Ich muss Midas da in gewisser Weise recht geben. Die Kritik am Überseequartier (wie auch an anderen Ecken der HafenCity) ist meist diffus und uneindeutig was Architektur und Dichte anbelangt.
Neben tatsächlichen Fakten (siehe Kreuzfahrtschiffe, Verkehr und Co) gehen auch die Meinungen sehr konträr und es wir gerne grundlos und deutlich bejubelt oder verurteilt.
Wie oft hieß es nicht schon, der Dalmannkai sei mal zu eng bebaut, mal zu wenig geschlossen. Ja, was ist denn mit Eimsbüttel, Ottensen, Schanze und Co? Dagegen wirkt die HafenCity doch regelrecht grün und luftig und zugleich urban-dicht. Wollen wir die dichte Stadt oder grüne Zeilenbebauung der 50er Jahre?
Wie oft hieß es schon, es gäbe kein Grün in der HafenCity und die Spinnenplage sei nur den fehlenden Bäumen / Vögeln zu verdanken. Ich denke in der heutigen Innenstadt zwischen Laeiszhalle und Deichtor stehen insgesamt kaum mehr oder weniger Bäume als in der bisherigen HafenCity - und die großen Parks kommen ja erst noch.
Das Überseequartier ist dem einen zu groß und zu dicht und zu eng - dem nächsten zu luftig, zu zugig, zu weitläufig und zu wenig urban. Geschmackssache. Aber wie Midas richtig geschrieben hat, im Gegensatz zu anderen Hamburger Einkaufsstraßen haben wir hier nicht weniger Höhe oder Weite oder Enge oder Tiefe.
Alle wollen immer Hamburger Rotklinker - und am Ende ist es dann nur eine rote Erdrückende Masse?
Mal ist eben von Architekturzoo die Rede, dann wieder von ideenlosem Würfelhusten.
Es zeigt sich, dass sich an der Architektur und der Frage von Dichte und Urbanität nur der Geschmack äußern darf, aber "Versagen" sollte man nicht vorwerfen.
Auch die Zeit ist bei der HafenCity sicherlich noch immer ein Problem. Wir sprechen bisher über einige Unternehmen und 1000 - 2000 (?) Einwohner. Was erwarten wir denn? Ich denke ein realistisches Zwischen(!)zeugnis kann erstellt werden, wenn die Bebauung bis zum Lohsepark abgeschlossen ist. Wesentlich mehr Einwohner, die Uni ist bezogen, die ElbPhi (hoffentlich) fertig, das ÜQ mit allen Geschäften, Bars und Läden fertig, mehrere Hotels und die U4, Barkassen und Busse verkehren im großen Stil. Man sieht doch schon heute, dass durch jede Restaurant- und Bareröffnung (neuestes Beispiel: Sansibar / East Coast) immer einige Menschen mehr vor Ort sind und auch die Abendstunden noch etwas belebter sind.
Die grundsätzliche Idee mit kilometerlangen Wasserpromenaden (das größte Plus der HafenCity!), Straßen, großen Plätzen, grünen Orten, Einkaufsgelegenheiten von Nahversorgung bis Einkaufs-Boulevard, Sichtachsen und Bezügen ist letztlich genau das, was erwünscht, gefordert und umgesetzt wurde. Am Ende ist es die Architektur, die dann den Daumen hoch- oder runtergehen lässt.
Und auch hier würde ich Vorsicht walten lassen. Architektur gefällt nie allen Menschen. Keine Architektursprache ist grundsätzlich gut oder schlecht.
Was würde über Bauhaus in den 20/30er Jahren gestritten, was wurde die gründerzeitliche Stadt verteufelt, wie hochgejubelt die autofreundliche Stadt und Großwohnsiedlungen und Brutalismus zum Zeugnis des modernen Menschen erhoben. Vielleicht werden wir in 40 Jahren die HafenCity wie heute die Ost-West-Straße / Willy-Brandt-Straße verteufeln und uns fragen "Wie konnten wir nur"... oder aber feststellen "Hey, so schlecht war das gar nicht. Hier und da mal etwas "reparieren" - aber insgesamt doch ganz gut gelungen" 