Wie gesagt, ich möchte jetzt nicht alle meine Argumente wiederholen, die ich schon ein paar Seiten zuvor angebracht habe. Und ich will auch niemandem irgendetwas polemisch unterstellen. Nur nochmal eine Zusammenfassung: Ausgangspunkt der Diskussion war, dass die Befürworter des historischen Stadtgrundrisses argumentiert haben, dass nur durch die Verschwenkung der Straße der Autobahn-Charakter des Straßenzugs beseitigt werden kann.
Das ist meiner Meinung nach falsch, weill man diesen städtebaulichen Missstand auch ohne eine Verschwenkung beseitigen könnte (was ich in mehreren Posts mit Argumenten unterlegt habe). Wenn man unbedingt eine Verschwenkung will und keine andere Lösung zum historischen Stadtgrundriss hinnehmen will, ist das völlig legitim, dann sollte man aber auch entsprechend argumentieren und es nicht als einzige Lösung um den Verkehrsraum zu reduzieren darstellen.
Ich bin gegen die Verschwenkung, aus mehreren bereits genannten Gründen. Verkürzt: zusätzliche Kreuzungen die zu zusätzlichen Staus und Verkehrsbelastungen (inklusive Lärmbelastung) führen, künstliche Umleitung der natürlichen Verkehrsströme (egal ob Fußgänger, Fahrradfahrer oder Autofahrer) innerhalb der heute vorhandenen Stadt und ihrer Bevölkerungsschwerpunkte und Geschäftszentren, und vor allem die Lenkung des Hauptverkehrs aus Richtung Westen direkt in die Spandauer Straße (zusammen mit dem Rathausforum und der Karl-Liebknecht-Straße ein wichtiger Stadtraum, der eher von den Verkehrsströmen entlastet anstatt zusätzlich belastet werden sollte).
Und nun zum Thema autogerechte Stadt wie in den 60er Jahren: Ich habe selbst überhaupt kein Auto, ich halte die autogerechte Stadt für eine der größten städtebaulischen Sünden, die unsere Städte im letzten Jahrhundert in großem Ausmaß verunstaltet haben. Deshalb bin ich nahezu überall für einen Rückbau von autobahnähnlichen innerstädtischen Straßenschneisen. Allerdings geht es mir dabei um die Dimensionen des Straßenraums, das Verhältnis zwischen Raum für MIV, Fahrradfahrer und Fußgänger, Gestaltung des öffentlichen Raums etc. und nicht um die Richtung eines Verkehrswegs oder einen Straßenverlauf.
Auch ich als Fahrradfahrer befürworte hier den geradlinigen Verlauf, da ich (obwohl ich nicht gerne in Malls einkaufe) die Verbindung zwischen Alex und Potsdamer Platz als für die Stadtbewohner wichtiger bewerte als der Weg ins touristische Nikolaiviertel. Auch für Fahrradfahrer ist der jetzige Verlauf (nicht die Dimension!) der Straße vorteilhafter. Mehrmaliges Links- und Rechtsabbiegen an vielbefahrenen (zusätzlich und mutwillig herbeigeführten) Straßenkreuzungen ist auch für Fahrradfahrer kein Spaß und zum Teil auch gefährlich.
Der Straßenverlauf alleine ist nicht autogerecht, sondern die Dimension. Der Straßenzug Unter den Linden/ Lustgarten, wenige hundert Meter weiter nördlich, hat z.B. einen fast identischen Straßenverlauf. Ist das autogerechte Stadtplanung der 60er? Nein, das ist barocke Stadtplanung, Jahrhunderte alt, niemand stellt diesen Verlauf dort in Frage.
Zum Zuschnitt der Grundstücke: Der größte Teil der Freiflächen entlang der Grunerstraße ist unbebaut - öffentliche Verkehrsflächen. Bei einer zukünftigen Bebauung ließen sich die neuentstehenden Grundstücke auch entlang des heutigen Verlaufs zuschneiden.
Man kann gerne den historischen Verlauf befürworten (er ist aber nicht die einzige Möglichkeit um den MIV zurückzudrängen). Ich bin anderer Meinung. Meiner Meinung nach muss man nicht überall den historischen Stadtgrundriss ohne ihn zu hinterfragen, um jeden Preis wiederherstellen. Vor allem hier nicht, wo meiner Meinung nach der heutige Verlauf viel eher die Realität der heutigen Stadt widerspiegelt. Aber das ist nur eine Meinung.
Jetzt kann die Diskussion meinetwegen gerne wieder zur Waisenbrücke zurückkehren, die Konstantin aus irgendeinem Grund mit meiner Argumentation zur Grunerstraße in Verbindung gebracht hat, auch wenn ich mich mit keinem Wort auf diese Brücke bezogen habe.