Beiträge von Akademix

    Eigene Perspektive auf Urbanismus und Suburbia

    Hallo Zusammen,


    nachdem ich mich in diesem Forum lange nicht mehr zu Wort gemeldet habe aber fast täglich immer sehr interessiert mitlese, möchte ich mich doch kurz aus eigener Sicht zur Debatte zwischen Urbanisten (Verdichtern) und Suburbanisten (EFH-lern) zu Wort melden. Ich gehöre zu den „glücklichen“ Frankfurtern, die sich noch in den Pionierzeiten des Riedbergs zu einem einigermaßen erträglichen Preis eine DHH zwecks Familiengründung zugelegt haben. Vorher wohnte ich fünfzehn Jahre in einer sehr kleinen ETW in Bockenheim, ich verfüge also über reichlich Frankfurt-Experience auch im Verdichtungsmodus. Beruflich war ich aufgrund meiner akademische Tätigkeit auch phasenweise gezwungen, aus Frankfurt heraus, statt einzupendeln, wie es sonst als Standardsituation angenommen wird (natürlich mit der DB, wobei die maximale Distanz zeitweise bis Hamburg reichte).

    Wenn ich hier die Argumente der selbsternannten Urbanisten lese, kann ich kaum glauben, dass diese Erfahrung mit Kindern haben. Es ist meiner Erfahrung nach nämlich nicht möglich Kinder mit einigermaßen gesundem Bewegungsdrang auf einem Gartengrundstück zu halten, welches wie in jetzt in Frankfurt üblich, nur die Größe von einigen nebeneinander gelegten Saunahandtüchern hat. Vor der Tür des Grundstücks lauert auf die Kinder dann entweder die Unfallgefahr durch den immer noch reichlich vorhandenen Bastellenverkehr und den stark angewachsenen Individualverkehr, oder die Nachbarn aus dem benachbarten ETW-Block, die akribisch darüber wachen, dass keine unbefugten Personen auf der Feuerwehrzufahrt mit den Nachbarkindern spielen. Natürlich diese Situation immer noch besser als für viele andere Frankfurter Kinder, deren Eltern nicht der selbstoptimierenden Mittelschicht aus dem Dunstkreis der Banken angehören. Bei der Dressur der Kinder in diesem „urbanistischen“ Umfeld sind ja auch noch die vielen Kitas behilflich, welche die Kinder bereits in frühem Stadium auf die von den Eltern zugedachte Rolle vorbereiten. Eine glückliche Kindheit sieht meines Erachtens anders aus... Insofern kann ich die hier genannten Argumente der selbst-ernannten Urbanisten nicht verstehen. Betrachtet man den sich langsam leerenden Raum in ländlichen Regionen, so wirkt das ganze „Lebensraum-in-Städten-Theater“ noch absurder. Was spricht denn dagegen, dass Familien mit nicht so hohen Einkommen auf dem Lande leben. Bezahlbarer Wohnraum für alle in Städten; immer die Selbe „sozialistische Leier“: Verteilung von künstlich verknappten Gütern durch die, die selbst nichts dazu beitragen, bzw. von denen, die es nicht betrifft. Die Politiker aller Parteien spielen dabei gerne mit. Der Bau von geförderten Mietwohnungen (in FFM meist durch die städtische AGB) ist ein schönes „linke-Tasche-rechte-Tasche-Spiel“ mit dem sich immer noch gut Wählerstimmen fangen lassen. Meine berufliche Erfahrung sagt mir, dass dezentrales Arbeiten heute in einer dienstleistungsorientierten Wissensgesellschaft besser den je, möglich ist. Und ökologische ist es m. E. n. auch sinnvoller in bestehende Gebäude auf dem Land zu ziehen, als weitere meines Erachtens wohnklimatisch katastrophale Styroporklötze in der Einheitssiedlung am Rande der Stadt zu erreichten, selbst wenn man ein gewisses Maß an Pendeln unterstellt.
    Ich habe das „Glück“, dass es mich jetzt beruflich an den Niederrhein verschlagen hat. Dort habe ich, am Rande einer größeren Stadt (Ausläufer des Ruhrgebiets), jedoch bereits auf ländlichem Terrain eine sanierungsbedürftige Jugendstilvilla gefunden, die unter Denkmalschutz steht. Es wird mich noch viel Zeit und Geld kosten, dieses Kleinod herzurichten. Aber die Aussicht der architektonischen Tristesse der Frankfurter (Vor-)stadt zu entkommen gibt mir viel Kraft. Endlich ein Haus, das es nur einmal gibt, mit viel Platz für die Kinder davor. Ich werde dem Riedberg und Frankfurt nach mehr als zwanzig Jahren mit zwei lachenden Augen den Rücken kehren.


    Ich denke so wie ich werden in Zukunft immer mehr Familien denken. Der Trend zur Stadt wird sich in Zukunft wieder in die Andere Richtung drehen, nachdem „Hipstertum“ und Spekulation ihre Arbeit getan haben. Aber: Suum cuique.

    Ortskundiger Städtebaunörgler...

    Als mittlerweile mehrjähriger Bewohner des Riedbergs (ich habe meine vier Wände zusammen mit dem zugehörigen rationierten Grund exakt in der Boomtown-Epoche - siehe Tabelle oben - des Riedbergs erworben) muss ich dem Autor des Welt-Artikels jedoch in mancher Hinsicht beipflichten.


    Wenn man unvorbereitet auf den Riedberg kommt, so meint man als architekturaffiner Mensch in einer Reinkarnation der 60er- und 70er-Jahre Stadtplanung angekommen zu sein. Weiß-graue Klötzchen mit einigen bunten Farbklecksen, wohin das Auge blickt. Eine Uniformität die an amerikanische Siedlungen erinnert. Ein zentrales Einkaufs-zentrum mit einigen wenigen sozialen Aufenthaltsorten (Gaststätten, Läden, Praxen, etc.). Schnurgerade Straßen und eine für die Stadtrandlage extrem dichte Bebauung, tun ein Übriges um diesen Eindruck zu verfestigen. Insbesondere eine Fahrt mit der U8 auf der Riedbergallee zwischen den (Billig-)Wohnblöcken des schwedischen Staatskonzerns NCC kann einem schon den Spaß am gepriesenen Neubaugebiet verderben. Wenn sich dann noch, - so wie ich es miterlebt habe -, ursprünglich freie Wiesen und Äcker mit umfänglichem „Geschosswohnungsbau“ füllen und der Rest unversiegelter Fläche mit Betonverbundsteinen gefüllt wird, damit die von „Amtswegen“ vorgesehenen Parkplätze entstehen können, fragt man sich schon, was mit dem scheinbar in den 80er- und 90er-Jahren vollzogenen Paradigmenwechsel im Wohnungsbau und in der Stadtplanung geschehen ist, der doch von den „Grünen“ so vehement eingefordert wurde.


    Einige Hoffnungsträger sind trotz vieler Enttäuschungen dennoch zu vermelden: die Architektur des Riedbergzentrums, das Gymnasium und die Neubauten der Goethe-Uni. Weitere recht erträgliche Bauten (Office Lab, Riedberg Bel Air, Sun Base, etc.) mildern den Gram über die Eintönigkeit etwas. Auch spendet die recht liebevoll gepflegte und weiterentwickelte Grünanlage des Wohngebiets mit zunehmendem Wachstum der Vegetation Trost. Eine zukünftige, zwecks Revenue-Management, ins höhere Preissegment zielende Entwicklung der Bebauung letzter Flächen, lässt auf eine weitere positive Entwicklung hoffen. Auch ist die sonstige Infrastruktur (Schulen, Kitas) gemessen an einer städtischen Randlage hervorragend ausgebildet und trägt somit zur Lebensqualität bei. Dennoch droht immer noch, - Dank in Deutschland proklamierter und von Politikern für sich vereinnahmter städtischer Wohnungsnot -, weitere Verdichtung und damit der Weg „further back into the seventies“.

    Herr Hopp will schon ein Fass aufmachen...

    Nach einem Bericht der FAZ von gestern ist schon mit einem fassförmigen Aufbau auf dem Nachfolgebau des Henninger Turms zu rechnen. Die Frage ist nur, ob sich das Restaurant darin um die eigene Achse drehen wird, oder nicht. Ansonsten möchte ich auch darauf verweisen, dass der beste Aussichtsturm mit Blick auf die Skyline Frankfurts der "Ginnheimer Spagel" aka. "Europaturm" ist. Ich war mal Anfang der 90er da oben in einer Diskothek namens "Windows". Die Frage warum dieser Turm nicht mehr für Gastronomie nutzbar ist stellt sich eher, wird aber in diesem Beitag der FAZ beantwortet. Eine ähnliche Diskussion gibt es übrigens auch zum Hamburger Heinrich-Herz-Turm aka. "Telemichel". Auch hier ist die Deutsche Telekom nicht gerade erpicht einen Gastronomen zu finden (direkter Aufruf des zuletzt verlinkten Artikels beim Hamburger Abendblatt nur durch googlen der Überschrift möglich ;-().


    Auch wenn ich mich wiederhole, ich verstehe die Diskussion um den Henninger Turm nicht, das Ding ist potthässlich. Die hier zuletzt präsentierten Bilder sprechen meines Erachtens für sich.

    Wenn man sich die Synagogen und jüdischen Museumsbauten der letzten zehn Jahre in Deutschland ansieht so ist das Ergebnis des Wettbewerbs nicht verwunderlich. Hier einige Beispiele:


    Ulm 2012


    Hannover 2011


    Mainz 2010


    Bochum 2008


    Gelsenkirchen 2007


    München 2006


    Dresden 2001


    Warum es fast immer ein bunkerartiger Kubus mit kleinen Lichteinlässen sein muss erschließt sich mir nicht. Die Düsternis der Architektur als wohlig schaurige Reminiszenz an die Shoah oder Gründe die aus der traditionellen religiösen Geschichte stammen? Das erschließt sich mir nicht ganz...

    Chinesisches Reißbrett

    In der Tat, beim Anblick des Europaviertels fällt mir aus ästhetischen Gesichtspunkten auch nichts mehr ein. Irgendwie drängt sich mir der Eindruck auf es handelt sich um eine europäisierte Version der Reißbrettplanung, welche für die chinesischen Megastädte üblich ist. Ich möchte mir gar nicht vorstellen wie das ganze in zwanzig Jahren wirkt.
    Bemerkenswert ist auch wie das mittelerweile ubiquitäre BWL-er Kalkül Hand-in-Hand mit dem sozial(istisch) angehauchten Erbe eines Ernst May geht (selbst seinen Auftragebern der UdSSR waren seine extrem reduzierten Entwürfe zu unprätentiös).

    Wenn man bereits heute durch das angrenzende Gebiet "Uni-Viertel-Riedberg" läuft, wird man sehen, dass man hier von einem "Lerchesberg II" weit entfernt ist. Eher kann bei der hier vorgesehenen Verdichtung und dem beabsichtigten Baustil von einer "Nordweststadt II" sprechen. Ich kann wirklich den "Sozialneid" nicht verstehen, der hier in der Kritik zur Geltung kommt, wenn die Planer einmal ein paar Einfamilienhäuser und DHHs einstreuen um nicht ganz im Geschosswohnungsbau zu enden. Man muss sich auch vor Augen führen, dass der Riedberg bisher Ackerland in Stadtrandlage war. Was will man den hier noch weiter künstlich an "städtischer" Verdichtung produzieren, man hat ja schon Nachverdichtet.

    Eichenholz

    Seltsam, die Stadt Aschaffenburg selbst spricht auf ihrere Webseite von Eichenholz. (Sollte etwa die einschlägige Website irren?). Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, das Gegner der Rekonstruktion anführten, dass es hier zu statischen Problem kommen könnte, die eine kostspielige Sanierung nötig machen würden wie am Frankfurter Römer :-).

    Ich finde die hier kontrovers geführte Diskussion sehr interessant und möchte meine Erfahrung aus Bewohnersicht eines der von „tunnelklick“ aufgezählten Neubaugebiete beitragen:


    In der Tat weisen DHHs oder Reihenhäuser mit Garten eine sehr hohe Attraktivität für „junge Familien“ auf. Es ist genau die Sorte von Wohneigentum, die in FFM kaum erhältlich und zu bezahlen ist. Ich kenne sogar einen Fall in meiner Umgebung, bei dem eine junge Familie eine neu erworbenen Penthousewohnung mit Skylineblick aufgegeben hat, um für einen ebenfalls sündhaften Preis die eigenen vier Wände mit einem Stückchen Rasen davor zu erwerben und darauf den „Junior“ spielen zu sehen.


    So und jetzt zum Allgemeinen: Ich kann der Argumentation von „tunnelklick“ nur beipflichten. Was bedeutet „bezahlbarer Wohnraum“? Gibt es ein Recht auf „bezahlbaren Wohnraum“ in Deutschland? Staatlich subventionierter Wohnungsbau in erheblichem Umfang, ist (oder besser war) ja, eine typisch deutsche Angelegenheit. Meines Erachtens müssen nicht alle in den extremen Verdichtungszonen der Ballungsgebiete wohnen. Für die einkommensschwächeren ist nun mal die Peripherie eine vernünftige und bezahlbare Alternative. Man will doch gerade die „einkommensstärkeren“ wieder in die Städte zurückholen nachdem in den letzten zwei Jahrzehnten eine Stadtflucht stattgefunden hat und eine gewisse soziale Verödung in den stadtnahen und innerstädtischen Gebieten eingesetzt hat. Abstoßenden Geschosswohnungsbau aus den 60ern und 70ern gibt es in FFM doch wirklich zur Genüge. Um nur einige Quartiere zu nennen: Niederrad, Nordweststadt oder Frankfurter Berg und Bonames um ein Extrem zu nennen. Hier lässt sich sicherlich auch noch bezahlbarer Wohnraum finden...

    Selbst wenn man behauptet, heute könnte man verdichtete Quartiere so bauen, dass eine gewisse soziale Abwärtsspirale im Laufe der Zeit nicht eintritt, ich glaube nicht daran. Zu hohe soziale Dichte wird nun mal als negativ empfunden: Wer es sich leisten kann flieht aus dieser Dichte, wenn die Bausubstanz in die Jahre kommt und schäbig wird. Die einzigen verdichteten Quartiere mit hohem Wohnwert (aufgrund der wertigen Bausubstanz), die ich kenne sind Gründerzeitquartiere, und auch diese waren in den 60ern und 70ern vor ihrer „Generalsanierung“ extrem unpopulär.


    So, das ist erst mal genug, auf Schmittchens Grünflächenkritik komme ich in einem separaten Beitrag zurück.

    Philosophikum / Bockenheim Syndrom

    Also jetzt muss ich mich bezüglich des Philosophikums und des Bockenheim-Syndroms doch einmal zu Wort melden:


    Zunächst zu der immer behaupteten Gentrifizierung von Bockenheim:


    In meiner Wahrnehmung hat in Bockenheim seit ca. 10 Jahren, also ziemlich genau mit dem Beginn des Weggangs der Uni ins Westend, eine kräftige Degentrifizierung stattgefunden. Die soziale Mischung im Quartier stimmt meines Erachtens leider überhaupt nicht mehr... Um heftigen Kommentaren vorzubeugen: ich weiß wovon ich rede. Ich habe seit 1992 18 Jahre im durchaus kleinbürgerlich geprägten Bockenheim gewohnt und bin erst 2010 "zwecks Familie" weggezogen. Ich komme aber immer noch regelmäßig nach Bockenheim. Als Wahlbockenheimer möchte ich gerne mal wissen, wo sich all die gentrifizierten Bewohner von Bockenheim herumtreiben ;-).


    Daher halte ich es nur für positiv, wenn jetzt tatsächlich an einigen Stellen hochpreisige Immobilien entstehen, wie beispielsweise in der Jordanstraße, und damit wieder zahlungskräftige Bewohner ins Viertel kommen. Damit wird hoffentlich eine Regentrifizierung von Bockenheim eingeleitet. Hier wird von vielen meines Erachtens der durch die Rückkehr des Bürgertums in die Städte induzierte allgemeine Anstieg der Mieten mit Gentrifizierung verwechselt. Aber mit einer Entwicklung, wie sie beispielsweise im Nordend stattfindet, hat Bockenheim nichts am Hut.


    Zum Philosophikum: Ich haben den Bau schon seit meiner Ankunft in Bockenheim als exorbitant hässlich empfunden. Damals war der Bau ja noch im vollen Uni-Betrieb (auch damals schon mit blinden Fensterscheiben). Die Kramer-Bauweise mag durchaus einige interessante Details und Überlegungen aufweisen, aber allein die autistische Positionierung des kramer’schen Riegels ist ein Zeitdokument das anderenorts verbittert verfemt würde. Ich kann mir die Begeisterung für das kramersche’ Werk nur aus einer 68-er Nostalgie für sozial(demokratisch) ideologisiertes Bauen erklären. Neben der Bewunderung für Kramer ist mir der May-Hype ebenfalls ein Rätsel. Manchmal habe ich den Verdacht, dass hier betriebs-wirtschaftlich zweckmäßiges und anspruchsloses Bauen in Frankfurt einfach nur mit einem kulturellen Anstrich verbrämt werden soll.

    Bezugnehmend auf die Antworten zu meiner oben geäußerten, - zugegebenermaßen etwas polemische Kritik -, am Europaviertel fällt mir Folgendes auf:
    In vielen Antwortbeiträgen wird auf die noch kommende Entwicklung des Viertels verwiesen. In der Tat befindet sich das Europaviertel im wortwörtlichen Sinne im Aufbau. Dennoch ist die zukünftige Gestalt des Viertels mit etwas Fantasie ja bereits jetzt schon gut zu erkennen. Auslöser für meine Kritik war somit auch der Beitrag #455 von Schmittchen in dem verlautbart wurde, dass alle Baufelder im Quartier „Boulevard West“ und 80% des Nettobaulands im Europaviertel West vermarktet sind. Die Gestalt des Viertels ist nun somit auf viele Jahre festgeschrieben und wird nun in seiner Gleichförmigkeit lange erhalten bleiben. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang immer die Tatsache, dass diverse Forenteilnehmer auf Veränderung der Struktur und auf zukünftige Leuchtturmprojekte (bspw. Das Grand Hyatt) in Zukunft setzen. Warum die Leuchtturmprojekte nicht gleich und eine Vielzahl davon?


    Um im Einzelnen auf die Einwände der verschiedenen Forenteilnehmer zu antworten sei folgendes gesagt:


    tunnelklick:
    In der Tat, ich halte die Planer des Ben-Gurion-Rings als wesensverwandt mit denen des Europaviertels (und vielleicht sogar noch mehr mit denen am Riedberg). Auch der Ben-Gurion-Ring wurde seinerzeit als State-of-the-Art-Projekt der Stadtplanung entworfen und durchgeführt. Sicherlich galten damals andere stadtplanerische Paradigmen. So galt weniger eine Bockrandbebauung als Mittel der Wahl, sondern es wurde eine durch weitläufiges Grün aufgelockerte Riegelbauweise bevorzugt. Hier wirkte wohl der Stadtplanungsgedanke der 50er- und 60er-Jahre nach. Dennoch darf man sich durch die geänderte Formensprache nicht täuschen lassen (kein Waschbeton, dafür großflächiger weißer Putz und unter Umständen Natursteinfassaden). Die so gut wie nicht durch die diversen Stilmittel der Architektur aufgelöste großflächige (Block-)Struktur der Bauten sind das Problem und hier sehe ich tatsächlich viele Analogien zwischen dem Ben-Gurion-Ring und dem Europaviertel.


    RMA:
    Natürlich gibt es in HH auch viele Bausünden der 70er-Jahre. Die großen teilweise noch vollkommen intakten Gründerzeitviertel in HH lassen dies den Betrachter jedoch besser ertragen, als dies im vom monotonen und ahistorischen Wiederaufbau der 50er- und 60er-Jahre geprägten Frankfurt der Fall ist. Bezüglich kontemporärer Architektur finden sich beispielweise in der Hafencity von der Formensprache her gesehen viel mutigere Entwürfe, als dies in den Neubauvierteln von FFM der Fall ist. Im Europaviertel beispielsweise dominiert über weite Strecken die planerische Mutlosigkeit der Entwickler und der ästhetische Kleingeist der Investoren (frei nach dem zuvor genannten Gewinnoptimierungsgedanken) in den Entwürfen. Von der architektonischen Belanglosigkeit des Riedbergs wollen wir hier erst gar nicht sprechen.


    richman2:
    Hier in einem Neubauviertel auf Fassadenerneuerung im Sinne eines organischen weiteren Entwicklungsprozesses zu setzen ist schon eine recht skurrile Angelegenheit. Was soll sich den hier noch entwickeln. Die Strukturen sind geschaffen und werden sich in absehbarer Zeit nicht verändern.


    FrankfurterBub:
    Die hier errichteten Bauten werden in der Tat ihre Patina bekommen. Insbesondere die vielen weißen „Styroporfassaden“ werden bald ein Eigenleben entfalten. Ich befürchte jedoch, dass die Entwicklung dieser Fassaden mangels Dachüberstand mehr in die Richtung „Nässeflecken auf Waschbeton“ geht. Der Vergleich mit der Frankfurter bzw. Karl-Marx-Allee in Berlin ist gar nicht so falsch. Diese verfügt über einen Grünstreifen der meines Erachtens auch noch breiter ist als der des Europaboulevards, allerdings lässt die Frankfurter- und Karl-Marx-Allee mehr architektonischen Gestaltungswillen erkennen wie der Europaboulevard. Wer hätte das gedacht, dass einmal kapitalistischer Wohnungsbau in unserem „pluralistischen System“ mehr Eintönigkeit produziert als sozialistische Zentralplanung.


    Zum Schluss möchte ich auch aus meiner Sicht beantworten wie man es hätte besser machen können:


    Wie bereits gesagt wurden viele Chancen vertan, eine dieser Chancen wäre die in 2009 abgesagte IBA im Rhein-Main-Gebiet gewesen. Hier hätten im Rahmen der Veranstaltung sowohl junge ambitionierte als auch renommierte etablierte Architekten in die Planung mit einbeziehen können und Leuchttürme schaffen können. Zudem hätte man dem Projektentwickler einen künstlerischen Beirat zu Seite stellen können. So wie es jetzt aussieht, ist das Projekt Europaviertel leider ein Zeugnis bürokratischer Einfallslosigkeit.

    Gute Nachrichten! Jetzt darf man auf einen diesmal vielleicht innovativen Wohnhochhaus-Entwurf rechnen. Laut meiner Rechnung gibt es da nur noch ein Filetgrundstück für Wohnhochhausbebauung und zwar am Boulevard Mitte. Dann noch 4 Standorte für Bürohochhäuser.


    Die Hoffnung wird vermutlich vergebens sein. Zu diesem Schluss kann man zumindest kommen, wenn man sich die bisher realisierten und geplanten Projekte hier ansieht. Insgesamt muss ich für meinen Teil das Resümee ziehen, dass das Europaviertel ein abschreckendes Beispiel für die geplante Entwicklung eines umfangreichen "urbanen" Neubauviertels ist. Hier wurde eine Riesenchance vertan. Unter dem Deckmäntelchen der Einheitlichkeit zusammen mit den "Wunderkonzept" Blockrandbebauung wurden hier Massenquartiere für die "Mittelklasse" geschaffen. Wenn man die hier verwendete Architektursprache sieht, wünscht man sich sogar die sonst so verfemten 70er Jahre zurück. Im Europaviertel kommt in erster Linie nur eins zum Ausdruck: Der Wille zur Profitmaximierung als "Allianz der Willigen" von Stadt, Quartierplanern und Investoren. Dies ist schließlich auch eine Frankfurter Generaltugend. Ein Bürgertum, welches darüber wacht, dass auch die Ästhetik und das Renommee der Stadt voran getrieben wird, gibt es in FFM nicht. Die wird mir umso schmerzlicher bewusst, wenn man wie ich zurzeit wöchentlich zwischen Hamburg und FFM pendelt. Dort gibt es viele Beispiele dafür wie man es anders machen könnte. Ich habe die Hoffnung auf eine innovative und wertige Architektursprache in FFM aufgegeben. Zusammenfassend: No, they can't.


    In der Tat – die Planen sind gefallen, endlich! :)
    ...
    Dort gibt es auch diverse andere interessante Informationen, so auch dass die Wiedereröffnung am (oder wie es dort steht: "ab") 01.09.2012 stattfinden soll.


    Das bedeutet, dass der Palmengarten ziemlich genau zehn Jahre nach seiner Schliessung wieder eröffnert wird (siehe hier). Das sind wahrlich Frankfurter Planungsdimensionen. Ich hatte 2001 noch das Vergnügen den Festssaal in seiner alten Form im Zuge der Absolventenfeier der Goethe-Universität zu erleben. Der bot schon ein trauriges Bild, ließ aber noch die alte Pracht erahnen. Sicher wird die neue Version sehr schön werden, dennoch sind zehn Jahre Renovierungszeit für eine solchen Saal in einer Stadt, die wenig vergleichbare Veranstaltungsorte zu bieten hat, wirklich eine peinliche Angelegenheit.

    An der Friedrichstraße 64, wo vormals die Villa Hirsch war (Foto), ist der neue Bau im Endspurt. Letztes Bilderupdate an dieser Stelle.


    Der Nachfolgebau der Villa Hirsch nimmt eine erstaunliche Wendung. Der Bau stellt sich als eine vollständige Gründerzeitreplik heraus mit Masswerk-Gewänden. Das ist meines Wissens seit ca. 15 Jahren ein Novum in FFM, wenn man von der "historischen" Wiedererrichtung abgerissener Altbauten absieht. Hier leider nur schemenhaft zu erkennen:



    Ich kann mich nur dunkel erinnern, dass der (un)selige Utz Scheider so etwas Anfang der 90ziger in FFM praktiziert hat. Ich bin mal gespannt ob sich dieser Trend im hochpreisigen Segment fortsetzt.


    Zum Vorbeitrag von Robbi: Ich bin heute auf meinem Streifzug ins Westend auch an der Myliusstraße 11-15 vorbeigelaufen und hatte den Gedanken, dass diese Vorhaben ein schönes Ensemble ergeben könnte.

    ^Hier eine aktuelle Rückansicht der TRITON-Fassade. Ich muss mich meinen Vorrednern anschliessen. Recht öde, da war der Vorgänger fast schon origineller:


    http://logatron.wiwi.uni-frank…oad/Archi/Triton-305s.jpg


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    Schräge Urbanität

    Tut mir leid aber ich kann diese Argumentation überhaupt nicht nachvollziehen,
    gerade der Riedberg erreicht mit seiner zentralen Bebauung die Dichte eines Gründerzeitviertels (wie beispielsweise Bockenheim) und darüber hinaus. Die Dichte erzeugt hohen sozialen Stress, den dann nur noch wenig priviliegerte ertragen wollen. Die hier vorgetragene Idealvorstellung von Urbanität ist schon recht schräg. Sowas kann m.E.n. nur jemand schreiben, der noch nicht an solchen Orten gelebt hat.

    Ein weiteres hier noch nicht erwähntes Projekt auf dem Riedberg hat bereits begonnen. Das von den DHH in der Konrad-Zuse-Strasse und dem Magarethenhof (Am Magarethenzehnten) bekannte Bauunternehmen Krieger & Schramm baut auf dem Grundstück zwischen dem YOUNIQ Studentewohnheim und der Riedbergallee ein viergeschossiges Appartementhaus (ETWs) mit einen Staffelgeschoss darüber. Der Titel des Projekts ist RiedbergAlleen. Die Architekten des Komplexes sind Earlybirds Frankfurt welche auch schon für den Margarethenhof verantwortlich zeichen. (Dieser nähert sich gerade in der für Krieger & Schramm charakteristischen Gemächlichkeit seiner endgültigen Fertigstellung). Ein erste Visualisierung des Projekts findet sich hier.

    Lebt doch gerade diese frühmoderne Fassade von ihren Proportionen, werden die nun tiefer eingeschnitten wirkenden Fenster ihre ursprüngliche Wirkung völlig versauen. Da kann man eigentlich gleich abreißen. Anscheinend macht dieser dümmliche Wahn vor nichts mehr halt, wenn sowas nun schon bei hochkarätigen Denkmälern wie in der Braubachstraße möglich ist.


    Leider muss ich RMA bei der Betrachtung der Fotos der wärmegedämmten Fassade recht geben. Die ästhetische Wirkung des Gebäudes ist grotesk verzerrt.


    Auch bei aktuellen Bauten führt die Wärmedämmung bisher immer zu suboptimalen Ergebnissen. Ich kann die ganzen "Pseudobauhausgebäude in Styropormantel" so wie sie auf dem Riedberg und im Europaviertel praktiziert werden, nicht mehr sehen. Meines Erachtens werden diese Gebäude in einigen Jahren mit etwas "Patina" sogar hinter die Betonästhetik der 70er zurückfallen. Die Anmutung der "Styroporfassaden mit Putzglasur" liegt für mich immer zwischen 40er-Jahre-Bunker und amerikanischem Billigbau.