Ben
Ja, eine gute Frage, die mich nicht losgelassen hat. Ich hab mal ein bisschen in der Bibliothek recherchiert. Eine eindeutige Antwort habe ich jedoch nicht gefunden.
In Ergänzung zu quomodos Aussagen einige Informationen, die sich auf Benedikt Goebels 2003er Monographie "Der Umbau Alt-Berlins zum modernen Stadtzentrum. Planungs-, Bau- und Besitzgeschichte des historischen Berliner Stadtkerns im 19. und 20. Jahrhundert" beziehen. Vielleicht wirft das ein wenig Licht auf die Frage warum das Panoramahaus in der Panoramastraße 1 nicht wie andere (z.B. das hier
Kra... ...wumm!) gesprengt wurde.
Das 1903 als "Kühl- und Gefrierhaus Centrum GmbH" für den persischen Generalkonsul Abraham Henoch (✝ 1930) errichtete Gebäude ging 1936 an dessen Sohn und Tochter Felix und Doris über. Dieser ab 1942 in den USA. Sie wurde 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert. Daraufhin 1943 Enteignung und Arisierung des Gebäudes. Ab 1953 Eigentum des Volkes (1952 war eigentlich eine Verbreiterung der Stadtbahntrasse Richtung Westen geplant, der das Gebäude zum Opfer gefallen wäre) als "Zentrales Konstruktionsbüro der metallurgischen Industrie". In einer alternativen Planung des Fernsehturms mit kreisrundem Sockel fehlte das Gebäude später. 1969-1983 Sitz der Aufbauleitung Marzahn des HAG Komplexer Wohnungsbau. Ab 1984 Abteilung VEB Wohnhochhaus und Gesellschaftsbau des VEB WBK Fritz Heckert. Dann 1990 an die Treuhand.
Laut Goebel beabsichtigten die Stadtplaner seit den späten 70er Jahren eine Ausweitung des DDR-Prinzips "Stadtreparatur", wie sie im Nicolaiviertel zum Tragen kam (also eine Mischung aus Rekonstruktion und Bestandserhaltung), auf das Gebiet ums Panoramahaus und zudem auf das Gebiet Waisen/Littenstrasse (vgl. Goebel: S. 305). Dazu zeichneten die Architekten Heinz Mehlan und Rolf Ricken 1979 Ideenskizzen für einen Anbau Richtung Karl-Liebknecht-Strasse bei gleichzeitigem Erhalt der Panoramastr. 1 (ein Bild findet sich in der Monographie). Dieser allerdings kam nicht zustande ... bei einer Renovierung 1984 wurden lediglich andere Fenster eingesetzt und die Nordseite neu verputzt. Auch erst 1979 soll, so Goebel, beschlossen worden sein, das seit der Fertigstellung des Fernsehturms 1969 auf der Abrißliste stehende Gebäude Panoramastrasse 1, dauerhaft zu erhalten.
Irgendwann in den 70er Jahren muss in der DDR von Staatsseite ein Umdenken stattgefunden haben. Interessanterweise fällt Goebels Zeitangabe von 1979 (mit dem Beschluss zur Erhaltung) zusammen mit dem Gesetzblatt 1017 der DDR (auch von 1979) in dem das erste mal eine "Zentrale Denkmalliste der DDR" herausgegeben wird und faktisch ein Drei-Klassen-System des Denkmalschutzes geschaffen wird (Zentrale Denkmalliste, Bezirksdenkmalliste, Kreisdenkmalliste).
Es wäre interessant zu wissen ob und in welcher Liste das Panoramahaus gelistet war.
Meine Vermutung ist, dass Arisierung und eine vor 1945 erfolgte Enteignung, langwierige Planung beim Bau des Fernsehturms und ein durch den zeitlichen Abstand bedingtes Umdenken in der Stadtplanung den Bau in die heutige Zeit gerettet hat.