Beiträge von gralsritter

    Dieser Bau ist der reine Hohn für die Bemühung um eine subtile und dem Genius loci verpflichtete Bebauung des Friedrichswerdes. Glücklicherwiese ist das Gebiet vollständig bebaut bzw. planfestgestellt - sonst würde dieses Ungetüm noch zum Präzendezfall mutieren und weitere Bauherren sich bemüßigt fühlen, uns so etwas zu bescheren.


    Dieser Bau sprengt den Rahmen des Viertels gleich in verschiedenen Dimensionen und ohne damit vielleicht ein besonderes architektonisches Statement zu formulieren - so arrogant selbst dieses auch wäre. Aber der Bau sagt nichts aus. Er ist. Das ist alles.


    Die Materialästhetik des neuen Friedrichswerders wird konterkariert, die extrem glatten Façaden gehen in Opposition zur sonstigen Bebauung, die sich sehr durch die Ausbildung feiner Details auszeichnet.


    Und schließlich wird auch die Proportione des Umfelds empfindlich gestört. Zwar ist der Neubau nicht höher, aber durch seine Kubatur erscheint er einfach viel wuchtiger als seine Nachbarn.


    Selbst das Kaiserliche Telegraphenamt, daß durch seinen Rückgriff auf die italienische Hochrenaissance seinerzeit und auch heute sehr monumental erscheint, wird durch den Neubau in seiner Wirkung stark geschmälert.


    Wenn derartiges schon gebaut werden muß, dann vielleicht in einem gesichtslosen Büroviertel, in dem man mit solchen brachialen Gesten punkten kann, um gegenüber seinem Nachbarn optisch aufzutrumpfen. Auf dem Friedrichswerder wäre mehr Subtilität angezeigt.

    Das Material des Eingangsbaus mißfällt mir auch. Die ersten Illustrationen ließen ja auf Sandstein hoffen und dieser wäre m.E. auch angemessener.


    Jedoch gebe ich zu bedenken: Die baustilistische Epoche, die hier sicherlich von vielen der Traditionalisten beschworen wird, nämlich der Stüler'sche Spätklassizismus, zeichnete sich durch eine hohen Material- und Frabvielfalt aus. Man betrachte nur Farbigkeit der Alten Nationalgalerie (von Stüler gelpant!) - sowohl im Inneren als auch außen.


    Die Frage ist also eher, ob das Material Sichtbeton hier so wünschenswer ist. Und Herrn Chipperfield muß man immerhin zugestehen, daß er meist ein gutes Händchen für Materialien hat. Sieht also sein Beton nicht unbedingt wie beton aus, ließe sich damit leben.

    Das Palais habe ich tatsächlich ausgelassen. Da hatte ich wohl die Nazivergangenheit zu sehr im Hinterkopf.


    Was den Straßendurchbruch angeht, muß ich sagen, daß m.E. erst danach ein Platz entstanden ist, der einer modernen Großstadt entsprach. Mag er auch weniger distinguiert gewesen sein - er lag eben im Zentrum Berlins, im Regierungsviertel. Und Berlin war nicht mehr wie Potsdam.


    Von den Aufstockungsplänen habe ich nie gehört, wäre aber sehr angetan, darüber informiert zu werden...

    So ists leider. (einige Beiträge weiter oben schon erörtert)


    Architektonisch war der Platz stets eine etwas uneinheitliche Mischung. Wirklich schade ists m.E. nur um das Palais Borsig an der Ecke Voß St. und das Hotel Kaiserhof, das einst der U-Bahn-Station ihren Namen gab. Wichtiger als die ursprüngliche Architektur finde ich die Form und Anlage des Platzes, die eine sehr schöne Fortsetzung der Reihung offener Stadträume vom Potsdamer und Leipziger Pl. in die Friedrichstadt hinein darstellte. Dabei war der Platz aber durch seine Randlage etwas ruhiger und vornehmer und bildete ein elegantes Entrée zum Regierungsviertel.

    Die Gründerzeitarchitektur als "aufgeplusterte billige Nutte" zu bezeichnen, finde ich ja mal wirklich ungeheuerlich. Ich hätte da auch noch ein paar drastischere Ausdrücke für den real existierenden Müll, den sog. Architektenkollektive jenseits von Henselmann und Paulick in der sog. "DDR" hingewurschtelt haben. Solch eine Wortwahl will so gar nicht zu Ihrem Benutzernamen passen.


    Im übrigen geht der Tenor meiner Fraktion dieses Forums -soweit ich das sehe- hin zum klassischen Entwurf; Forderungen nach der Komplettrekunstruktion gründerzeitlicher Bauten stehen allenfalls am Rande oder beziehen sich ausschließlich auf die Wiederherstellung abgeklopfter Façaden.


    Zum Thema "solide Platte": also ich erinnere einen Besuch in der damligen "DDR" bei Freunden meiner Eltern. Diese zeigten uns ihre neue Wohnung in einem solchen tollen soliden Plattenbau. Dabei schoben sie auch mal das Sofa beiseite, um uns ein Loch in der Platte zu zeigen, durch welches man bequem ein bißchen den Kopf an die Luft halten konnte. Aber das war natürlich nicht an der Wilhelm St., die ja speziell für besonders "verdiente" SED-Bonzen reserviert war.

    In dem Maße, in dem Herr Stimmann mit manchen Äußerungen Verstimmung erzeugt, sorgt er bei mir für Freude.


    Daß da Eigentumswohnungen angeboten werden, ist allerdings eine ganz schreckliche Nachricht. Auf eine Art finde ich nämlich diese Möchtegern-Edelplatten viel schlimmer als den ganz banalen Typ Erfurt VII. Werden hier jetzt Wohnungen verkauft, ist auf eine Neubebauung dieses grauenvollen Viertels auf unabsehbare Zukunft nicht zu hoffen, es sei denn es zeigen sich so gravierende Baumängel, daß man nur noch abreissen kann.

    Ästhetik≠Charakter eines Kunstwerks. Auch eine Blume ist ästhetisch und ist dennoch kein Kunstwerk.


    Kein Klinker? Dann eben doch weg mit den blöden Hochhäusern! - Nein, mal im Ernst. Geht es uns hier um architektonischen Verismus? Nichts dürfte mehr aus rein optischen Gründen verschalt, verhängt, abgehängt, verspachetelt, lackiert oder gestrichen werden.


    Sie reden von Typologien. Wollen Sie die den Typus Plattenbau aus dokumentarischen Gründen nicht verändern, dürfen sie auch keine neuen Verkleidungselemente dranhängen. Egal, ob Ihrer Meinung nach Keramik immerhin noch besser paßt als Stein. Typus ist Typus und muß erhalten bleiben. Oder wo wollen Sie die Grenze ziehen? Weiß machen mit Keramik ist okay, rot machen mit Klinker ist verlogen? Plattenbauten sind typischerweise Leuna-braun. Also machen uns doch Ihre weißen Keramiplatten genauso viel vor wie meine Klinker.


    Ironischerweise hat man ja in der "DDR" sogar auf fast rührend diletantische Art versucht, die Konstruktionsweise eines Plattenbaus zu kaschieren. Da wurden dekorative Muster von einer Bauplatte zu nächsten weitergezogen, um sie optisch zu verbinden.


    Die Plattenfugen sind doch das schlimmste am ganzen Plattenbau und eben diese sollte man m.E. tunlichst verschwinden lassen, wenn man so einen Kasten schon nicht loswird.

    Kaktus,


    mir ist der Unterschied zwischen Ikonographie und Ikonologie bekannt und ich verwende die Begriffe im Sinne Erwin Panofskys (Archäologen vertauschen diese beiden Termini seltsamerweise).


    In Ihrem Beispiel sind aber nicht die Favelas das Kunstwerk, sondern die Photographie ist es.


    Nach Ihrer Diktion gibt also jeder verklinkerte Bau vor, etwas zu sein was er nicht ist? Und recht haben Sie! Genauso ist es. Schauen Sie sich das Neue Palais in Potsdam an. Oder den Stuckmarmor z.B. im Kloster Neuzelle. Fast jede moderne Façade gibt etwas vor, was sie nicht ist. Stehts sinds angehängte Platten. Ob diese nun aus Blech oder Stein sind, macht aus veristischer Sicht keinen Unterschied.

    Architektur ist keine Kunstgattung mit einer eigenen Ikonologie. Zählt man etwaigen bildplastischen Schmuck nicht als immanenten Bestandteil der Architektur gibt es gar keine ikonographische Bedeutungsebene. Die bildende oder plastische Kunst muß neuerdings dem Auge nicht mehr gefallen - es reicht, wenn sie eine Aussage hat, selbst wenn diese auch nicht mehr in kanonischer Symbolik und Chiffrierung angegeben werden muß.


    Die Architektur kann sich also auf diesen Paradigmenwechsel nicht herausreden und steht weiterhin quasi in der Pflicht, ästhetisch zu sein. Was nun ästhetisch ist, ist sicherlich höchst kontrovers. Wenn Sie, Kaktus, jedoch sagen, ein Plattenbau habe den Charakter einer Favela, dann sprechen sie ihm damit implizit künstlerische Ästhetik und damit den Status eines Kunstwerks ab (das tue ich auch).


    Hat er nun keinen künstlerischen Wert, ist er auch aus architektonischer (baukünstlerischer) Sicht nicht schützenswert. Möglich wäre einzig ein denkmalpflegerischer Schutz, dieser hätte aber de jure den Ursprungszustand als "DDR"-Plattenbau betreffen müssen. Heute ist das Gebäude aber bereits überformt.


    Ablesbarkeit und Authentizität werden damit hinfällig und eine erneute Überformung diente dem Zweck, die Bauten mit ihrem Umfeld halbwegs zu versöhnen und sie fürs Auge erträglicher zu machen.


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    Das Zitat entstand in meinem Kopfe, als ich mir die STERNchen am Planungstisch vorstellte.

    Kaktus:


    Ja, will ich. Ernsthaft. Aus Blechplatten baut man Favelas, Townships, Ölbohrinseln, Flüchtlingslager und Tankstellen.


    Tedentiös sind meine Mitteilungen durchaus, denn wir führen hier eine Diskussion, bei der Meinungen vertreten werden.


    Und was heißt hier "Nein geht nicht."? Ist das Ihre Meinung oder eine harte Faktenlage, deren Quelle Sie uns nur nicht verraten wollen?


    Und jene ominöse STERN-Gesellschaft gehört eher in die Architektenkammer eingesperrt, wenn ich mit diesen Kalauer erlauben darf. "Das machen wir alles in weiß! Strahlend weiß! Die Farbe der Moderne! Wie die Weissenhof-Siedlung! Nur besser! Und dann ein paar Primärfarben... so ganz de Stijl! Das wird toll!"

    warum nps so viele gute aufträge bekommt, ist mir aus künstlerischer sicht recht unklar. es hat mich selten was vom hocker geworfen. ihre entwürfe sind solide, gut geeignet für einzelne geschäftshäuser, die sich nicht in der vordergrund drängen wollen. an solch prominenter ecke -noch dazu mit dieser adresse- hätte man sich etwas ausgefalleneres vorstellen können. jedoch bitte nicht diesen blech-rollmops.


    so lustig manch einer auch AeG's tante-trude-polemik finden mag - sie bleibt polemik. und so sehr man es auch versuchen mag: ich prophezeie, daß sich diese komische biomorphe architektur außerhalb der star-trek-realität niemals durchsetzen wird. hat sie in den 70ern ohne computer nicht. wird sie jetzt auch nicht. in spätestens 10 jahren (wenn nicht gar sofort) wäre der parkkinen-entwurf eine peinlichkeit sondersgleichen.

    Um eine Bebauung des Parks und der Promenade geht es ja auch gar nicht, sondern eher um das Areal zur Monbijou St. hin, das mit seltsamen eingeschossigen Barracken bebaut ist, die sich weit in den Park hineinziehen und allesamt wirklich keine Augenweiden sind: jener Atelierbau, der in dezentem Feuerwehrrot gehalten ist und dann dieses Kinderbad in das man nur mit Kindern hineindarf und dessendwegen man sich von hysterischen Müttern ankeifen lassen muß, wenn man von der Strandbar kommend mit einem Bier unterwegs ist.

    Das Hochaus an der Roch St. ist auch erstaunlich erträglich. Vielleicht, weil es ein Punkthochaus ist. Schlimm sind einzig wieder die ollen Blechplatten, die auch noch z.T. schwefelgelb sein müssen. Ein weiterer Kandidat, der z.b. verklinkert sehr gut aussehen würde.

    Langhof widerlegt hier zumindest, Loos' Maxime, Ornament sei Verbrechen und schafft trotzdem einen modernen Bau. Daß er die alte Façade des Metropoltheaters (heute Komische Oper) rekonstruieren möchte, spricht für ihn und ich glaube, sein Entwurf würde auch bei Tage gut aussehen. Die Oberflächen scheinen differenziert genug zu sein, um nicht wie eine zweite Akademie der Künste zu wirken. Nur diesen kleinen Kühlturm an der Ecke Behren St. sollte man ggf. überdenken.


    Die Neubebauung war meines Wissens sogar schon einmal spruchreif, wenn nicht dieser Platten(optik verbreitende Stahlgerüst)bau an der Str. Unter den Linden, welcher zur Komischen Oper gehört, unter Denkmalschutz stünde. Der muß erhalten werden und so rechnet sich die Investition nicht. (In anderen Opernhäusern werden prächtige denkmalgeschützte Säle herausgepopelt . hab ich gehört...)

    Theseus,


    es ist keineswegs Erpressung. Herr Dussmann darf doch wohl selbst entscheiden, wofür er sein Geld hergibt. Niemand hat Anspruch darauf, von ihm Geld zu erhalten.



    Jo-King,


    Mäzenatentum allgemein ist ein Thema für sich. Hier geht es allerdings um die Kulturförderung im engsten Zusammenhang mit jenem architektonischen Werk, das Thema dieses Threads ist.