertoire als solches ist einfach sehr eng, sehr eintönig, geworden. Schon ein Satteldach mit Gauben gilt doch bereits manchen als "überladen", merkt man generell kulturgeschichtlich wie Stil und Vielfalt verschwinden. So galt beispielsweise das Silberbesteck (naja wer hat sowas heute noch, das rostfreie 10 Euro Angebot aus'm Möbelhaus wird's schon tun) genannt "Augsburger Faden" als minimalistisch - heutzutage sieht es geradezu üppig aus gegenüber dem billig herzustellenden kerzengeraden schnörkellosen Kantinenbesteck was inzwischen hochgejazzt zu "modern" überall Verwendung findet. Man findet es "ungezwungen" und "legere" in der Jogginghose in's Kino zu gehen anstatt sich herzurichten und den Abend etwas zu zelebrieren. Es flacht einfach alles ganz schön ab und das schlägt sich natürlich auch in einer so zentralen Gestaltungsform wie der Architektur nieder. Ich mache das gar nicht an einem bestimmten Stil fest sondern es ist ein Gesamteindruck. Und hat man ein Gewerbegebiet, eine Neubausiedlung und eine Fußgängerzone in Deutschland gesehen dann hat man alle gesehen. Eine eigentümliche bunte Tristesse.

    ^Geschmackssache kann ich dazu nur sagen. Der Unterschied ist aber doch die Eintönigkeit der zeitgenössischen (ich sage absichtlich nicht "modernen", das ist zumindest umgangssprachlich eine Wertung) Architektur. Es gab in früheren Epochen nie "die" typische Architektur sondern sicherlich Moden, aber das Repertoire der Architekten war einfach wesentlich breiter. Heute ist es halt so, wenn man von besonders sendungsbewussten Entwürfen absieht wiederholt sich alles immer wieder mit minimalsten Abwandlungen aber im Grunde doch nur "das selbe in Blau". Außer "Neuem" (inzwischen ja schon lange altem) Bauen gibt's ja nichts mehr. Mag in den 1970ern ein Flachdachbungalow in einer Satteldachsiedlung mit Jägerzaun noch ein wohltuender Stilbruch gewesen sein hat sich das verbraucht und diese Kastenmoderne ist inzwischen der spießbürgerliche Einheitsbrei geworden.


    Selbst die einst als "Mietskasernen" errichteten Mietshäuser mit Stuck von der Stange in Berlin strömen größere Vielfalt und Kreativität aus als die Industriearchitektur die heute so realisiert wird. Es sind in meinen Augen meist einfach Rohbauten denen echte architektonische Gestaltung vorenthalten wird, was mit etwas Humor gesehen ja sogar recht bequem ist, man hat als Architekt ja schließlich deutlich weniger zu tun wenn man funktionale 0815 Kästen mit Fenstern und Einbauten aus dem Katalog "plant". Ist halt wie im Küchenstudio, es wird Vielfalt und Individualität simuliert weil man 30 verschiedene Schubladengriffe auswählen kann. Aber es bleibt phantasielose Massenware von der Stange.


    Eine Frage der Zeit bis sich die Architektenzunft damit auch selbst überflüssig macht und die Leute sich ihre Gebäude selbst optisch per assistierendem Computeprogramm entwerfen, ein Bauingenieur überprüft das ganze nochmal...und man hat auch kein Ärger mit Themen wie "Urheberrecht" und alltagsuntauglichen Planungen die aber auf Geheiß des Architekten, den man zwar bezahlt hat für den Entwurf der einem aber scheinbar trotzdem nicht "gehört", nicht verändert werden dürfen.


    Die Tragik liegt für mich darin dass sich die Architektur einst als Kunstform entwickelt hat, aber die den Künstlern so eigene Fähigkeit zur Selbstkritik und steten Neuerfindung geht diesem Berufsstand in der Breite meiner Meinung nach inzwischen gänzlich ab. Alles in den 1920ern hängen geblieben, abgesehen von winzigen Varianten die sich alle paar Jahre ändern - aber sich auch wiederholen (im Moment kommen Brutalismus und 70er wieder). Kreativer Beruf? :nono: