Beiträge von raubbau


    raubbau
    Wieso nur der kommunale Anbieter? [usw.]


    Vorab: Ich definiere "privaten Investor" mal global als Gegenpart zum öffentlichen Investor. Also unabhängig, ob es sich um eine Person oder sonstige Firmenkonstellation handelt.
    zu a) und c): Ein Privater erichtet nur spezifisch ALG-II gerechte Wohnungen, wenn sich das rentiert (also direkt oder indirekt durch die öffentliche Hand subventioniert wird). Ansonsten ergeben sich ab einem gewissen Wohnungsbestand, z.B. bei Genossenschaften, automatisch ALGII-Wohnungsgrößen. Das ist meines Erachtens aber eher ein Nebeneffekt und nicht direkt gewollt.
    zu b): Die Kommune ist aber der einzige Wohnungsträger, der steuerund und bedarfsgerecht eingreifen kann.
    zu d): Der Alteigentümer erzielt einen Gewinn aus Verkauf, was dessen Ansprüchen in Deinem genannten Fall offenbar maximal befriedigte.



    Ich kann Dein soziales Anliegen nachvollziehen. Allerdings bin ich der Meinung, dass für "bezahlbaren" Wohnraum in erster Linie der kommunale Wohnungsträger zuständig sein sollte. Das Grundanliegen eines privaten Investors ist doch logischerweise Refinanzierung und Gewinn und nicht öffentliche Wohlfahrt. Und Sanierung in bewohntem Zustand ist machbar aber unpraktisch und dadurch teuer (deswegen passiert sowas ja auch nur mit Kindergärten und Schulen, unseren Kindern muten wir soetwas eben zu...).

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    eine ähnliche Diskussion gab es bereits im "Brühlpelz"-Thread, wäre es nicht sinnvoller, dies dort [oder im 'Cafe Mephisto'] weiterzuführen und den Bauerbe-Thread nicht ebenso mit einer endlosen Diskussion zu füllen?
    [...]


    Solange das Thema "Bauerbe" nur selektiv wahrgenommen wird sehe ich allerdings einen gewissen Diskussionsbedarf. In dem Zusammenhang würde ich mir einfach mal etwas mehr Objektivität oder Sachlichkeit wünschen - am Beispiel meines Beitrages zu der Leuchtreklame - wäre doch zum Beispiel mal viel interessanter eine Kulturgeschichte der Leuchtreklame in Leipzig zu entwickeln, anstatt hier einseitigen DDR-Frust zu entladen. Das muss doch möglich sein? Also nicht gleich bei jedem Thema zwischen 1945 und 1990 ausrasten. Das nehme ich mir auch an.

    genau. nur freuen und gut. und bloß nicht nachdenken.
    [...]


    Danke für die erschöpfende Gegenrede. Es hätte mich auch ehrlich gewundert, wenn mein letzter Satz einfach mal hingenommen werden würde. Weißt Du, lieber dj, wer Polemik austeilt darf sie auch einstecken: Ich akzeptiere lieber, dass es eine Stadtplanung zwischen 1945 und 1990 gegeben hat, mit all ihren Widersprüchlichkeiten, Belanglosigkeiten, Entgleisungen usw. , als dass ich völlig kritiklos eine Stadtidylle herbeisehne, als ob es den 2. Weltkrieg nie gegeben hätte. Das fände ich bedenklich. Aber freu Dich nur an den schönen Fassaden...

    "Die hellste Stadt der Republik"...

    Wie die LVZ heute unter der Überschrift "Ostalgie? Nostalgie! Stadtbild!" verkündet erwekt CASA Concept in der Windmühlenstraße die alte Traktoro-Export-Werbung zu neuem Leben, wie zuvor schon - zumindest einen Teil - der Reklame für das volkseigene Möbelwerk Hellerau. Laut Artikel allerdings nicht mit ursprünglichen selbstleuchtenden Effekten sondern angestrahlt.


    Nur zur Erinnerung: Die Leuchtreklamen waren zu DDR-Zeiten tatsächlich integrativer Bestandteil Leipziger Stadtplanung. Anbei eine wirkliche Perle aus dem WWW
    https://www.wir-waren-so-frei.…bject/Show/object_id/7838


    In 01:05 sieht man den ursprünglichen Umschalteffekt der Traktoro-Werbung. Der absolute Hammer ist meines Erachtens aber nach wie vor die Centrum-Warenhaus-Neonreklame (00:08) direkt gegenüber den Margonwasserblubberbläschen (an den Brandwänden in der Petersstraße, wo heute der neue Eingang von Karstadt ist und gegenüber die Juridicumpassage).


    Wenn der Alltag auch ziemlich grau war - die Nacht war geradezu psychedelisch. Bis die Neonröhren ausgefallen sind.


    Und jetzt bitte keine Vorträge über leuchtenden Kitsch und vergammelte Häuser - einfach an den Bildern freuen und gut ;)

    Mal völlig wertungsfrei in Bezug ob man Ruinenromantiker oder Wiederauferstehungsfreund ist: 1990 wurde die Frage gestellt, ob Leipzig noch zu retten ist. Zwanzig Jahre später löst jedes letzte in Sanierung befindliche Gebäude eine Gentrifizierungsdebatte aus. So kann sich der Stadtbegriff ändern!


    hedges:
    Mir ist allerdings der Zusammenhang zwischen der Sanierung dieser Häuser und dem Thema Gentrifizierung explizit an diesem Beispiel nicht ganz klar. Mich würde das interessieren, kannst Du das bitte erläutern?

    @ raubbau: Die oberste Schicht war sicher zu Fundamentierungszwecken ohnehin modern aufgemauert. Ich bezweifle, dass ein so bedeutendes und in seiner Lage auch bekanntes Bodendenkmal flächenhaft beseitigt worden ist.


    Ich habe es mir unten im Hof angeschaut, es waren die originalen Mauerreste. Durch den Archäologen vor Ort wurden noch einige Porphyr-Gewände gesichert, die als Füllmaterial verwendet worden waren. Ansonsten wurde die gesamte obere Schicht (in Höhe des neuen Pflasteraufbaus) abgetragen und entsorgt. Von einer kompletten Tiefenberäumung habe ich doch gar nichts geschrieben?

    ^ Einsicht ist der erste Weg zur Besserung: Sorry meinerseits!


    Am Rande: Unister ist meines Wissens auf vier Mietobjekte verteilt. Beim Verkauf dieses Filetgrundstückes dürfte die Miete für lange Zeit gesichert sein. Dann würden die Karten für eine Neubebauung neu gemischt, denn die geplante Architektur spiegelte ja nur das Selbstverständnis dieses Unternehmens wieder. In ein städtebauliches Korsett gezwängt.

    Schlossbastion der Pleißenburg


    Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das hier richtig untergebracht ist aber interessant ist es allemal: Ich war diesen Sommer auf dem Turm des Neuen Rathauses. Dort wurde gerade der große Innenhof erneuert und dabei waren für kurze Zeit die erhaltenen Reste der Schlossbastion vor dem Turm der ehemaligen Pleißenburg sichtbar. Der obere Teil der Mauerreste wurde für den neuen Pflasterbelag abgetragen und als Bauschutt entsorgt. Echt schade. Hätte als Souvenier sicher reißenden Absatz gefunden.


    CT Station Wilhelm-Leuschner-Platz / Petersstraße


    Mit diesem Kasten bricht ja nun die Glaswürfel-Innenarchitektur der gesamten Station ans Tageslicht. Grundsätzlich: Ich habe nichts gegen Glaswürfel. Erinnert mich aber immer irgendwie an „The black cat“ von 1934 mit Bela Lugosi als Dr. Vitus Werdegast und Boris Karloff als blutrünstigen Architekten Hjalmar Poelzig. Der hat in seiner Bauhaus-Villa auf den Resten einer alten Festung auch so ein Glasbaustein-Treppenhaus. Aber das nur als Filmtipp am Rande.


    Was mich eigentlich entsetzt ist die Ignoranz gegenüber dem Gartendenkmal Promenadenring. Peter Joseph Lenné dürfte sich beim Umgang mit seiner Sichtachse zwischen Musenhügel und Pleißenburg- / Rathausturm mehrfach im Grabe umdrehen.
    Von der Universitätsstraße aus gesehen blockiert der Bau die Fortsetzung der Achse ohne dabei irgendwelche point-de-vue-Eigenschaften aufzuweisen. Aus Richtung Neues Rathaus / Deutsche Bank ist – wie auf dem Foto zu sehen – der weite Blick über die Parkwiesen überhaupt nicht mehr möglich. Damit ist die gestalterische Idee der Gesamtanlage aus meiner Sicht zerstört. Eine filigrane, transparente Lösung wäre meines Erachtens gegenüber dem Ort wesentlich angemessener gewesen. Eigentlich hätte man von der Max Dudler Architekten AG da etwas mehr Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem Ort erwarten können. Von den sonst so hochgehaltenen Tugenden wie Zurückhaltung und Integration ist hier nichts zu spüren.


    In „The black cat“ wird der Architekt am Ende übrigens gehäutet.

    ich versuche es nochmal:


    Wenn man wenigstens das Gebäude errichten würde.


    Wer ist "man", wenn nicht der Eigentümer? Die Stadtverschönerungsguerilla?


    Die letzten Entwürfe waren ja dann eine Bereicherung für den Standort rum um die Oper.


    Ansichtssache. Andere würden behaupten die Grundstückspreise würden dadurch nachhaltig beeinträchtigt. Wenn Unister vielleicht noch eine Leuchtreklame anbringen will - was würde der Betreiber des "Novotel" dazu sagen?!


    Ob Unister am Ende einzieht ist ja relativ egal.


    Genau, weil ja die wohltätige Stadtverschönerungsguerilla auf fremden Grundstücken planen, bauen und einziehen lassen kann was und wen sie will.


    Vermieten könnte man es sicher auch so.


    Wer ist "man"??!!


    Wenn`s nur ein Wunsch ist, nehme ich alles wieder zurück.

    Moin dj,


    nee, es gibt nur einen raubbau. Aber viele Rabauken:).


    Ich fand nur den Umstand bemerkenswert, dass einige Schöngeister einfach etwas hingebaut haben wollen. Egal von wem oder für wen. Du weißt sicher, wenn Du Hubert Ritter schon bemühst, dass aus seiner Sicht die Grünanlagen des Promenadenrings auch nur als Reserveflächen für den Straßenverkehr gedacht waren. Na dann: Ringcity und Stadtautbahn her. Für wen und wozu auch immer.

    ^
    Lieber dj,
    alle Deine Kritikpunkte sind nachvollziehbar. Natürlich hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass vieles nicht den erhofften Effekt hatte. Sogar relativ schnell. Du unterstellst aber permanent, das zur Entstehungszeit bewusst schlecht geplant und gebaut wurde. Und da stellt sich mir die Frage, wer hier Geschichtsklitterung betreibt.

    Wenn man wenigstens das Gebäude errichten würde. Die letzten Entwürfe waren ja dann eine Bereicherung für den Standort rum um die Oper. Ob Unister am Ende einzieht ist ja relativ egal. Vermieten könnte man es sicher auch so.


    Klar! Lasst uns das Grundstück kaufen und einen Turm bauen. Wir lieben doch alle diese Stadt und wollen einen beitrag zur Verschönerung leisten! Koste es, was wolle. Im Notfall deklarieren wir es als Denkmal, wer braucht dafür schon Mieter?
    Manchmal frage ich mich...
    Eine Bereicherung für den Standort wäre gewesen, wenn der Eigentümer des einstigen "Tomatenbunkers" daran interessiert gewesen wäre seine bestehende Immobilie marktfähig zu vermieten. Aber solange selbst Investlöcher noch lukrativer sind sehe ich in nächster Zukunft hier nur das Burgplatzloch II.


    [...]
    Sehen Sie denn eine architektonische Lösung, wie man das hier behandelte Gebäude erhalten kann und gleichzeitig die zerschossene Raumkante Reichsstraße wiederherzustellen vermag und den Gesäßanblick der Gebäude Nikolaistraße verdeckt?


    Die einzige Lösung: Abriss der Altbauten in der Nikolaistraße :D.


    Nein, jetzt ernsthaft:
    Ich glaube es gibt hier einen fundamentalen Irrtum, wie Stadt funktioniert und auszusehen hat. Ein makelloses, glattgebügeltes Stadtbild gibt es nicht in einer Stadt mit Geschichte, mit Individuen als Bauherren und Menschen die darin leben, wohnen, arbeiten usw. wollen. Wenn ich hier von den virtuellen Abriss-Allmachtsphantasien lese schaudert es mich. (Wenn hier jeder einmal das Gebäude entfernen dürfte, dass ihm missfällt - ich denke wir hätten am Ende dort wo Leipzig einmal war eine hübsche freundliche Auenlandschaft.)
    Für mich sind es eben auch die Brüche, die ein Stadtbild interessant machen, ihr ein Gesicht verleihen. Vielleicht kein schönes aber ein einprägsames, individuelles und damit unverwechselbares Gesicht.


    Die Geschichte Leipzigs lehrt uns allerdings, dass dieses Gebäude früher oder später verschwinden wird. Und es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass ästhetische Standpunkte bei dieser Entscheidung keine Rolle spielen werden. Ebensowenig wie bei einer Neubebauung.


    Wer in der Zwischenzeit beim Anblick dieses "Makels" Augenkrebs befürchtet, kann ja die Reichsstraße weiter nach Süden flüchten und dort die zauberhafte Rückfront des Motel-One genießen. Dieser Umstand ist nun wirklich nicht den Stadtplaner der 60er jahre anzukrieden, denn Deutrichs Hof sollte eigentlich als point de vue den Abschluss der Blickachse vom Markt über das verbreiterte Salzgässchen bilden. Aufgrund der Einsturzgefahr musste das Gebäude aber niedergelegt werden, wobei ein Großteil der Fassade für die Integration (!!) in einen späteren Neubau gesichert wurde. Von eben jenen geschichtsvergessen Planern. Is'n Ding.

    @all:
    Mannmannmann, so ein Wochenende hat es in sich. Na, ich versuche mich mal durchzuarbeiten:cool:.


    Gärtner + aedificator:
    Wir verstehen uns. Danke für die guten Beiträge.;)


    Stahlbauer #80 / #87
    Ich verstehe Deinen Vorwurf nicht, ich würde nur das zitieren was mir gefällt. Warum soll ich Dietmar Fischer zitieren? Es ging mir doch nicht um die Kritik der 1980er Jahre sondern um das Selbstverständnis derjenigen, die 1960 geplant und gebaut haben. Ich habe deshalb auch mit Absicht keine Wertung der Zitate vorgenommen, das wird ja gleich massiv von anderen hier erledigt.


    Saxonia / #78
    Zähl` einfach mal nach, wie viele Beiträge – einschließlich Deines eigenen – sich abschätzig mit dem Gebäude befassen und dadurch das Thema am Weiterköcheln halten. Deine Frage, was das Interpelzgebäude erhaltenswerter macht als bspw. die alte Brühlbebauung, ist in Bezug auf die Vergleichbarkeit und den bereits vollzogenen Verlust etwas paradox, oder?
    Den Grund für die sehr unsachliche Debatte sehe ich im übrigen darin, dass jede Kritik an dem Gebäude, wie auch bei Dir, in erster Linie von der Ablehnung der damaligen städtebaulichen Leitbilder getragen wird. Wenn man diese Leitbilder also ablehnt, kann man demzufolge auch nichts Gutes an dem Gebäude finden.
    Problematisch wird es für mich, wenn man sich aber nicht einmal mehr die Mühe gibt sich mit dem damaligen Kontext auseinanderzusetzten oder einfach unterstellt, es war damals schon schlecht und deswegen heute erst recht. Das ist nicht nur selbstgefällig sonder auch fahrlässig. Gerade in Bezug auf den von Dir genannten Denkmalschutz. Vor noch nicht mal zehn Jahren hat man da überhaupt erst angefangen die Bauten der 1950er Jahre wahrzunehmen. Und auch das nur, weil sie in einer anderen städtebaulichen Tradition stehen und daher „unverdächtig“ sind (was allerdings auch nicht vor Abbruch oder Verstümmelung schützt...).


    @djtinitus / #83 + #85
    Bevor man fragt, wo eine Entwicklung hingegangen wäre, sollte man auch mal fragen, wo eine Entwicklung herkommt: Gegen den „plan voisin“ eines gewissen Charles-Édouard Jeanneret-Gris für den Flächenabriss von Paris, sehen die Perspektivpläne der Klein-Pariser Stadtplaner 40 Jahre später wie die reinste Denkmalpflege aus.


    Bei den von Dir aufgeführten Gebäuden handelt es sich aber eben nicht um Typenprojekte, sondern um direkt für den Standort entwickelte Sonderbauten, die sich ausdrücklich auf die Geschichte des jeweiligen Ortes bezogen und dadurch auch legitimiert wurden. Das Messeamt wurde selbstverständlich am Markt errichtet und das Interpelzgebäude selbstverständlich am Brühl. Wenn man unter Stadtreparatur natürlich nur die Verwendung von historisierenden Versatzstücken und inhaltsleeren Fassadenattrappen versteht, kann man den DDR-Bauten nichts abgewinnen. Die Investoren und Mieter von Marktgalerie und Höfen am Brühl tragen meiner Meinung nach nachhaltiger zur „Allerweltsstadt“ bei, als ihre Kulissenarchitektur versucht eine Stadtidylle vorzugaukeln.

    Man kann (Bau-)Geschichte ja durchaus als Eintopf verstehen, in den bunt alles hineingewürfelt wird. Da ist dann für jeden was dabei. Womit man nix anfangen kann, das haut man einfach zurück in den Kessel und fischt solange im Trüben weiter, bis einem was bekannt vorkommt.
    Auf welche Ideologie beziehst Du Dich, lieber Geograph? Die Doktrin der Nationalen Bautradition und die „16 Grundsätze des Städtebaus“? Die Ergebnisse der 1. Baukonferenz 1955? Die Grundlagen für das Denkmalpflegegesetz von 1975? So flexibel muss man erst mal sein, sich immer seine Ideologie wieder zurechtzubasteln :) Manche westdeutsche Innenstädte mussten sich vollkommen ohne Ideologie städtebaulich entseelen lassen. Wie haben die das nur geschafft?!


    Auf Grundlage eines heutigen Standpunktes kann man natürlich jeder Epoche ihre Mängel und Fehler nachweisen (mal sehen, was uns in 30, 40 Jahren so vorgeworfen wird!). Man sollte aber einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass es unabhängig von jeglicher politischer Verbrämung eine allgemeine städtebauliche Grundhaltung in den 1960er Jahren gegeben hat.
    Es geht nicht ums Schönreden oder ob man diese Haltung nachvollziehen kann sondern einfach nur erst mal um die nüchterne Akzeptanz. Und ich denke, da ist die professionelle Kunstgeschichte und Architekturkritik schon weiter fortgeschritten als mancher Hobby-Sachverständige in diesem Forum. Denn im internationalen Vergleich können sich die Leipziger Bauten dieser Zeit durchaus sehen lassen.

    dj tinitus
    So ist das eben, wenn einem die Argumente ausgehen. Danke für Deinen Beitrag und besonders für dieses bonmont:

    selbst wer die ddr-stadtplanung - warum auch immer - als grandios empfindet, wird deshalb nicht umhin kommen, ihr ein grandioses scheitern zu attestieren. je mehr von diesen brachen und klötzen wieder verschwindet, umso besser für die stadt. das haben die letzten 20 jahre bewiesen - und das wird zum glück auch so weitergehen...


    Wenn Lucas dem "Alten" noch die Möglichkeit eröffnet sich einzuordnen, wird von Dir gleich die völlige Beseitigung des heute Alten gefordert. Respekt. Stadtplanung à la 1960 vom Feinsten.


    Für alle anderen:
    Natürlich ist es legitim zu fragen, welche ästhetische Berechtigung die Architektur der DDR im Sinne der heutigen Ziele der Stadtgestaltung und der Auffassung von Stadtraum hat. In diesem Rahmen sollte man sich aber auch ernstahf bemühen zu verstehen, in welchem Kontext diese Architektur überhaupt entstanden ist.


    Das Interpelzgebäude wurde 1965-66 durch die Architekten Schreiner und Seltz errichtet. Es wird teilweise ausführlich in der "Deutschen Architektur 3/1967" und im Architekturführer DDR Bezirk Leipzig behandelt. Falls mal jemand nachlesen will.

    Nach langer Abstinenz möchte ich mich mal wieder zu Wort melden und vor allem aedificator ein wenig unterstützen.


    Hier wird immer wieder sehr viel über mangelnde städtebauliche Sensibilität bis hin zum architektonischen Unvermögen der Planer aus DDR-Zeiten schwadroniert. Ich finde, wir sollten diese mal selbst zu Wort kommen lassen. Einer der interessantesten und widersprüchlichsten Vertreter dürfte Walter Lucas sein. Hier Zitate des Chefarchitekten der Stadt Leipzig aus der damaligen Fachzeitschrift „Deutsche Architektur“:


    „Aber Ausgangspunkt der Stadtplanung ist nicht mehr der alte Bestand, seine Verbesserung, und Ergänzung, sondern die Perspektive der künftigen Entwicklung. Bestimmend ist das Neue, dem das Alte sich einordnen oder Platz machen muß.“


    „Der sozialistische Städtebau will keine Allerweltsstadt! Die Leipziger Altstadt ist ein historisches Produkt, das weiter lebt, in dem wir Inhalt und Form auf dem Wege der sozialistischen Entwicklung wandeln.“


    Natürlich sprengt das Interpelzgebäude den Maßstab. Natürlich schert es sich nicht um Anschlüsse an irgendeinen Bestand. Das war aber kein Mangel, das war Programm! Die hinter dem Flachbau der Pelzauktionshalle auf einmal sichtbar gewordenen schäbigen Rückansichten der Häuser an der Nikolaistraße haben dabei doch nur den strahlenden Neubau unterstrichen.
    Jetzt kann man natürlich hergehen und sagen, dass sich unser städtebauliches Verständnis geändert hat. Wir sind nicht mehr so radikal. Wir wollen die vermeintliche Vorkriegs-Idylle und unsern Kaiser Wilhelm wiederham :). Dann sollte man sich aber nicht auf dasselbe Ausschließlichkeits-Niveau der Stadtabreißer der 60er Jahre herablassen. Für seine Zeit war das Interpelzgebäude ein Meilenstein. Einerseits Zeichen für die neue Stadt der Zukunft, im wahrsten Sinne des Wortes auferstanden aus den Kriegsruinen und Trümmerlandschaften, die noch immer (20 Jahre nach Kriegsende!) das Stadtbild in weiten Teilen prägten. Andererseits in der Kontinuität der Funktion als Standort des Pelzhandels ein Bekenntnis zur Geschichte des Ortes. Das Gebäude überzeugt in seiner ursprünglichen Gestalt noch heute: Von der städtebaulichen Ausrichtung über die architektonischen Details der Schaufensterfront zum Brühl und dem Durchgang mit den futuristischen V-Stützen bis hin zum markanten Interpelz-Logo und der großen Leuchtschrift: „kostbar.begehrt.weltbekannt PELZE VOM BRÜHL“.
    Für mich hat das Interpelzgebäude mehr mit dem historischen Ort und gelungener Architektur zu tun als sämtliche Neubauten, die seit 1990 am Brühl entstanden sind.


    Und zum Schluss mal noch eine freundliche Zitatengegenüberstellung zum räumlich angrenzenden Thema Sachsenplatz allgemein.
    Ingeborg Flagge, damals Direktorin des Deutschen Architekturmuseums, schrieb 1999:
    „Standort des Leipziger Museums für Bildende Künste ist der Sachsenplatz,
    ein innerstädtisches Brachland, das nach Norden und Osten ohne gebauten Rand ist. In diesem durch Kriegszerstörung verwundeten und in den Jahrzehnten danach verödeten Teil der Innenstadt galt es, mit einem Neubau eine Reparatur am Stadtorganismus durchzuführen.“


    So hatte ich den Sachsenplatz irgendwie nicht in Erinnerung – habe ich mich derart getäuscht?!
    Walter Lucas begründete die Ausformung des Platzes zur Zeit seiner Entstehung wie folgt:
    „Erfreulicherweise setzt sich die richtige Erkenntnis mehr und mehr durch, lieber nichts zu bauen, als einen Platz ohne Rücksicht auf weitere Perspektiven mit einem falschen Gebäude zu belegen, das dann hindernd im Weg steht.“
    !!!