Databo, nichts läge mir ferner, als Dir die Worte im Munde herum zu drehen. Ich nahm das nur als Aufhänger, um auf andere Dinge hinzuweisen:
Es gibt ein paar Probleme, die man hätte mit einer Neuordnung der Zentralachsen hätte beheben können.
Beispielsweise ist das mit den kurzen Wegen so eine Sache: Zwar liegt alles recht nah beieinander, aber meistens muss man durch eine undurchsichtige Ebenenordnung und eher zufällig wirkende Anordnung von Treppen unnötig oft die Ebene und auch die Richtung ändern, um von einem Gebäude ins andere zu kommen. Das verlängert die Wege und macht sie unübersichtlich. Das macht auch die Behindertengerechtigkeit zur Herausforderung, die man an einigen Stellen ganz gut, an anderen mehr schlecht als recht gelöst hat. Zudem hat genau das noch einen schwer wiegenden Nebeneffekt: So gibt es an der Universität viele 'Angsträume', also Gegenden, in denen viele (meint: ich selber zwar nicht, aber gehört habe ich diese Beschwerde oft genug) sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht sicher fühlen: Einsame, unübersichtliche Orte mit wenig Beleuchtung.
Das hätte man durch Neuordnung der Zentralachsen nachbessern können. Genau das passiert leider nicht.
Im HZO sind die Hörsäle nicht besonders klug angeordnet, es gibt Zwischenebenen, die vermeidbar wären, und das ganze unübersichtlich machen und einige Barrieren hinzufügen.
Ein strukturelles Problem mit den Hochbauten ergibt sich zur 'Rush-Hour', also in der Praxis regelmäßig rund um die geraden vollen Stunden: So sind im GD einige Seminarräume in den oberen Etagen angeordnet, was regelmäßig zu Stau an den Fahrstühlen führt. Dem ist man mit dem Bau von sieben Fahrstühlen je Hochbau begegnet. Soweit zu den strukturellen Schwierigkeiten.
Das eigentlich durchdachte Entwässerungsprinzip der großen Plätze an der Uni ist mittlerweile zum Problem geworden: Kaum ein Tag, an dem alle Platten über der Ablauffläche intakt sind, und diejenigen, die es sind, sind oft verzogen, so dass sie nicht an allen vier Ecken aufliegen und laut wippen, wenn man darauf tritt. Im Audioguide wird das beschönigend "der Sound der Ruhr-Uni" genannt, aber auf mich wirkt es eher 'heruntergekommen'.
Was die Kapazität anbelangt, platzen die Hörsäle bei einigen Vorlesungen aus allen Nähten, Treppenplätze sind an der Tagesordnung.
Die Architektursprache, hier wird es wirklich subjektiv, macht von oben einiges her: Die Disziplinen des 'Hafen des Wissens' liegen wie Ozeanliner gleichberechtigt nebeneinander, sieht man von einigen (auf mich planlos hineingequetscht wirkenden) Zubauten ab, sehr strukturiert und aufgeräumt.
Nur, dass sich die wenigsten der Uni von oben nähern. Kommt man mit der Bahn, beschreitet man eine S-Kurve und muss über eine Treppe einen Höhenunterschied von fünf Metern überwinden, um auf dem zentralen Platz anzukommen.
Kommt man mit dem Auto und parkt unter de Zentralachse, ist der erste Eindruck ein Haifischmaul, danach kommen orange beleuchtete, enge Parkhäuser, die dazu gehörigen Treppenhäuser sind feucht, zugig und ebenfalls sehr eng.
Die UB vermittelt mit ihrem hohen Atrium nicht den Eindruck, dass hier der Mensch im Mittelpunkt steht. Auch die langen hohen Flure in den Fakultätsgebäuden wirken wie enge, hohle Gassen.
Und warum hat man konsequent alle Hörsäle tageslichtfrei gestaltet?
Damit, dass alles der Verdammnis anheim zu fallen droht, wollte ich ausdrücken, dass die Uni nach 50 Jahren ein gigantischer Sanierungsfall ist. Das beginnt bei den weiter oben beschriebenen Waschbetonplatten und zieht sich durch über Auswaschungen von Kalk, die mittlerweile Tropfsteine bilden, bis hin zu blinden Fenstern, undichten Dächern und den verbauten, gesundheitsschädlichen Materialien wie Asbest.
Die Vorteile möchte ich nicht herunterspielen. So sind die Wege (trotz komplizierter Wegebeziehungen, s.o.) überschaubar, und die Uni auf den ersten Blick sehr aufgeräumt. Die Bezeichnung der Gebäudereihen "I" für Ingenieurwissenschaften, "N" für Naturwissenschaften, "G" für Geisteswissenschaften und "M" für Medizin erklärt sich recht fix von selbst, zudem waren die kompletten Fakultäten eng zusammen in einem Gebäude untergebracht, alles, was der Medizinstudent zum Studium braucht, findet er im MA, was der Physikstundent braucht, im NB. Juristen wie Psychologen müssen mittlerweile des öfteren in die Stadt pendeln, um Vorlesungen zu halten oder zu besuchen, einen Termin beim Prof wahrzunehmen oder in ihr Büro zu kommen. Auch viele Sprachkurse finden in der Stadt statt. Hat für Bochum natürlich Vorteile. Wie gesagt, ein zweischneidiges Schwert. Ich laste es übrigens nicht der Architektur der Epoche an, dass die Kapazitätsgrenze erreicht ist, sondern äußere die Befürchtung, das irgendwann die Ausweitung der Kapazitäten mit dem Denkmalschutz kollidieren.
Hier offenbart sich dennoch der im Nachhinein schwer zu behebende Fehler der Denke der damaligen Epoche: Die Uni wurde sprichwörtlich auf ein Parkhaus gesetzt, und recht weit weg von der nächsten SPNV-Haltestelle, den dem Auto galt damals die Zukunft. Die Uni sollte also schnell mit dem Auto von allen Seiten erreichbar sein. Das rächt sich jetzt, denn nicht nur, dass das Pendeln zwischen Uni und Stadt mit der U35 dadurch erschwert wird, die Parkhäuser und -plätze sind zur Kernzeit ständig am Limit.
Ab davon gibt es durchaus Orte an der Universität, die zum Verweilen einladen, das habe auch ich immer so empfunden. Nur sind es wenige, und es gibt genug Orte an der RUB, die in ihrer Unwirtlichkeit zu sagen scheinen: "Es gibt hier nichts zu sehen, bitte gehen Sie zügig weiter!" - Die Frage, die ich stelle, ist: Muss das so sein?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Uni ist also heruntergekommen, in ihrer Kapazität in einigen Fakultäten über die Grenze hinaus, und an einigen Stellen gibt es Schwächen in der Planung, die sich erst in der Praxis offenbart haben. Das sind die Punkte jenseits der Architektursprache, jenseits der subjektiv empfundenen Ästhetik.
Auch ich sehe diese übrigens, empfinde sie persönlich aber eher als Hochglanz-Bildband-Schönheit, die an einem stressigen Tag bei leichtem Nieselregen ihren Zauber verliert. Zumal sich auf dem dem Beton bei Regen Feuchtichkeitslinien abbilden, was ihn ungepflegt wirken lässt. Aber das ist, wie gesagt, subjektiv.
Ich bleibe dennoch dabei, dass die Uni für Einpendler wie zugezogene Studenten eine Visitenkarte der Stadt ist, weil es oft der erste, manchmal der einzige, zweifelsfrei aber der Ort der Stadt ist, an dem sie am meisten Zeit verbringen. Das mag vielleicht auf Dich konstruiert wirken, ist jedoch das, was ich in vielen Gesprächen mit Studenten gehört habe. Ich frage mich eben, ob diese Visitenkarte in dieser Form einen guten Eindruck hinterlässt.
Eine Umfrage unter den Studierenden und Mitarbeitern, ob sie es für sinnvoll erachten, die Ruhr-Universität unter Denkmalschutz zu stellen, hat nie statt gefunden. Wird sie auch nicht. Die Behauptung meinerseits, zu ahnen, wie sie ausfiele ist, zugegeben, anmaßend. Sie stützt sich auf viele Gespräche, die ich darüber geführt habe. Ich habe ich außerhalb dieses Forums überaus selten erlebt, dass der Denkmalschutz als sinnvoll oder positiv betrachtet wird. Die Mehrheit der Reaktionen waren zwischen Verwunderung und Empörung anzusiedeln. Aber die Antwort auf die Frage, ob diese repräsentativ sind, muss ich schuldig bleiben.
Urbanist hat ein wunderbares Beispiel dafür geliefert, was ich meinte, als ich sagte, dass sich hier der Archtekturbetrieb selbst auf die Schulter klopft. Man liebt den Campus u.a., weil Victor Vasarely sich hier verewigt hat, und weil er an Kenzō Tanges 'Meisterwerke' erinnert. Man erwartet, so scheint es, dass der Nutzer sich mit den Gebäuden auseinandersetzt, es ist nicht immer eine Ästhetik auf den ersten Blick. Das tun aber die meisten Nutzer nicht, und das kann man auch nicht von ihnen verlangen, hier nimmt sich Architektur zu wichtig. Dennoch liegt Schönheit immer im Auge des Betrachters, ich schlage daher vor, das wir uns einig sind darin, dass wir uns nicht einig sind. Vielleicht versöhnt es mich ja mit der Architektur, wenn die Sanierung vollendet ist und der Campus nicht mehr so ungepflegt und heruntergekommen wirkt.
Auch wird bei der Sanierung das eine oder andere hoffentlich verbessert. Es werden, auch da sind wir uns einig, neue Böcke geschossen, oder einfach Prioritäten so gesetzt, dass sich für einige Nutzer neue Probleme ergeben. Eine Priorität, von der ich jetzt schon ahne, dass sie die alten Probleme unbefriedigend oder gar nicht löst und womöglich neue Probleme nach sich ziehen wird, ist das Spardiktat, denn oft ist die günstigste Lösung nicht die beste. Nichtmal die zweitbeste. Sondern eben nur die günstigste.
Denkmalschutz ist für eine weitere Priorität, an der schwer zu rütteln ist. Damit ist er eine Hürde, die aufgestellt wird, wenn es darum geht, all die genannten Dinge verändern zu wollen. Die Priorität der Nutzbarkeit rückt mit dem Denkmalschutz noch weiter nach hinten, jetzt (je nach Gewichtung des Sparzwanges) an zweite oder dritte Stelle. Und das, um das auch noch zu beantworten, finde ich schade.