Eigene Perspektive auf Urbanismus und Suburbia
Hallo Zusammen,
nachdem ich mich in diesem Forum lange nicht mehr zu Wort gemeldet habe aber fast täglich immer sehr interessiert mitlese, möchte ich mich doch kurz aus eigener Sicht zur Debatte zwischen Urbanisten (Verdichtern) und Suburbanisten (EFH-lern) zu Wort melden. Ich gehöre zu den „glücklichen“ Frankfurtern, die sich noch in den Pionierzeiten des Riedbergs zu einem einigermaßen erträglichen Preis eine DHH zwecks Familiengründung zugelegt haben. Vorher wohnte ich fünfzehn Jahre in einer sehr kleinen ETW in Bockenheim, ich verfüge also über reichlich Frankfurt-Experience auch im Verdichtungsmodus. Beruflich war ich aufgrund meiner akademische Tätigkeit auch phasenweise gezwungen, aus Frankfurt heraus, statt einzupendeln, wie es sonst als Standardsituation angenommen wird (natürlich mit der DB, wobei die maximale Distanz zeitweise bis Hamburg reichte).
Wenn ich hier die Argumente der selbsternannten Urbanisten lese, kann ich kaum glauben, dass diese Erfahrung mit Kindern haben. Es ist meiner Erfahrung nach nämlich nicht möglich Kinder mit einigermaßen gesundem Bewegungsdrang auf einem Gartengrundstück zu halten, welches wie in jetzt in Frankfurt üblich, nur die Größe von einigen nebeneinander gelegten Saunahandtüchern hat. Vor der Tür des Grundstücks lauert auf die Kinder dann entweder die Unfallgefahr durch den immer noch reichlich vorhandenen Bastellenverkehr und den stark angewachsenen Individualverkehr, oder die Nachbarn aus dem benachbarten ETW-Block, die akribisch darüber wachen, dass keine unbefugten Personen auf der Feuerwehrzufahrt mit den Nachbarkindern spielen. Natürlich diese Situation immer noch besser als für viele andere Frankfurter Kinder, deren Eltern nicht der selbstoptimierenden Mittelschicht aus dem Dunstkreis der Banken angehören. Bei der Dressur der Kinder in diesem „urbanistischen“ Umfeld sind ja auch noch die vielen Kitas behilflich, welche die Kinder bereits in frühem Stadium auf die von den Eltern zugedachte Rolle vorbereiten. Eine glückliche Kindheit sieht meines Erachtens anders aus... Insofern kann ich die hier genannten Argumente der selbst-ernannten Urbanisten nicht verstehen. Betrachtet man den sich langsam leerenden Raum in ländlichen Regionen, so wirkt das ganze „Lebensraum-in-Städten-Theater“ noch absurder. Was spricht denn dagegen, dass Familien mit nicht so hohen Einkommen auf dem Lande leben. Bezahlbarer Wohnraum für alle in Städten; immer die Selbe „sozialistische Leier“: Verteilung von künstlich verknappten Gütern durch die, die selbst nichts dazu beitragen, bzw. von denen, die es nicht betrifft. Die Politiker aller Parteien spielen dabei gerne mit. Der Bau von geförderten Mietwohnungen (in FFM meist durch die städtische AGB) ist ein schönes „linke-Tasche-rechte-Tasche-Spiel“ mit dem sich immer noch gut Wählerstimmen fangen lassen. Meine berufliche Erfahrung sagt mir, dass dezentrales Arbeiten heute in einer dienstleistungsorientierten Wissensgesellschaft besser den je, möglich ist. Und ökologische ist es m. E. n. auch sinnvoller in bestehende Gebäude auf dem Land zu ziehen, als weitere meines Erachtens wohnklimatisch katastrophale Styroporklötze in der Einheitssiedlung am Rande der Stadt zu erreichten, selbst wenn man ein gewisses Maß an Pendeln unterstellt.
Ich habe das „Glück“, dass es mich jetzt beruflich an den Niederrhein verschlagen hat. Dort habe ich, am Rande einer größeren Stadt (Ausläufer des Ruhrgebiets), jedoch bereits auf ländlichem Terrain eine sanierungsbedürftige Jugendstilvilla gefunden, die unter Denkmalschutz steht. Es wird mich noch viel Zeit und Geld kosten, dieses Kleinod herzurichten. Aber die Aussicht der architektonischen Tristesse der Frankfurter (Vor-)stadt zu entkommen gibt mir viel Kraft. Endlich ein Haus, das es nur einmal gibt, mit viel Platz für die Kinder davor. Ich werde dem Riedberg und Frankfurt nach mehr als zwanzig Jahren mit zwei lachenden Augen den Rücken kehren.
Ich denke so wie ich werden in Zukunft immer mehr Familien denken. Der Trend zur Stadt wird sich in Zukunft wieder in die Andere Richtung drehen, nachdem „Hipstertum“ und Spekulation ihre Arbeit getan haben. Aber: Suum cuique.