Matthäikirchhof / Klingertreppe
Hallo zusammen !
Nach langem interessiertem Durchlesen habe ich mich entschlossen auch ein paar Beiträge zu liefern und hoffe auf gegenseitige angenehme Unterhaltung :).
Als Einstand möchte ich etwas zur Klingertreppe und nach und nach aus meinen Archiven etwas zum Komplex Matthäikirchhof beisteuern.
so hätte sie mal aussehen sollen, die Treppe samt Sockel und Wagner
ist im Bildermuseum zu bewundern: ein Miniaturwagner von Klinger
Vielleicht erstmal dazu, warum die Treppe überhaupt weg musste:
Das Gebäude der Feuerversicherungsanstalt ("Runde Ecke") wurde als eines der wenigen intakten Bürogebäude der Innenstadt nach dem Krieg ja gleich von den jeweiligen Geheimdiensten in Anspruch genommen.
die "runde Ecke" um 1950 von hinten, im Hintergrund die Hauptfeuerwache; aus Herbert Küas: "Das Alte Leipzig"
Der erste Erweiterungsbau für die Stasi wurde bereits in den 1950er Jahren (wahrscheinlich als erster Büroneubau Leipzigs nach dem Krieg überhaupt) errichtet. Samt Kino und Kegelbahn. Auf der abgeräumten Fläche dieses Stadtteils sollte darüberhinaus ein neues Konzerthaus entstehen, sämtliche Theater und das Gewandhaus waren ja zerstört oder schwer beschädigt.
links "neues Konzerthaus", daneben 1. Erweiterungsbau des MfS, ganz rechts die "runde Ecke"
nie realisierter Siegerentwurf für die Umgestaltung des Friedrich-Engels-Platzes; aus "Deutsche Architektur" 1953
Jetzt passte allerdings so ein öffentliches Gebäude mit Besucherströmen den Geheimniskrämern nebenan überhaupt nicht! Als in den 1970er Jahren klar wurde, dass das Audimax am Karl-Marx-Platz aus Rationalisierungsgründen nur in der Doppelfunktion als Sitz des Gewandhausorchesters realisierbar war, sah die Stasi ihre Stunde gekommen und riß sich das ganze Areal unter den Nagel.
lange als Standort für das Neuen Gewandhaus samt Tiefgarage favorisiert: der Matthäikirchhof
Durch die archäologischen Grabungen wusste man im übrigen sehr gut über die einstige Zwingburg bescheit, die Dietrich der Bedrängte hier anstelle der "urbs lipsk" gegen die Stadt errichtet hatte. Und - Ironie der Geschichte - entstand sie hier quasi wieder. (Ironie Teil 2: Die alte Zwingburg wurde von den Leipziger erstürmt, hier entstand ein Franziskanerkloster, später wurde daraus die Matthäikirche).
Jetzt zur Klingertreppe: Die Mitarbeiter des damaligen BCA (Büro des Chefarchitekten ~ quasi Stadtplanungsamt) und dem AKB (Büro für architekturbezogene Kunst und Denkmalpflege ~ quasi Denkmalbehörde) unternahmen alles mögliche, um diese Treppe zu erhalten. Man war schon soweit gegangen am oberen Ende sogar eine Art antifaschistisches Mahnmal zu planen, nur um die historischen Wegebeziehungen wenigstens auf ideologische Weise irgendwie zu retten.
Stasi mit "vorbeigelenkten" Besucherströmen
Das half aber alles nichts. Während einer Bezirkseinsatzleitung (~ quasi Krisensitzung, normalerweise für den "Ernstfall"!) wurde vom Bezirksleiter der SED höchstselbst festgelegt, dass die Treppe zu verschwinden habe. Die Kosten für die Dokumentation und den Aubbau übernahm die Stasi und lies die Treppe zum von nder Denkmalpflege zugewiesenen Lager abtransportieren.
aus Sicherheitsgründen nicht erwünscht - die Klingertreppe
Entschuldigung übrigens für die Bildqualität. Ich muss erst noch üben!
Soweit erstmal. Ich denke, das ist doch recht unbekanntes Material und freut vielleicht den einen oder anderen. Demnächst mehr ...