Beiträge von Baukunst

    Reinhard
    Phoenix im Sand, ja richtig! Die gemordete Stadt ist jedoch zum Verständnis die Grundlage, denn die "Ermordung" hat ja so wenig an historischer Substanz übrig gelassen, dass dieses Werk erst mal von jedem Berufskritiker jeglicher Rekonstruktionen gelesen werden sollte.


    Moderation: Etwas weniger Chat bitte, dazu gibt es die PN-Funktion. Danke
    Bato

    ^^
    Danke Reinhard, dass Sie das Warschauer Königsschloss als Beispiel nehmen. Wir könnten von den Polen ne Menge lernen!! Marion Dönhoff (wer es nicht mehr weiß: ehem. Zeit-Herausgeberin) hat in den 1950er Jahren den damaligen Polnischen Außenminister gefragt, warum das Königsschloss aufgebaut wird, wo es doch eigentlich viel dringendere Aufgaben gäbe (Polen hatte auch Millionen Heimatvertriebene usw.). Darauf soll dieser entgegnet haben: "Madame, Sie wissen ja nicht, was für eine Bedeutung Geschichte für uns Polen hat." Tja, das ist mal ein Argument! In unserem (west-)deutschen Masochismus und Selbsthass geht das nicht, da Geschichte ja "nur" 33-45 umfasst.
    Aber es gibt noch einen Unterschied zwischen Dresden und Berlin, auch wenn er politisch nicht korrekt ist: Dresden ist ne Bürgerstadt, in der sich trotz Sozialismus das Bürgertum gehalten hat, Berlin war traditionell immer eine proletarische Stadt, die sich von dem Aderlass der Intelligenzia in der Nachkriegszeit nie mehr erholt hat. Zudem kamen soviele antibürgerliche Menschen in die Stadt, dass es heute praktisch kein Bürgertum mehr gibt (und wenn dann öko oder links), das sich mit Stadtästhetik ernsthaft auseinandersetzt und bereit ist, zu spenden.

    Das Rendering, das "der Praktikant in ner halben Stunde" zusammengeschustert hat, scheint den Investor für seine Öffentlichkeitsarbeit überzeugt zu haben. Warum sonst sollte man sie der Presse geben? Der Investor steht zu diesem Ding und hält es wohl gar nicht für nötig, einen ausgereiften, detailreicheren Entwurf zu veröffentlichen. Warum wohl? Nun, dem (sorry) prolligen Konsumvieh wirds scheißegal sein! Hauptsache geil Schnäppchen und prügeln, wenn nachts um eins die Eröffnung stattfindet!
    So gesehen sagen diese beiden Bildchen sehr wohl schon ne Menge aus, eben gerade in ihrer (bewussten?) Verschwommenheit. Ich wette, in natura wirds viel schlimmer.
    Bei meinem Wunsch nach kritischer Rekonstruktion habe ich zugegebenerweise außer Acht gelassen, dass es natürlich auch tolle Glasgebäude gibt (z.B. Nouvels Laffayette), es muss in der Tat nicht immer ne Steinfassade sein. Aber die Kubatur ist eben auch entscheidend. Das versetzte Obergeschoss tötet doch jeden harmonischen Ansatz, der in der wieder aufzubauenden ALTSTADT dringend geboten wäre. Manchmal hab ich das Gefühl, die Zerstörung Berlins ist vergessen und die jetzige Altstadt(nicht)bebauung gottgegeben, so dass man sich hier wie in LaDefense austoben könnte. Isset aba nich, liebe Planer und Investoren!

    Ein herrlicher Artikel, zwar rechtschreibmäßig nicht sauber lektoriert, aber wirklich gut zu lesen. Was in München besonders traurig ist, ist dass das Westend einmalig war. Selbst Sendling war immer viel bürgerlicher. Tja, Münchner, jetzt gibts bald gar kein richtiges Großstadtviertel mehr, wenn das Westend "pöbelrein" ist. Müsst Ihr eben nach Hamburg, Berlin, Köln oder FFM fahren, um Euch ein echtes Arbeiterviertel anzuschauen :)

    Muss zu dem Rendering mal ganz unqualifiziert sagen: buuäh!! Billig, trashig, prollig - passt so gesehen wunderbar zum Alex! Immer dasselbe mit Sauerbruch & Hutton. Bloß weil sie das schöne GSW-Hochhaus gebaut haben, scheint es mir, als besäßen sie einen unkritisierbaren Star-Status. Und dieses versetzte Obergeschoss machts nur schlimmer. An dieser Stelle wäre eher etwas wertiges mit Steinfassade wie die Behrensbauten angebracht gewesen. Schon der gegenüberliegende Cubix-Würfel ist so´n billiges Teil, Tschoban hin oder her. Naja, vertane Chance...
    Aber dass die Diskussion nicht zielführend ist, Kent, kann ich nicht behaupten. Denn die Frage ist doch, ob der DDR-Städtebau in seiner Maßstäblichkeit weitergeht oder ob hier kritisch rekonstruiert wird. Mit diesem Rendering haben wir eine erste Antwort richtung DDR 2.0 !

    ^^
    bayer trifft den Nagel auf den Kopf. Es geht rein um die Ästhetik, nicht um die Ideologie. Wenn man eine unpassend ins Stadtbild geklotzte Platte abreisst, kommen immer gleich die "Retter des Ostens", um darin eine imperialistische Tat des bösen Westens zu sehen. Gibt es auch "Retter des Westens", wenn in Recklinghausen ein Betonmonstrum abgerissen wird? Da könnte man genauso argumentieren - Lebensgefühl im westdeutschland der 70er Jahre. Tut nur keiner, was vernünftig ist, warum nur im Osten? Da gibt es wahrlich besserers zu verteidigen als die Architektur ab 1960.

    Isek, bevor die S7 nach Geretsried fährt, fällt eher ein Sonntag auf den Montag! Argwöhnisch missgünstig wird Wolfratshausen zu verhindern wissen, dass Geretsried noch mehr Schub bekommt. Hintergrundstory: Wolfratshausen gibt es seit ca. 1000 Jahren, Geretsried hingegen bestand im Krieg nur aus einer Munitionsfabrik. Durch Flüchtlinge (vor allem Sudetendeutsche) mit unendlichem Fleiß nach dem Krieg aufgebaut, wurde Geretsried sogar früher Stadt als Wolfratshausen. Das nervt die dort natürlich...
    Zumal die S-Bahn noch immer ab Höllrigelskreuth (Grenze Innenring) eingleisig verkehrt. Die würden mit dem Takt gar nicht klar kommen, da es kaum Stellen gibt, wo sich entgegenkommende S-Bahnen ausweichen können.

    Cool, eine 20er/30er Jahre Feuerwache :)
    Es gibt doch einen kleinen Trend, Bürobauten als pseudo-ehemalige Industriebauten zu entwerfen. Dieses hier, dann in München die "Mediafabrik" am Südring, in Berlin in der Helmholtzstraße (hab leider keine Fotos). Euch werden weitere Beispiele einfallen. Soll wohl ein urbanes Loftfeeling vermitteln. Egal. Gefällt.

    LugPaj: Tja bzgl. Tucherpark ist "der Kas bissen" ;) Weite Teile kommen in die Denkmalliste.... Der Name Sep Ruf machts möglich.


    bayer: gebürtige Bayern sind tatsächlich die wenigsten Münchner. Das beweist auch, dass die meisten wegen der Arbeit kommen. Ist ja auch ne phänomenal gute Jobsituation. Fahr mal Freitag Mittag auf der A9 Richtung Nürnberg. Da ist der halbe Osten auf dem Weg nach Hause.
    Was die "Weltstadt" München wirklich (wieder) braucht, sind Viertel mit einer interessanten Mischung, so à la im Vorderhaus der Professor, im Hinterhaus der Handwerker. Sowas war bis vor wenigen Jahren noch im Westend anzutreffen, welches sich aber mittlerweile eher zu nem alternativen "linken" Viertel gemausert hat - also auch ne Art der Gentrifizierung stattgefunden hat - , rapide verschwindend in Haidhausen und bis heute noch vorhanden in Sendling, welches meiner Meinung nach damit städtischer, ehrlicher und deswegen auch urbaner ist als etwa Schwabing mit seinen gleichförmigen SUV-Latte-Macchiato-Sonnenbrillen-Lemmingen.


    Ganz wichtig, schon für die Optik, ist eine verstärkte Hinwendung zum Blockrand, weg vom Zeilenbau mit Abstandsgrün - diese Zeiten sollten vorbei sein! Anbieten würde sich etwa der lange Streifen der Landsberger Straße zwischen Laim und Friedenheimer Brücke. Außer Puffs gibts dort bisher nicht viel. Ebenfalls interessant - der Vorschlag wurde auch schon mal hier irgendwo angesprochen - wäre eine Überbauung des Finanzamt-Areals an der Mars-/ Arnulfstraße. Dann fällt mir noch die Hansastraße ein, auch hier könnte stadtnah viel Wohnraum entstehen.

    ok, um LugPaj nicht zu reizen und zurück zum Thema zu kommen, sei mir noch eine letzte Bemerkung erlaubt: Das mit der Arbeit ist wirklich ein Punkt, warum keiner abends unter der Woche auf der Straße ist! Aber in Köln gibts auch Arbeit, vor allem viele Medienfuzzis, dennoch sind die Kneipen der Altstadt praktisch immer voll. Hier ist´s wohl ne Mischung aus beidem - Arbeit und Münchner Mentalität...

    Es ist wie timovic sagt: Bewohner von Innenstadt-Luxuslofts wollen keine Urbanität. Lieber nen privaten Sicherheitsdienst, der den Pöbel fernhält. Vor allem leben solche Leute eh nur 4-5 Jahre in München - in das sie ausschließlich aus Karrieregründen gekommen sind - und ziehen danach eben weiter nach Düsseldorf oder sonst wohin, wo der persönliche berufliche Aufstieg weitergeht. Ein "Kiez" entsteht durch Bewohner, die einem Viertel über lange Jahre ein Gepräge geben. Beispiel Berlin: Deshalb ist Kreuzberg ein echter Kiez und Prenzlauer Berg eben nicht!
    bayer hat etwas weiter oben von Münchens Attraktivität gesprochen und dass deswegen soviele Leute kommen. Im Prinzip schon, aber die JOBS sind das Attraktive, sicher nicht das urbane Leben hier, das musst du doch zugeben, bayer :) Eine interessante Feststellung von dir, bayer, ist dass der BAYER (der natürlich nix deutsches hat, nein schon klar, eher was vom Norditaliener, haha) als solcher lieber Wiesen und Berge mag. Denn diese Stadtflucht, die jedes Wochenende in München stattfindet - jeder Berg ist im Sommer voller als der Stachus - ist sicher auch ein Grund für die mangelnde Urbanität der Stadt. Meine These ist, dass vergleichbare Städte mit nicht ganz so toller Umgebung wesentlich urbaner sind, da die Leute es sich IN ihrer Stadt nett machen (Köln z.B.!), wohingegen der Münchner rausfährt und die Stadt zum arbeiten und einkaufen nutzt, aber ein mehr an Urbanität eigentlich gar nicht braucht. Ein Indikator dafür sind die gähnend leeren S-Bahnen nach Ladenschluss oder die Sperrstunde. Scheint keinen zu stören - alle findens ganz toll so. Noch. Hoffentlich.
    Eine Nachverdichtung würde also eher die Großzügigkeit der Stadt nehmen ohne jedoch einen besonderen Effekt zu haben. Glaube ich.... Denn in der Tat ist München in seinen Wohnvierteln innerhalb des Mittleren Rings bereits jetzt pro Qkm dichter besiedelt als Berlin oder Hamburg. Besonders beim Parkplatzsuchen fällt das auf. Trotzdem ist nach elf Schicht im Schacht und alle hocken in ihren kleinen zu teuren Wohnungen und gucken fern :) Leben auf der Straße? Ganz wenig, muss man bewusst suchen. Kein Vergleich zu unseren anderen Großstädten. Ist so - auch wenns weh tut.

    Ich sehe die Neugestaltung der Münchner Freiheit genau anders rum als Wagahai. Das Slime-Dach ist fesch - zumindest was die Säulen angeht, die Fabe hmmmnja - , der U-Bahnhof verursacht jedoch Augenkrebs. Ich finde dieses Durchfall-Gelb-Grün so unendlich grauenhaft, dass mir nichts mehr einfällt. Die Deckenlampen sind billigst und dann auch noch irgendwie ohne Konzept verteilt. Ätzend!! Das EINZIGE an dem Bhf, was ok aussieht, sind die blauen Säulen, auch wenn mich deren Gestaltung ein wenig an Einkaufscenter-Architektur erinnert. Mein Fazit: Der hässlichste, ungemütlichste und geschmacksverirrteste Bahnhof den ich - ohne zu übertreiben - in meinem ganzen Leben weltweit gesehen habe!!!