Es ist längst nicht alles schlecht, gerade aktuell ist leider aber auch vieles nicht gerade gut.
Da es gerade so gut passt, schließe ich hier mal nahtlos an - denn es gibt mal wieder einige relevante Zahlen für eine etwas klarere Gesamtbetrachtung:
2024 wächst das Berliner BIP um 0,8% - Ausblick für 2025 erneut verhalten
Hier kann man wieder vortrefflich diskutieren, ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist. Einerseits halbiert sich damit das Wachstum des vorvergangenen Jahres 2023. Andererseits gibt es überhaupt wieder ein kaufpreisbereinigtes Wachstum (wie leider erneut nicht für Gesamtdeutschland mit Minus 0,2% - übrigens erreicht Berlin durch das seit Jahren überdurchschnittliche Wachstum inzwischen fast 5% der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung).
Zur Erinnerung: Die Mehrheit der Wirtschaftsbetriebe äußerte sich zuletzt überwiegend skeptisch bis pessimistisch und erwartete eher einen Rückgang im eigenen Geschäftsbereich (hier im Thread nachzulesen). Auch wenn das in vielen Fällen sicherlich auch zutrifft (siehe auch vorherigen Beitrag) gibt es zumindest in der Summe und zumindest bislang aber erneut ein (zartes) Wachstum. Das kann aber auch daran liegen, dass die Umfragen von IHK und Co eben das Gesamtstimmungsbild nach Mehrheit der befragten Betriebe abbilden und die Größe der befragten Betriebe nicht gewichtet wird (und die größten Betriebe in Berlin schlagen sich bisher überwiegend ziemlich gut).
Was alles nichts daran ändert, dass die Stimmung auch für 2025 wieder sehr verhalten ausfällt und zumindest kein deutlich höheres Wachstum zu erwarten ist.
Quelle Sueddeutsche Zeitung
Arbeitslosigkeit weiter über 10% - Hoffnung auf Frühjahrsbelebung - Visionen für 400.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Jobs in 2035
Nachdem die Arbeitslosigkeit in Berlin im Januar erstmals seit Jahren wieder über 10% anstieg (eine Kombination auf Faktoren wie dem wie beschrieben anhaltend skeptischen bis schlechten Konjunkturklima, fortschreitender Einsortierung von Flüchtlingen und dem ganz normalen Ansprung durch auslaufende Verträge zum Jahreswechsel), lag die Quote im März nun weiterhin bei 10,2% (oder 216.373 Menschen). Die Regionaldirektion für Arbeit kann sich bei der Formulierung ihres Ausblicks auf die kommenden Monate auch noch nicht ganz zwischen verhaltenem Optimismus und zurückhaltender Skepsis entscheiden:
"Wir setzen nun auf die anstehende, normalerweise saisonübliche Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt".
Weit optimistischer ist dagegen ein möglicher Ausblick auf das Berlin in 10 Jahren. Statt etwa wie zuletzt vorgeschlagen einzelne Feiertage streichen zu wollen, setzt man (i.e. ein breites Bündnis aus Kammern und Verbänden) hierfür auf Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Denn trotz über 200.000 Arbeitslosen fehlen Berlin parallel schon jetzt rund 90.000 Arbeitskräfte für nicht besetzte Stellen und neben Bürokratie, Energiepreisen und Co gilt der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften als eines der größten Wachstumshemmnisse. Die vorgeschlagenen Maßnahmen lesen sich teilweise durchaus realistisch:
- Eben jene Arbeitslose (und hierunter vermutlich speziell die gut qualifizierten und aktiv Arbeit Suchenden) sollen durch Einsatz von KI schneller als bislang adäquat vermittelt werden. Im Durchschnitt in 8 statt wie bisher in 10 Monaten. In einigen Bereichen setzt der Senat schon jetzt zunehmend auf KI und laut Wegner soll dieser Trend hin zu mehr Digitalisierung und Automatisierung in den Behörden noch deutlich ausgeweitet werden.
- Auch bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifizierungen wird inzwischen zunehmend Software eingesetzt und hierdurch sollen in 10 Jahren ca. 10% mehr Abschlüsse anerkannt werden können (und das hoffentlich schneller als bisher).
- Generell soll die entsprechende Verwaltung binnen 10 Jahren vollständig digital und auch durchgehend in Englisch verfügbar sein (ich würde nach jetziger Tendenz aber sogar vermuten, dass man bei weiter anhaltendem politischen Willen auch deutlich schneller sein kann und wird).
- Wie zum Beispiel im Falle Indiens zunehmend erfolgreich der Fall soll auch die gezielte Anwerbung (und sogar vorherige Ausbildung und Qualifizierung sowie sprachliche Schulung im Deutschen) von ausländischen Fachkräften gefördert werden. In Indien sind ja schon diverse Goethe-Institute mit genau diesem Ziel befasst und die Nachfrage bleibt anhaltend stark. Ähnliches könne nun in zwei weiteren Ländern erfolgen (die aber leider im Artikel nicht genannt werden).
- Zudem soll der Standort auch attraktiver für Azubis werden, u.a. durch ein vergünstigtes Deutschlandticket aber auch Wohnheimplätze.
- Die restlichen der vorgeschlagenen 18 Maßnahmen stehen nicht im Artikel. Ich bin besonders gespannt, wie man eins der größten Probleme lösen will: Den Wohnungsmangel. Denn auch und sogar gerade wenn alles Andere gut umgesetzt werden sollte, könnte das durchaus einen DER limitierenden Faktoren darstellen.
Fazit: Ein bekannter Ausspruch unseres früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt lautete ja: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Diese Vision halte ich aber für eine sehr sinnvolle Initiative und hoffe auf konsequente Umsetzung. Interessanterweise und auch erfreulicherweise deckt sich einiges davon ja ohnehin schon mit den Zielen und Prioritäten des aktuellen Senats und wird teilweise auch schon umgesetzt bzw angeschoben.
Quelle rbb24
Quelle Morgenpost
Nun sogar schon über 40.000 indische Einwohner in Berlin
Apropos Fachkräfte und apropos Indien: Kürzlich wurden wieder mal aktuelle Zahlen zur boomenden indischen Community in der Hauptstadt veröffentlicht - und der Trend hält weiter an: Ende 2024 ermittelte die Statistik 41.472 indische Staatsangehörige in Berlin. Gegenüber 2014 entspricht das einem Wachstum von rund 1.060% oder einer Verzehnfachung. Damit leben inzwischen mehr indische Staatsangehörige in Berlin als beispielsweise Russen (rund 38.000), Vietnamesen (gut 28.000 - wobei viele Menschen mit vietnamesischem Migrationshintergrund ja längst Deutsche sind), Rumänen (30.000) oder Afghanen (gut 24.000) - aber auch kaum weniger als etwa Syrer (knapp 47.000) sowie mehr als die Hälfte der Ukrainer (rund 70.500).
Wie der Artikel korrekt anspricht, wird über viele andere Bevölkerungsgruppen ausgiebig diskutiert und oft überwiegend das Negative betont. Die indisch-deutsche Dynamik und ökonomische Erfolgsgeschichte hat sich dagegen bislang noch immer kaum herumgesprochen.
Vielleicht wird sich das noch ändern, wenn sich das auch im Stadtbild, an den Schulen etc immer deutlicher abbildet: Aktuell bereiten in Indien wie oben angeschnitten 6 Goethe-Institute und 4 Goethe-Zentren zuletzt alleine im letzten Jahr 200.000 Prüfungsteilnehmer auf eine erfolgreiche Berufslaufbahn in Deutschland vor. In der Vergangenheit ging ein bedeutsamer Teil dieser indischen Zuwanderer nach Berlin. Und irgendwann werden viele davon auch Familien gründen.
Denn - um diesmal den schon oft von der Politik aufgegriffenen Schriftsteller Max Frisch wiederzugeben: Wir haben Arbeitskräfte gerufen - und Menschen sind gekommen.
Leider erinnere ich mich aber auch noch zu gut an einen Kampfslogan, der während meiner Jugend recht verbreitet war, als man schon einmal - jedoch erfolglos - systematisch Fachkräfte vom Subkontinent anwerben wollte: "Kinder statt Inder". Ich hoffe, diese Geschichte wird sich nicht wiederholen, sondern es wird in Kinder und Inder - oder insgesamt einfach in alle Menschen investiert, mit denen man hier etwas aufbauen kann. Die Welt ist schon genug gespalten und lange können wir uns das mE gar nicht mehr leisten, wenn wir eine stabile und leistungsfähige Zukunft für unsere Nachkommen erreichen wollen.
Quelle rbb24