Beiträge von Aleon

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    Pfui! Ein moralisch verwerflicher 1970er-Jahre Historismus in einer Stadt, deren Gestaltungsbeirat sich bisher auf die Fahnen geschrieben hatte, dass historisierende Architektur grundsätzlich verboten ist.

    Ironie aus


    Meine ganz persönliche Wahrnehmung ist tatsächlich folgende: bei all den Großstrukturen der 1970er Jahre, die häufig nicht nur groß, sondern auch besonders hässlich sind, habe ich mich in meinem Leben oft gefragt, wie, wo, wer und warum ernsthaft Menschen die Entscheidungen getroffen haben, diese Projekte zu realisieren. Hier an der Stadtkrone Ost lässt sich genau dieses Phänomen in der Gegenwart beobachten. Dabei ist es für mich nur teilweise ein Art 70er-Jahre Historismus im Sinne der konkreten Gestaltung und Materialität. Vielmehr ist es die Größe der Objekte in Kombination mit der gestalterischen Zusammenhangslosigkeit untereinander sowie die Hässlichkeit der Objekte von der Gesamtwirkung bis ins Detail, die stark an die 1970er Jahre erinnern.


    In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass mich viele Megastrukturen der 1970er Jahre sehr faszinieren und mittlerweile in vielen Fällen richtigerweise unter Denkmalschutz gestellt werden. Dies gilt allerdings häufig obwohl oder trotz der Hässlichkeit dieser Architektur. Die Deklaration solcher Bauten als "Big Beautiful Buidlings" ist ein Euphemismus und scheitert an der Realität.

    Alles in Allem ernüchternd. So werden Vertreter einer modernistischen Alltagsarchitektur nie die Herzen der Gesellschaft gewinnen. Vor dem Hintergrund wird deutlich, dass Hans Stimmann unterm Strich doch vieles richtig gemacht hat.

    Grundsätzlich gebe ich Dir Recht. Die Suppe hat gute Zutaten: eine gute Stadtstruktur, großflächige dichte und urbane Altbauquartiere, eine zwar hässliche Innenstadt, die aber immer mehr zum "Spielen" einlädt, ein attraktives Umland (dessen sich die Stadt nicht bewusst ist), Platz für Experimente bis zum Abwinken und verhältnismäßig moderate Mietpreise. Trotzdem schmeckt es fad. Eine Uni, die Würze bringen könnte, fehlt, da die TU nun mal eine TU ist und das auch noch im Niemandsland. Andererseits könnten auch gerade an einer TU spannende und kreative Leute sein, aber die gehen woanders an einer TU studieren, nämlich dort wo es schon spannend ist. Hinzu kommt die alte, unkreative, antiexperimentelle Malochermentalität: ist doch nicht nötig, brauchen wir nicht, woanders ist auch scheiße.

    Trotz allem gibt es ja durchaus positive Entwicklungen Richtung Großstadt. Durch die Coronapandemie und den zahlreichen Pleiten alteingesessener, aber langweiliger Läden im Kreuzviertel, hat sich dort endlich das großstädtische Angebot in der Erdgeschosszone durchgesetzt, auf das man quasi Jahrzehntelang gewartet hat. Zukunftsweisende Technologieunternehmen wachsen stark und könnten mehr Leute mit mehr Bildung und mehr Nachfrage nach Kultur usw. in die Stadt bringen. Und die Angebote an großstädtischen öffentlichen oder halböffentlichen Nutzungen die es gibt, werden durch aus nachgefragt. Mein Eindruck ist immer öfter, dass es mehr am Angebot fehlt, als an der Nachfrage.

    Gebäude der Nachkriegsmoderne sind in der Bevölkerung insgesamt unbeliebt. Das gilt auch für Denkmale dieser Zeit und dazu zählt sicher die RUB. Trotzdem rate ich dazu, im Kontext des Denkmalschutzes nicht von "betroffen" oder "Sauerei" zu sprechen, sondern sachlich zu bleiben. Wollen "die Studenten und Mitarbeiter" den Schutzstatus der Gebäude nicht oder gibt es eine Gruppe, die das nicht will? Gibt es dazu Zahlen? Sollten Deiner Meinung nach Bürogebäude oder Universitäre Gebäude grundsätzlich nicht geschützt werden? Gilt das auch für die ehemalige Unionhauptverwaltung an der Rheinischen Straße in Dortmund, das Mannesmanngebäude in Düsseldorf, die frühen Hochhäuser in Chicago von Louis Sullivan und Burnham and Root? Findest Du, dass ein barockes Universitätsgebäude wie die Alte Universität in Heidelberg oder die Universitätsbibliothek der Uni Heidelberg aus dem Jugendstil nicht geschützt sein sollten? Wenn ja, warum nicht? Die Studierenden und Mitarbeiter dort finden die Gebäude zwar heute schön, arbeiten und studieren dort sehr gerne, aber vielleicht ist der alte Krempel mit den vielen Schnörkeln in 100 Jahren einmal aus der Mode gekommen, so wie er es in den 1950er und 1960er Jahren einmal war. Und dann? Abreißen? Denkmalschutz ist keine Frage von Schönheit auch wenn bei den meisten Denkmalen eine überdurchschnittliche Architekturqualität gegeben ist. Das ist auch der Grund für die Beliebtheit in der Bevölkerung. Vermeintlich oder tatsächlich hässliche Gebäude wie die der RUB sind da die Ausnahme. Aber ist das ist noch lange kein Grund sie nicht zu schützen. Denkmalgeschützte Gebäude machen gerade einmal 3% unseres Bestandes aus. Der Denkmalschutz ist eine Auszeichnung und keine Bürde. Du solltest stolz darauf sein, in einer denkmalgeschützten Großstruktur der Nachkriegsmoderne zu studieren. Ich bin mir sicher, dass Du den Wert der Architektur der RUB irgendwann verstehen und schätzen lernen wirst.

    Vom Denkmalschutz ganz abgesehen, sollte uns der Erhalt des Bestandes vor allem auch aus Gründen des Klimaschutzes am Herzen liegen. Das gilt umso mehr für junge Leute.

    Denkmalschutz ist was für diejenigen die in der Vergangenheit stecken geblieben sind. Architektur sollte sich immer an die richten, die es später sehen und nutzen. Das sind die jungen Menschen. Die jungen Menschen, zu denen ich gehöre, wollen neue attraktive Gebäude. Denkmalschutz wird meistens immer von denen gefordert, die selber nicht dann darin arbeiten oder leben müssen. Obwohl das VEW-Verwaltungsgebäude eher noch zu den besser zu ertragenen Gebäude gehört, sollte sowas niemals unter Denkmalschutz stehen.

    Hallo Kirito12,

    ich weiß nicht wie alt Du bist oder wieviel Du über das Thema Denkmalschutz weißt. Ich empfehle Dir, Dich darüber ausführlich zu informieren. Wenn Du dann immer noch dieser Meinung bist, ist das selbstverständlich zu respektieren. Dennoch bist Du mit dieser Meinung bei jungen Leuten deutlich in der Minderheit. Um ein paar Fakten und Daten zum Denkmalschutz und baukulturellem Erbe allgemein und die Sicht der Menschen in Deutschland auf Denkmäler und den Umgang damit, empfehle ich ich Dir den "Baukulturbericht" der Bundesstiftung Baukultur von 2018/19. Zwei Infos aus dem Bericht: Die Menschen (repräsentative Befragung) in Deutschland bevorzugen Altbauten klar vor Neubauten. Sie sind bereit mehr Geld für das Wohnen in einem Denkmal zu bezahlen, als für ein Haus das nicht unter Denkmalschutz steht. Auffällig ist, dass die Gruppe der Jungen (unter 30 oder 40) eine größere Bereitschaft hat, mehr Geld für das Wohnen in Denkmälern zu bezahlen als Ältere.

    Wenn Dir das nicht reicht oder Du der Bundesstiftung nicht traust, kannst Du einfach mal weiter recherchieren. Z.B. sind die Preise für Altbauten (nicht verwechseln mit Denkmalen) mit Wohnnutzung in den letzten Jahren stärker gestiegen als die von Neubauten: Link

    Wenn Du weitere Fragen rund um das Thema Denkmalschutz hast, kannst Du Dich jederzeit gerne melden.

    DIe Veränderungssperre ist in Kraft getreten, allerdings erst nach der Baugenehmigung für das von Dir erwähnte Haus in der Herrmann-Löhn-Straße.

    Hm, weiß nicht. Auf dem ersten Bild von Dir sieht man wunderbar, wie weit Rendering und Wirklichkeit auseinandergehen. Dicke schwarze Fugen und ein Gals, dass an Autohäuser aus den 80er Jahren erinnert, sehe ich auf der Visu nicht. Beides finde ich kritikwürdig. Es macht einen eher billigen Eindruck und passt in keiner Weise zur umliegenden Bebauung. Hoffentlich wird das auf Dauer kein unansehnlicher Fremdkörper am See.

    PhilippPro Ich weiß genau was Du meinst. Eine solche Entwicklung kommt nicht aus der Stadtgesellschaft heraus, weil die nunmal sozial nicht so strukturiert ist. Aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Ein vernünftiger Umgang mit der historischen Substanz bzw. ein herausputzen derselben kann einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Lebensqualität und Attraktivität Duisburgs leisten. Dies wiederum schlüge sich mittel- bis langfristig auf die Sozialstruktur der Stadt positiv nieder mit dann auch positiven ökonomischen Folgen. Clevere Politiker und/oder Leute in der Verwaltung würden sich dem Thema daher annehmen. Letztlich ist das sogar ein Thema für die Landespolitik, die ein großes Interesse an einer positiven Entwicklung im Ruhrgebiet hat.

    Und wenn ich an das Kirchturmdenken im Ruhrgebiet denke, dann reicht es schon, wenn nur eine Stadt sich dem Thema annimmt. Die anderen werden dann nachziehen. Ich sage jetzt mal voraus, dass es so kommen wird.

    PhilippPro In Dortmund und auch in Duisburg gibt es noch sehr viel gründerzeitliche Bausubstanz, Häuser aus dem Jugendstil, der Reformarchitektur und unzählige historische Arbeitersiedlungen. Für die anderen Städte kann ich das nicht einschätzen, aber auch dort wird es noch was geben, wenn auch deutlich weniger. Der Zug für diese Substanz ist erst abgefahren, wenn sie verschwunden ist. Die Häuser in der Börsenstraße waren doch noch da oder nicht? Man hätte sie selbstverständlich erhalten und wieder herrichten können, so wie in Leipzig aber auch vielen anderen größeren und kleineren Städten in Ostdeutschland. Der positive Umgang mit der historischen Substanz in Ostdeutschland ist übrigens nicht gottgegeben sondern so gewollt und entsprechend organisiert. Das zu tun, steht den Städten im Ruhrgebiet frei. Und es liegt im Kern ganz sicher nicht an Fördergeldern. Städtebauförderung gibt es auch im Ruhrgebiet viel, aber das Geld ist in den letzten Jahrzehnten oft falsch investiert worden und dann verpufft.

    Besonders schädlich ist auch der von Dir bestätigte Mythos, dass es im Ruhrgebiet nichts mehr gäbe. Wie soll man etwas wertschätzen, von dem man meint, dass es nicht da ist? Ein Problem ist außerdem der bedauernswerte Zustand der Substanz, die ein positives Erleben kaum mehr möglich macht.

    Letztlich kann hier nur eine positive Entwicklung stattfinden, wenn man sich erstens der Existenz der historischen Stadtbereiche bewusst wird, zweitens ihren Wert erkennt und drittens den Willen aufbringt den Erhalt und die Sanierung zu organisieren.

    Dass die historistischen Bauten in der Börsenstraße weichen mussten, um einem mehr oder weniger guten Neubau Platz zu machen, ist bitter. Leider steht das Vorgehen aber exemplarisch für die Prozesse und Mechanismen im Ruhrgebiet, die in den letzten Jahrzehnten zu äußerst unattraktiven Stadtbildern geführt haben. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu vielen oder fast allen Städten in den neuen Bundesländern. Dort wurde der Wert auch der einfachsten historischen Bausubstanz erkannt. Im Ergebnis sind die Städte dort heute überwiegend sehr attraktiv und übertreffen die Ruhrgebietsstätte zumindest im Bereich Stadtbild in der Lebensqualität um ein Vielfaches. Man darf sich nicht wundern, wenn sie auch wirtschaftlich längst auf der Überholspur sind.

    Im Ruhrgebiet ist ein Umdenken dringend erforderlich, sonst wird man noch schneller und weiter zurückfallen.

    Allein die Tatsache, dass er völlig anders ist, als was sonst gebaut wird, hebt ihn schon hervor.

    Ich bezweifele stark, dass dieses Haus irgendeine Innovation in die Architektur bringt. Die Vergleiche zu den 1970er Jahren sind richtig und genau dort sind die Motive entlehnt, die wir hier sehen. Und selbst wenn es anders und völlig neu wäre, so wäre das trotzdem keine Qualität. Die Idee, dass ein Haus nur dann gut ist, wenn es bei Null anfängt, war noch nie richtig.

    Bin ich jetzt ein Hinterwäldler oder weniger Kosmopolit als ein Berliner mit Migrationshintergrund?


    Im Übrigen könnte ich ja auch durchaus Dortmunder mit Berliner Migrationshintergrund sein, der sich fragt warum die Dortmunder aus ihrer 600t+ Großstadt nicht mehr machen. Auch das soll es ja geben. Anworten bekommt man aber hier im Forum. Die Dortmunder wollen das so. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Ich jedenfalls vermute, dass der Strukturwandel in den Köpfen auch noch nicht ganz abgeschlossen ist. Da ist noch viel Unsicherheit und fehlendes Selbstvertrauen. Auf Kritik wird häufig mit Trotz (woanders ist auch scheiße usw.) statt konstruktiv und offen reagiert. Wahrscheinlich braucht das alles noch Zeit.