Ja okay - Arbeiterschließfächer ist vllt wirklich übertrieben. Aber es waren ZUR ZEIT DER ERBAUUNG!!! überwiegend einfachste Häuser, was eben immer noch Stuck an der Fassade und in den Zimmern, Eckerker, wunderschöne helle Treppenhäuser mit Holzgeländer, Kassettentüren, Parkettboden usw. bedeutete. Aus heutiger Sicht erscheint uns das fast schon als Palast, was damals einfach normal war - auch mangels Alternativen. Klicklaminat gabs damals schlicht noch nicht. Schaut man sich aber mal die Dielen in den Wohnungen an, wird klar, dass das unterster Standard war. In meiner Wohnung in der Ludwigstraße waren das bspw. quer verlegte breite Bretter.
Dass mir das gesamte Viertel besser gefällt als Grünau oder Paunsdorf brauch ich nicht erwähnen, aber doch kann ich mir durchaus vorstellen, wie bedrückend die Häuserschluchten auch hier gewirkt haben könnten und wie die reale Wohnsituation für die "Massenmenschen" ausgesehen hatte. Denn für nichts anderes wurden diese Straßenzüge hochgezogen - für den Massenmenschen der Industrialisierung.
Die zusammenhängenden und freien Innenhöfe sind übrigens ein Verdienst der DDR-Renovierungen - die haben die Hintergebäude fast alle abgerissen und die Höfe miteinander verbunden. Auch hat fast jedes Karree eine Lücke für die Zufahrt - nicht wie sonst üblich meist jedes Haus einzeln ein größeres Tor. Das spricht dafür, dass wohl früher da in den Höfen mehr an Industrie&Handwerk abging als bspw. in Stötteritz oder der Südvorstadt, denn die Häuser selbst haben kaum Einfahrten.
Zu den Sanierungen: Ich weiß natürlich nicht ob jedes Haus gemacht wurden, aber es wurden viele Karrees in den 80igern gemacht. Aufjedenfall nördlich der Hermann-Liebmann-Straße. Teilweise wurden die hinteren Fenster durch Doppelglasfenster ersetzt - auch in den Treppenhäusern. Deswegen scheint es auch kaum buntes Bleiglas zu geben, falls es dass da jemals gab. Vorne waren ja eh Kastenfenster drin, die hat man oftmals drin gelassen, teilweise sieht man aber auch vorn "neue" (und häßliche) Großfenster. Damals erfolgte auch die Begrünung der Innenhöfe. Wäre seit Erbauung nix dran gemacht, wäre der Zustand wohl nicht so, wie er jetzt ist, sondern ich würde vermuten eher wie der von unsanierten Häusern in anderen Vierteln - also stark marode.
Wie gesagt, das Viertel ist hochspannend und hat jede Menge wunderschöner Ecken - der Neustädter Markt ist sicher die Schönste. Leider wohne ich nicht mehr im Viertel.