Der Altan wird ganz super, aber ich empfinde es etwas zu farbintensiv und frisch, es wurde nicht "auf Alt" gemalt (also "abgenutzt"), die Details im Einzelnen sind flächig grob ausgeführt, lassen mich daher kaum an einen Besuch bei Alten Meistern denken. Gleichsam kann man gerade hierzu von vorzüglichster Fachexpertise der Ausführenden ausgehen. Da ich mir nicht sicher bin: kann ein Fachleut bestätigen, daß Renaissance-Malerei zur Entstehungszeit auch so farbintensiv und im Detail auch dergestalt sein konnte? Meine (angelesene/erschaute) Vorstellung davon geht vielleicht zuviel von (Jahrhunderte gealterten) Gemäldeansichten aus.
Also was die Farbintensität von Renaissance-Malereien betrifft, da gibt es doch das spektakuläre Beispiel der Sixtinischen Kapelle. Generationen von Kunstexperten und natürlich auch von ganz „normalen“ Besuchern kannten die Michelangelo-Gemälde der Decke mit diesem typischen „Grauschleier“, angeblich vom Künstler gewollt als Stilmittel eingesetzt. Dann kam die erstmalige umfassende Restaurierung (1982 bis 1994, finanziell und ausführungstechnisch sehr aufwändig und natürlich auf höchstem wissenschaftlichen Niveau). Mit dem hergestellten Ergebnis hatte aber wohl keiner gerechnet. Nachdem die Gemälde von ihrer dicken Schmutzschicht (Staub, Ruß) befreit worden waren, erstrahlten sie in intensiven Farben:
https://upload.wikimedia.org/w…Sixtinische_Kapelle_1.jpg
(Foto kann – und sollte - sehr stark vergrößert werden, deshalb nur als Link)
Detail im Vorher- Nachher-Vergleich:
https://commons.wikimedia.org/…_Daniel_beforandafter.jpg
Zum Fragenkomplex, den Elli Kny angeschnitten hatte, noch einige interessante Ausführungen von Matthias Zahn, dem Chef (nennen wir ihn mal so) des siebenköpfigen Künsterlerteams, das aktuell an den Altanfresken arbeitet. Nachfolgend Auszüge aus einem Interview, veröffentlicht in der Baubroschüre des SIB: Der Wiederaufbau des Dresdner Schlosses, Teil 2, erschienen 2020.
Für die Figuren und die gemalte Architektur-illusion gaben die Fotografien [Anm.: Fotos des leider vernichteten historischen Schlossmodells] und Stiche Anhaltspunkte, aber Details wie beispielsweise der Kleidung sind darauf kaum zu erkennen. Wie haben Sie sich deren Ausführung erarbeitet?
Mit der Freskotechnik haben wir uns seit 2011 beschäftigt. Wir sind nach Italien gereist, um uns auf die Spuren der Tola-Brüder zu begeben [Anm.: Benedict und Gabriel Tola aus Brescia/Lombardei – Ausführende Künstler der Originalfrescen des Altans]. Der Maler Girolamo Romanino aus Brescia bildete den Ausgangspunkt für unsere Recherche nach dem künstlerischen Umfeld, in dem sich die Tolas bewegt hatten [Anm.: Originale Fresken der Tolas sind auch in Italien nach aktuellem Kenntnisstand nicht erhalten]. Sie arbeiteten in seiner Werkstatt. Doch er gehörte zu einer älteren Generation, also schauten wir in seinem Umkreis nach gleichaltrigen Zeitgenossen der Tolas und stießen auf Lattanzio Gambara, der ebenfalls in Romaninos Werkstatt gearbeitet hatte. Von ihm sind Wandbilder mit biblischen Themen in Parma erhalten, an denen wir uns schließlich orientierten. Anders als bei Romanino tragen Gambaras Figuren nicht mehr die zeitgenössische Renaissancekleidung, sondern antikisierende Gewänder. Wir schauten uns auch genau an, welche Farben er übereinanderlegte, denn wie damals die Freskomalerei gehandhabt wurde, konnte uns niemand mehr zeigen. In Italien werden zwar noch kleinere Bereiche von Fresken restauriert, aber für ein Vorhaben wie unseres, wo komplette Bilder neu entstehen, mussten wir das Verfahren neu erfinden.
Mit welcher Technik und welchen Farben haben Sie schließlich gearbeitet?
Gemalt wird auf einer vier bis fünf Millimeter dicken Schicht Kalkputz. Die Farben müssen also kalkecht sein, lichtecht sowieso. Das schränkt die Palette auf größtenteils mineralische Farben ein: Die Ocker-, Rot- und Grüntöne sind Erdfarben, das Rebschwarz stammt von Holzkohle, Kalk färbt weiß, und das Blau ist Smalte – ein blaues Glaspulver, dass sich direkt vermalen lässt. Romanino verwendete es auch. Wir nahmen Farbproben mit nach Parma und hielten sie an Gambaras Malereien, um die richtigen Töne herauszusuchen. Wir schauten uns auch an, wie großzügig Gambara die Konturen ausführte und wie er seine Figuren in Tagewerke aufteilte: Die Farbe muss aufgetragen werden, solange der Putz noch feucht ist, deshalb wird nur so viel Fläche im Voraus verputzt, wie ein Freskomaler an einem Arbeitstag bemalen kann.
Nachfolgend ein Foto von den im Interview erwähnten Wandbildern im Dom von Parma (Laut Matthias Zahn Orientierung für die heutige Rekonstruktion):
https://commons.wikimedia.org/…a)_-_Interior_2006-09.jpg
Wie Farben auf einem Foto „rüberkommen“, hängt natürlich stark von den Lichtverhältnissen und der fotografischen Bearbeitung ab. Man beachte mal das Einzelbild etwa in der Mitte des voran stehenden Fotos (Kindermord zu Bethlehem). Gleiches Bild als separate Aufnahme und mit deutlich stärkerer Farbintensität.
https://media.istockphoto.com/…bara-picture-id1075033578
Und zum Schluss - wieder einmal - vielen Dank Elli für Deine Reportagen.