Schön, dass hier so lebhaft diskutíert wird.
Aber die Geschichte um den Neptunbrunnen ist eben doch etwas mehr als eine Denksportaufgabe, nach dem Motto "unsere Stadt soll schöner werden". Und dieser Brunnen hat eine sehr vielschichtige Vergangenheit, der man nicht mit einer "ich-weiß-auch-noch-nen-Platz"-Diskussion gerecht kommt.
Die Geschichte in Stichpunkten:
1648 Der Dreißigjährige Krieg, der auch Nürnberg verheerte, endet mit dem Westfälischen Frieden (historisch korrekt: Frieden von Münster, Osnabrück und Nürnberg)
1649 Der Große Rat der freien Reichsstadt Nürnberg gibt den größten Barockbrunnen nördlich der Alpen in Auftrag. Mit diesem Brunnen, der dem Beschluss gemäß (als zweiter Brunnen neben dem Schönen Brunnen) auf dem Hauptmarkt zu errichten ist, soll dem (erhofft) immerwährenden Frieden ein Denkmal gesetzt werden. Zeitgenossen bezeichnen ihn als Monumentum pacis.
1668 Der vom damals (und im Ausland auch heute noch) europaweit berühmten Bildhauer Georg Schweigger geschaffene Brunnen ist fertig, aber Nürnberg hat zwischenzeitlich zerüttete Finanzen (sic!), und die Versorgung mit der notwendigen Wassermenge bereitet szt. nicht lösbare technische Schwierigkeiten. Der Brunnen wird im Peunthof (heute: Bauhof) eingelagert.
1797 Der Brunnen wird für 66.000 Gulden - heute in etwa 7 Millionen Euro - an den russischen Zaren Paul I. verkauft und nach Peterhof bei St. Petersburg verbracht, wo er in stark modifizierter Form im klassizistischen Zeitgeschmack verändert aufgebaut wird.
1881 Prof. Friedrich Wanderer bemüht sich unter dem Motto "Rückgewinnung des Verlorenen" um einen Rückkauf des Brunnens, bleibt aber ohne Erfolg.
1895 Das kaiserliche Außenministerium verhandelt mit Zar Alexander III. um den Rückkauf des Neptun-Brunnens; Alexander III. lehnt den Verkauf zwar ab, gestattet aber den Nürnbergern, Abdrücke vom Brunnen zu machen, um einen Zweitguß des Brunnens anzufertigen. Dem Zar gefällt der völkerverbindende Gedanke, dass derselbe Friedensbrunnen in zwei Exemplaren eines in Russland und eines in Deutschland die friedliche Nachbarschaft der beiden Länder symbolisiert.
1896 Bürgermeister Ritter von Schuh veranlasst die Abdrücke in Peterhof. Es entstehen so die Gussformen für einen absolut formidentischen Zweitguss (keine Kopie!).
1901 Der wohlhabende Nürnberger Ludwig Gerngroß errichtet eine Stiftung und bezahlt 80.000 Goldmark (heute etwa 2 bis 2,5 Millionen Euro) den Neptun-Brunnen. Er stellt eine einzige Bedingung: Der Ort der Aufstellung muß der Ort sein, für den der Brunnen stets vorgesehen war: der Hauptmarkt. Nürnberg nimmt diese Bedingung an (siehe Verwaltungsbericht für das Jahr 1902, für jederman im Lesesaal des Stadtarchivs einsehbar). Gerngroß wird zum Ehrenbürger Nürnbergs ernannt.
1902 Der Brunnen wird in der Nürnberger Gießerei Lenz in Bronze gegossen und auf dem Hauptmarkt aufgestellt. Gerngroß wird vom bayerischen König zum Ritter geschlagen.
1934 Die Nazis stören sich am Neptun-Brunnen, denn der Stifter Gerngroß war Jude. Außerdem war der Brunnen den NS-Aufmärschen im Weg. Auf Betreiben von Julius Streicher (NSDAP-Gauleiter von Franken, Herausgeber des Hetzblattes 'Stürmer', pathologischer Antisemit und 1946 bei den Nürnberger Prozessen zum Tod verurteilter Hauptkriegsverbrecher) wird der Neptun-Brunnen - von den Nazisverächtlich "Judenbrunnen" genannt - vom Hauptmarkt entfernt Die Stiftungsauflage wird verächtlich ignoriert, denn so Streicher "das Geld mit dem es der Jud bezahlt hat, hat er (...) herausgewuchert".
1934 Baureferent Brugmann und OB Liebel (beide NSDAP) schieben eine fingierte Begründung nach, der Brunnen passe am Hauptmarkt nicht ins Stadtbild. Der wahre Grund ist bis heute aktenkundig: Aktenvermerk des Städtischen Hochbauamtes (Ref X.6) vom 30. April 1934: "(...) Gerade weil der Brunnen von einem Juden ist und so protzig mitten auf dem Adolf-Hitler-Platz (Anm. Umbenennung des Hauptmarktes 1934-1945) steht muss er weg! Fingerspitzengefühl!" - Stadtarchiv Nürnberg AvN, C7/1 GR Nr. 5354 / lfd.Nr. 26
1960 Forderungen der Nürnberger, ihren Neptunbrunnen wieder auf den Hauptmarkt zu verlegen, scheitern insbesondere am Baureferenten Schmeißner. Schmeißer, ab 1937 Mitglied der NSDAP und Ende der 30er Jahre bis 1945 Baureferent der Stadt Nürnberg und dann von 1947 bis 1970 wieder in derselben Funktion, hielt daran fest, daß der Brunnen nicht auf den Hauptmarkt gehöre.
1962 Der Neptunbrunnen ist wieder im Wege - diesmal dem Straßenbau. Er wird in den Stadtpark verlegt. Dabei verliert er auch gleich noch das barocke Becken. Er wird in einem viel zu engen vorhandenen Waschbetonnapf abgestellt. Dort steht er in kläglichem Zustand bis heute. Bis heute wird auch die Stiftungsauflage des jüdischen Spenders von Gerngroß wissentlich mißachtet.
Fazit:
Nürnberg - das sich selbst gern als Stadt des Friedens und der Menschenrechte sieht - versteckt (1.) ein authetisches Friedensdenkmal im Gestrüpp des Stadtparks und fand (2.) auch 65 Jahre nach Ende des 'Dritten Reichs' keine Gelegenheit diesen Kulturfrevel rückgängig zu machen und setzt (3.) einen für jeden offensichtlichen Rechtsbruch gegen einen jüdischen Mitbürger (der sich mangels rechtewahrenden Erben nicht dagegen wehren kann) fort.