Für mich ist ideal und keineswegs ein Widerspruch eine maßvolle Kombination aus Neuentwürfen, gelegentlichen Rekonstruktionen und dem unbedingten Erhalt echter Altsubstanz.
Das verklemmte Ablehnen jeglicher Rekonstruktionen in ideologischem Maße finde ich einfältig. Es basiert auf vielfachen Mißverständnissen und plakativen Äußerungen und wird im übrigen vor allem von Vertretern spezifischer Interessen geäußert, aber nicht von der Bevölkerung. Der leider oft unterschätzte Wert einmal in Angriff genommener oder erst recht fertiggesteller Rekonstruktionen für das Stadtbild ist in der Regel unbestritten. Oder wer möchte heute die Kaiserstallung, den Luginsland, die Frauenkirche (außer der Fassade), den Wolff'schen Bau usw. missen? Es handelt sich bei diesen um "historische Lügen" im Sinne von Rekonstruktionsgegnern.
Also ich kann dein formuliertes Ideal (siehe Zitat) ohne bedenken unterstützen, ich persönlich bin auch kein Rekonstruktionsgegner.
Aber:
Jede Rekonstruktion steht und fällt mit ihrer Bestimmung. Natürlich war die Burg und die bedeutendsten Baudenkmäler wieder aufzubauen! In diesen Fällen ging es aber auch nie um die Funktion als um die historische Bedeutung der Gebäude. Die Burg ist ein Museum, die Kirchen im Grunde ähnliches (mit teils religiöser, teils weitläufigerer kultureller Funktion). Bereits das Rathaus wurde nur in Grundzügen (meines Wissens) wiederhergestellt, letztlich wurde beim Wiederaufbau auf zeitgemäße Anforderungen geachtet.
Und da liegt auch wirklich der Knackpunkt:
Die von dir angesprochenen, noch nach dem Krieg abgerissenen Häuser waren einfach unzeitgemäß! Auch wenn es ein Frevel war sie abzureissen - und diesbezüglich den Altstadtfreunden für ihren Einsatz zum stoppen dieses Idiotismus zu danken ist - muss man doch festhalten, das dies nie möglich gewesen wäre, wenn sich nicht die allgemeinen Ansprüche an Wohnen, Gewerbe und Verkehr geändert haben. Und dies waren eben wirklich die Ansprüche der Bevölkerung.
Und auch heute noch möchte so mancher Nürnberger doch am liebsten mit dem Auto in die schrecklichen Parkhäuser durch teils autobahnähnliche Durchbrüche in die Altstadt brausen. Der Verweis auf den Bürgerwillen halte ich daher für problematisch, weil sich hinter Stadtplanung eben mehr verbirgt als die Abstimmung über schöne oder hässliche Fassaden. Uns selbst heute sind es meist die wirklich alten Gebäude in der Innenstadt, die schlecht vermietet oder genutzt werden. Hohe Instandhaltungskosten, hohe Nebenkosten (Heizung) schlechte Raumausnutzung, schiefe Wände, behindertenunfreundlich, dunkel, horrende Kosten für den Einbau zeitgemäßer Technik, Hürden des Denkmalschutzes und und und.
Zur Sebalder Altstadt:
Ja, man hat schnell und unauffällig aufgebaut und auf die wesentlichen Bautraditionen versucht Rücksicht zu nehmen. Aber gute Architektur, das heißt für mich innovative Ideen im zu bebauenden Kontext, wurde dabei meist nicht verwirklicht.
Nun kann man (oder will man) nicht alles alte wieder aufbauen. Vielmehr müssen nun zeitgemäße, hoffentlich weniger verhaltene Versuche zum aufpolieren der Innenstadt gesucht werden. Die ein oder andere Rekonstruktion ist dabei durchaus zu begrüßen.
Im Falle der Bibliothek ist aber ein Wiederaufbau aus reinen Funktionsgründen einfach nicht tragbar. Es muss also ein zeitgemäßer Bau her.
Ein meines erachtens ausserordentlich geglückter Versuch der letzten Jahre war der Neubau des Admiralkinos. So, oder auch wie das Neue Museum, stell ich mich moderne Architektur in Nürnberg beispielsweise vor!
D.