Frankfurter Sonderweg bei zulässiger Zweckentfremdung von Wohnraum seit 2004 - What's next?
Es ist auffällig, dass es bei der Diskussion um neuen Wohnraum im Frankfurter Stadtraum oft nur um die Ausweisung von neuen Flächen in der Peripherie geht, aber sehr selten über den Erhalt von Bestandswohnraum in Bestlagen. Natürlich ist die Konvertierung von Büroflächen in Wohnraum ein begrüßenswerter Ansatzpunkt, wie in Niederrad, Merton und evtl. Kaiserlei zu sehen. Dennoch geht es beim Wohnungsangebot in Frankfurt einfach quälend langsam voran, gerade im Vergleich zu Berlin, München, Hamburg, Köln, Düsseldorf oder Stuttgart.
Woran liegt diese Frankfurter Besonderheit der besonders akuten Verknappung von Wohnungsraum im direkten Stadtzentrum?
Aus meiner Sicht liegt es an der Abschaffung des Zweckentfremdungs-Verbots in Hessen vom 3.5.2004, oder wenn man es zynisch sehen will, das Gesetz zur „Beschaffung eines Vorstandspostens für Roland Koch bei Bilfinger Berger“ (Quelle).
Die Abschaffung der wohnungswirtschaftlichen Beschränkungen vor 18 Jahren hatte vor allem folgende Effekte für Hessen:
- Es besteht für Immobilienbesitzer keine Meldepflicht für leerstehende Wohnungen – somit fehlt bspw. Frankfurt die wohnungswirtschafltiche Rechts- und Handlungsgrundlage den Wohnungsleerstand näher zu erheben und dagegen vorzugehen
- Keine Pflicht zur Vermietung von Wohnungen – somit sind unnötig leerstehende Gebäude völlig legal und die Kommunen haben so gut wie keine Handhabe
- Zweitwohnungen benötigen keine Genehmigung
- Die Nutzungsänderung eines Wohn-und Gewerberaums bedarf dennoch einer Baugenehmigung
Es ist nicht nur mein subjektives Empfinden, dass diese Abschaffung teilweise katastrophale Folgen für den Frankfurter Wohnungsmarkt hat. Im Februar 2022 meldete die FNP, dass sich Städte wie Frankfurt, Kassel und Wiesbaden für eine Wiedereinführung eines Zweckentfremdungsverbots aus oben genannten Gründen aussprechen. Der Landesverband Hessen des Deutschen Mieterbunds sprach sich ebenfalls hierfür aus. (Quelle: FNP vom 6.2.22).
Hier eine kurze Übersicht der Gesetze, die in anderen deutschen Großstädten gelten (Quelle: Zweckentfremdungsverbot: Das bedeutet das Gesetz - CHIP)
- Berlin: Seit 2014 gilt ein Verbot für Zweckentfemdung von Wohnraum
- München: Seit 2007 gilt in Bayern ein Wohnraum Zweckentfremdungs Gesetz (ZwEWG) mit Bußgeld bei Mißachtung von bis zu 500.000 Euro
- Hamburg: Seit 2014 gilt das Gesetz über den Schutz und Erhaltung von Wohnraum mit Bußgeld bei Mißachtung von bis zu 500.000 Euro
- Köln / Düsseldorf: Seit 2014 gilt in NRW ein Wohnungsaufsichtsgesetz
- Stuttgart / Karlsruhe / Mannheim: Seit 2013 gibt es in BaWü ein Gesetz über das Verbot von Zweckentfremdung von Wohnraum
Hier ebenfalls eine Deutschlandkarte welches die Bundesländer mit Zweckentfremdungsverboten aufführt.
In München ist das Zweckentfremdungsverbot so erfolgreich, dass es sogar schärfer gefasst werden soll. Laut Aussagen der Stadt München bestätigen sich jährlich 370 Verdachtsfälle und die betreffenden Immobilien werden dem Wohnungsmarkt wieder zur Verfügung gestellt. Das kommt einer Rettung von jährlich 24.000 qm Wohnraum gleich.
In Frankfurt würden mir auf Anhieb mindestens 70-80 Fälle sofort einfallen in dem offensichtlich Wohnraum zweckentfremdet leer steht oder wie im Bahnhofsviertel für andere Zwecke verwendet wird. Von Fällen in denen "Umbaumaßnahmen" den Wohnraum unbewohnbar machen oder eine Verwahrlosung des Wohnraums vorliegt, liest man fast täglich in den Medien. Diese Entwicklung ist für Mieter und Wohnungssuchende in Frankfurt besorgniserregend.
Fazit: Ich würde stark befürworten, dass der „Frankfurter Sonderweg“ bei der Zweckentfremdung von Wohnraum ein jähes Ende findet und wir das gute Beispiel von München / Hamburg / Berlin / Düsseldorf / Stuttgart auch hier umsetzen. Die Regierung Rhein scheint diesen Weg aber derzeit leider nicht gehen zu wollen.