Will man hier am Markt als Galerist, Veranstaltungslocation, etc. bestehen, sollte die Angebotspallette möglichst medioker und maßenkompatibel gehalten sein. D.h. überwiegend das im Bauchkasten führen, was es andernorts schon lange gibt, zum mitsingen einlädt, bzw. liebgewonne Sehgewohnheiten nicht allzu sehr beleidigt.
Aus dieser nachfrageinduzierten Selbstbeschränkung resultiert wiederum häufig, dass die hiesige Produktpalette außerhalb der Provinz auf wenig Nachfrage/ Wahrnehmung stößt, v.a. aber auch, dass selbst innovative Produkte sich unter dieser Adresse schwerer vermarkten und branden lassen, als aus echten Metropolen heraus.
Mit anderen Worten: Im Ruhrgebiet finden die Produkte und Dienstleistungen der Creative Class keine ausreichende Nachfrage, wodurch sich das Angebot auf minder-innovative Produkte beschränkt. Die Creative Class räumt zu einem großen Teil frustriert das Feld bzw. ist nicht sonderlich angetan vom provinziellen "Ruhri" und seinem eingeschränkten Nachfrageverhalten.
Wenn ich dich so richtig verstanden habe, dann steht dieser Umstand ja auch in einem Zusammenhang mit dem fehlenden positiven Selbstbild. Der Durchschnittsruhrgebietler ist in seiner Provinzialität dermaßen innovations-verdrossen, dass er schlicht keinen "Nährboden" für eine ausreichende Ansiedlung der Creative Class und damit für eine Metropolenbildung schaffen kann. Dies erkennt man auch gut an der ablehnenden Haltung vieler Ruhrgebietler bei den sogenannten "Leuchtturmprojekten". Dass diese Zeichen eben dieses mangelnden Selbstbildes auch in der Politik sind, bezweifle ich und kann Le-Wel in diesem Punkt daher nicht beipflichten. Schließlich gibt es auch in Hamburg und Berlin Projekte, die man durchaus als Leuchtturmprojekte bezeichnen kann (Elbphilharmonie; dieses komische Riesenrad am Berliner Zoo). Über Kosten und Nutzen solcher Vorhaben kann man sich überall streiten.
In Anbetracht der Tatsache, dass das Außenimage des Ruhrgebiets besonders im Zusammenhang mit dem Kulturhauptstadtjahr kampagnentechnisch sehr gut gepflegt wird, wirft sich aber dann doch die Frage auf, ob die Politik marketing-technisch damit nicht vielleicht die falschen Akzente setzt und die Pflege der positiven Selbstwahrnehmung vernachlässigt. Gleichzeitig habe ich Zweifel daran, dass man ein positives Selbstbild überhaupt induzieren kann. Denn im Grunde genommen liegt wahrscheinlich ein Großteil der ruhrischen Provinzialität im wirtschaftlichen Untergang der Region verborgen. Denn ein nicht zu unterschätzender Teil der Menschen zwischen Duisburg und Hamm hat sicherlich andere Probleme als den Wunsch, in einer bunten Metropole zu leben. Da spielt dann sicherlich auch die Frustration eine große Rolle. Warum sollte ich auch eine Stadt schätzen, in der ich beruflich nur minder-erfolgreich sein kann und ständig Angst haben muss, dass der nächste große Arbeitgeber dem Wohnort den Rücken kehrt? Da ich ja nun doch noch recht jung bin, konnte ich in meiner Zeit in Dortmund oftmals sehr gut erkennen, wie sich so etwas auch vererbt. Viele Bekannte in meinem Alter, denen im Grunde noch alle Türen offen standen, ließen sich von dem Schlecht-Gerede einlullen und sprachen sehr abfällig über das Ruhrgebiet, obwohl sie hier mit einer guten Ausbildung wahrscheinlich ähnlich gute Chancen haben wie in anderen Großstädten.
Ein äußerst wichtiger Aspekt ist für mich daher schon seit relativ langer Zeit die Förderung und Etablierung eines Studentenlebens. Man muss die jungen Leute dazu bringen, eine Stadt "geil" zu finden und sie daran binden. Dies würde auch dem Nachtleben auf die Sprünge helfen. In Bochum ist dies mittlerweile schon recht weit fortgeschritten. Ein wenig konkreter denke ich dabei daran, Studenten und damit hochqualifizierte von Seiten der Stadt her gezielt anzuwerben. Denn im Grunde haben Dortmund, Essen und Duisburg doch genau das, was man als junger Mensch auf Uni-Suche möchte: Guten Wohnraum zu Spottpreisen, günstige Lebenshaltungskosten, große Unis mit vielen Möglichkeiten für soziale Kontakte und ein tolles NRW-Ticket, mit dem man in kürzester Zeit ganze fünf Städte jenseits der 500k erreichen kann ;).