Es ist Wahljahr und kein politischer Vertreter scheint den Bohlweg im BLick zu haben.
Nun, das ist etwas verkürzt.
Sicherlich ist allen Parteien und auch allen Kandierenden auf Mandate klar, dass der Bohlweg, ibs. gegenüber dem Schloss-Carré, ein Problem zu werden droht.
Und nun das langgezogene 'Aaaaaber':
Die Stadt hat die Möglichkeit, mitzubestimmen, wie eine Fassade renoviert wird. Was sie nicht kann, ist bestimmen, ob eine Fassade renoviert wird. Solange die Fassade verkehrssicher ist, gibt es da kaum Möglichkeiten des Eingriffs. Selbst wenn die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben ist, kann die Stadt nur verlangen, dass diese wieder hergestellt wird. Wie das aussehen kann, kann man sehr gut am MC-Donalds-Pavillion am Hbf sehen: Grüne vorgespannte Netze gegen herabfallende Bruchstücke reichen, obschon sie ästhetisch eine Verschlechterung darstellen.
Immobilienbesitzende sind nur sehr, sehr schwer zu irgendetwas zu zwingen. Ich habe verfolgt, welchen Aufwand Städte unternommen haben, um Immobilien zu bearbietem, die eine Gefahr für die Umgebung darstellten und ganze Stadtviertel herunterzogen. Und ich habe mit einem Stadtbaurat mal über Problemimmobilien gesprochen, der mir erzählte, dass er mit Fondsmanagern in Elsewhere, CYM, gesprochen hätte, die zunächst mal googlen mussten, wo denn die Stadt, in der sie eine Immobilie haben, überhaupt liegt ("Oh, it's in Germany. Guess what: I actually assumed it to be in Europe. I am so good, am I?") . Er erzählte auch, dass es manchmal sogar kompliziert sei, herauszufinden, bei wem denn nun genau das Eigentum läge. Und er hat EigentümerInnen, die man überhaupt nicht erreiche, oder die ihn bewusst ghosteten.
Aber selbst, wenn das irgendwie gelänge, die Eigentumhabenden zu erreichen und sie vermittels Engelszungen, Fördertöpfen oder Imperius-Flüchen dazu zu bringen, in ihre Immobilien zu investieren, hülfe das nicht gegen Leerstände. Es gibt im deutschen Recht einfach nicht mal die Spur einer Möglichkeit, jemanden dazu zu zwingen, ein bestimmtes Ladenlokal anzumieten (und auch mit Blick auf die Verfassung wäre es mir recht, wenn das so bleibt), noch kann man den Mietern vorschreiben, was sie mit der gemieteten Fläche anstellen (und auch mit Blick auf die Verfassung wäre es mir recht, wenn das so bleibt). Wenn das Taksim ewig braucht, um zu eröffnen, während das Burgerista seine Deutschlandaktivitäten von jetzt auf gleich komplett einstellt, dann sieht man drei bis vier Hausnummern weiter halt machtlos zu.
Und dann schlage ich mal einen Perspektivwechsel vor: Was wir erleben, ist, dass die rein konsumorientierte Innenstadt reichlich moribund ist. Das wissen eben auch die Immobilienbesitzenden. Besäße ich eine Immobilie am Bohlweg und mein Einzelhandelsmieter kündigte den Vertrag, ich würde gerade nicht das Geld in die Hand nehmen für eine teure Renovierung, ich würde erst einmal abwarten, was nach der konsumorientierten Innenstadt kommt, um mich darauf einzustellen.
Und diese Haltung vertritt sogar die Braunschweig sehr gewogenen Volksbank BraWo (BZ /€) als Eigentümerin des Horten-Hauses (die übigens auf der anderen Seite des Schlossplatzes, auch entlang des Bohlwegs, bekanntermaßen sehr wohl investiert)
Damit dürfte also auch der Druck aus der Bürgerschaft als ziemlich sinnlos herausgestellt sein. Je nach Besitzenden kann es vorkommen, dass dieser Druck nicht einmal ankommt oder nicht als Druck wahrgenommen, sondern als unterschwellig nervig, aber sonst ohne Konsequenzen zu ignorieren. Auf der anderen Seite ist müsste der Druck schon ganz schön hoch sein, damit ich als Eigentümer einen mindestens fünfstelligen Betrag in die Hand nähme, um meine Immobilie aufzuhübschen. Geld, von dem ich nicht weiß, ob es meine Rendite steigert oder vollkommen auffrisst.
Ein Gremium zu bilden bietet nun auch keine neuen Handlungsmöglichkeiten. Oder wie es in Politikkreisen so schön ironsich heißt: "Und wenn Du mal nicht weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis".
Ganz handlungsunfähig ist die Stadt jedoch nicht: Die Stadt kann Rahmenbedingungen schaffen, aber das ist komplex, womöglich teuer und birgt das Risiko der Effektfreiheit und aus genau diesen drei Gründen für einen Wahlkampf gänzlich ungeeignet.
Die Situation werden also, wie gesagt, alle, die sich auf ein politisches Mandat oder ein Amt in der Stadt bewerben, auf dem Schirm haben. Aber sie wissen auch: Mit der Stabiliserung des Bohlweges in den Wahlkampf zu gehen ist nichts weniger als unseriös. (Nur so zum Spaß: Der unter dem Volksbank Brawo verlinkten Artikel enthält eine Idee zum Horten-Gebäude aus einer Masterarbeit einer jungen Architektin. Verfolgt man diese Spur weiter, ist man schnell bei einer kandidierenden Person, womit die Vermutung, die Situation habe 'kein Vertreter' auf dem Schirm, dann auch widerlegt wäre. Das aber ist Zufallswissen meinerseits)
Indes bleibt der Stadt noch eine Handlungsmöglichkeit: Sie selbst ist am Bohlweg ja Eigentümerin des Technischen Rathauses. Natürlich wäre es wünschenswert, dass sie den dortigen Sanierungsstau endlich angeht. Es ist eine realistische Hoffnung, dass das, wenn es klug angegangen wird, auch eine Strahlkraft auf die Umgebung haben kann.
Aber zurück zum Wahlkampf. Der Satz: "Wählt mich und ich baue ein neues Rathaus" könnte schlimmer nach politischem Elfenbeinturm kaum klingen, und Sätze mit dieser Kernaussage, kosten unabhängig von der Formulierung eher Stimmen, als dass sie welche bringen. Als ob das nicht ausreichte, um dieses Thema lieber nicht anzufassen, ist das technische Rathaus durch die Geschichte seiner Sanierungsbemühungen schon ein politisch heißes Eisen, denn letzlich will es sich niemand wegen so einem Randthemas mit potentiellen Koalitionspartnern verscherzen.
Konklusio: Dass das Thema nicht im Wahlkampf auftaucht, erschließt sich mir. Und ich hoffe, ich habe klar gemacht, warum. Dennoch: Wer nicht blind durch die Stadt rennt (was üblicherweise das Todesurteil für eine Kandidatur ist), sieht, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Aber es gibt auch Anlass zur Hoffnung: Während die Sanierung des Rathausanbaus vielleicht gar bald beginnt, zeigt sich mit der Sanierung des Schlosscarees, dass die Gegend noch lange nicht abgeschrieben werden muss. Die Pandemie war ein Beschleuniger für eine Entwicklung, die sich schon vorher abzeichnete: Dass Innenstädte nicht mehr nur nach Konsumlogik funktionieren können. Das traf sicher auch den Bohlweg.
Da ich ein Mensch bin, der versucht, die Chance in der Krise zu sehen, tue ich das auch diesmal: Der Bohlweg rund um das Schloss bietet jetzt bereits Freiräume, die für die Nachnutzung zur Verfüngung stehen, sie sind in dieser Transformation ins Ungewisse also schon einen Schritt vorraus. Und wenn die Akteure rund herum reagieren, dann könnte das dazu führen, dass der Bohlweg als die Keimzelle für diese Transformation fungiert.