Dass so viele Sportarten für Leipzig vorgesehen sind, hätte ich nie für möglich gehalten. Dadurch handelt es sich nicht mehr um eine Bewerbung von Berlin, sondern um eine von Berlin-Leipzig. Ich halte genau das aber auch für eine von zwei wesentlichen Schwächen dieser Bewerbung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das IOC eine derartige Zersplitterung der Spiele akzeptieren wird, was ja mit der Auslagerung des Reitens nach Aachen und dem Abschieben des Schießens nach Frankfurt/Oder noch auf die Spitze getrieben wird. Laut verschiedenen Meldungen fordert das IOC, dass der Großteil der Sportstätten in einem Radius von 50 Kilometer ums Olympische Dort liegt, was mit diesem Sportstättenkonzept nicht ansatzweise der Fall wäre. Mehrere Olympische Dörfer dürften erst recht auf wenig Gegenliebe stoßen. Zweite wesentliche Schwäche dürfte die fragliche öffentliche Unterstützung werden. Speziell in Berlin würde ich wetten, dass die Bewerbung in der Dagegen-Republik an einem Volksbegehren scheitern wird.
Meines Erachtens liegt NRW mit seinem Konzept deutlich vor Berlin-Leipzig. In den Schatten gestellt werden beide ganz klar von dem perfekten Münchner Konzept, wo man nur hoffen kann, dass der dortige Bürgerentscheid positiv ausgeht. Wie wünschenswert Olympia in Deutschland wäre, hat man im Großen in Paris gesehen, im Kleinen aber auch aktuell am Turnfest bzw. der Turn-EM in Leipzig.
Ich kann deine Kritik nicht so ganz nachvollziehen.
Berlin und Leipzig wären mit ICE Express-Linien durch einen alle 30min verkehrenden Zug in 60min oder weniger erreichbar. Zwei Olympische Dörfer mit der jeweiligen Konzentration von Sportarten an den jeweiligen Standorten würde eine Zentrierung dieser inne haben. Also den 50km Radius locker bewerkstelligen. Das meiste auf der Neuen Messe wäre vom Dorf aus fußläufig. Dass Aachen und FF/Oder beim Feinschliff rausfliegen ist klar. Das passiert ja meistens und es wären zwei Sportarten die ohne Probleme auch in temporären Anlagen in Berlin und Leipzig umsetzbar sind.
Aber für beide Städte wären neue Wohnviertel und eine primär zwischen beiden Städten ausgebaute Schieneninfrastruktur, ein Meilenstein. Beide Städte besser zu verzahnen wäre ein großer wirtschaftlicher Schritt für Ostdeutschland. Darüberhinaus die Sportstätten-Infrastruktur in beiden Städten für zukünftige Veranstaltungen aufzurüsten - obwohl ja in Leipzig primär Ballsportarten stattfinden würden (es fehlt weiterhin ein Infrastruktur für Leichtathletik - schon alleine für die SpoWi-Fakultät und die DHfK). "Trendsportarten" in einem Mix aus Frei- und Innengelände auf der Alten Messe stattfinden zu lassen, sind ein guter Ansatz der Bewerbung.
Keine Ahnung was an dieser Bewerbung jetzt grundlegend schlecht sein sollte.
NRW: also zwischen Aachen und Halle/Westfalen liegen schon ordentlich Kilometer. Das gleich gilt für Köln und Dortmund. Obwohl zumindest zwischen Ruhrgebiet und Rheinland auch die Schiene einen Großteil der Besucherströme abfangen könnte. Und auch NRW listet z.B. Markkleeberg mit seiner Kanu-Strecke auf. Deswegen erscheint mir nicht so richtig logisch, warum NRW hier so viel besser sein sollte. Eher es ist ein urbaner Großraum der in allen Ecken bespielt werden muss und keine Zentrierung hat.
München: die "perfekte Bewerbung" sehe ich hier auch nicht. Ich kann mir gegenwärtig nicht so richtig vorstellen, wie man knapp 50% der Sportarten in den existierenden Olympiapark aus den frühen 1970er unterbringen will. Nicht nur durch die völlig anderen Bedingungen und den notwendigen Umbauten die in Summe mindestens Neubauten gleich käme, sondern auch weil der Denkmalschutz hier gewaltig dazwischen grätschen wird. Darüberhinaus fehlt dort schlichtweg eine leistungsfähige Schieneninfrastruktur mit nur zwei peripheren U-Bahnstationen und ohne Regional- und Fernbahnanschluss. Man wird also unweigerlich den Anteil an zentralen Funktionen im Nordosten erhöhen müssen. Olympische Spiele am Stadtrand von München? So perfekt ist es auch nur nicht.
Grundsätzlich muss man sicher konsternieren, dass Deutschland wohl die schwächste europäische Bewerbung seit der Zeit vor London 2012 abgeben würde. Das liegt vor allem an der maroden Infrastruktur und den fehlenden Veränderungen in städteplanerischer Hinsicht. Da waren London 2012 schon weiter und Paris 2024 erst recht.