Beiträge von Caspar Borner

    ungenügend

    Keiner dieser Entwürfe hat die Umsetzung verdient! Das Wichtigste, die Kernbotschaft des Herbst 1989, kommt bei keinem der Entwürfe rüber: Wir sind das Volk! Das war die zentrale Botschaft; gegen diese einfache Wahrheit hatten die damaligen Machthaber kein Argument mehr.
    Was diese bunten Plastikkübel damit zu tun haben, erschliesst sich mir nicht. Was irgendwelche Tortendiagramme damit zu tun haben, bleibt mir verborgen und auch diese Betontore bringen es nicht herüber.
    Wir waren nicht nur damals das Volk, wir sind es auch heute noch. Daran wurden nicht nur damals die Machthaber erinnert, auch heute ist es gut, die Volksvertreter immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass sie nur Sachwalter sind und wir das Volk. Und so etwas ist ja die Aufgabe eines Denkmals, mal nach zu denken.
    In diesem Sinne sollten wir Leipziger uns diesen ungenügenden Quatsch nicht vorsetzen lassen. Hier ist ein neuer Wettbewerb von Nöten, der ganz klar das Ziel hat aufzuzeigen, um was es damals wirklich ging und um was es heute auch immer noch geht: Wir sind das Volk!

    Liebe Follower,
    ich halte die Diskussion über dieses Ärztehaus für unnützt. Der Bau ist fertig und man wird ihn so schnell nicht rückgängig machen. Das dieses Gebäude kein großer Wurf wird, war von der ersten Visualisierung an klar.


    Zugegeben ist die Gestaltung großartig und zukunftsweisend und ich bin froh, das ein solcher Körper in Leipzig zu finden ist. Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist das Ärtzehaus ein großer Wurf.


    Im Detail betrachtet ist es keine aber auch keine große Lösung, befinden wir uns hier doch am Simsonplatz, einem gewachsenen historischen Ensemble. Vom ausklingenden Klassizismus bis zum vollendeten Historismus (Verwaltungsgericht, Eckhaus Harkortstraße). Was mich in diesem Zusammenhang immer stört, die fehlende Akzeptanz der bestehenden Substanz. Architekten versuchen mit aller macht, ihr Gusto von zeitgemässer Gestaltung durchzudrücken, vergessen dabei das Wechselspiel mit bestehender Bebauung. In diesem Schmelztiegel können die meisten Entwürfe und Umsetzungen nur untergehen.


    So hat ein jeder hier im Thread recht: Das Ärztehaus ist ein gelungenes Stück Architektur, nur leider am falschen Platz und deswegen auch wieder nicht gelungen.

    Vielen Dank für die schönen Bilder! Zu den letzten Aufnahmen konnte ich in Erfahrung bringen: Erweiterungsbau des Justizblocks. Ausgeführt in den Jahren 1932-1935 nach den Plänen des Architekten Oskar Kramer unter stilistischem Einfluss der Neuen Sachlichkeit. Der Bau war also schon immer so "schlicht" geraden.

    Lieber DrZott, nur zu, dass hier ist ein Forum zum Meinungsaustausch! Ich möchte der Platte auf keine Fall das Wort reden. Ich bin der erste, der trommelt, pfeifft und klatscht, wenn diese schrecklichen "Arbeiterschließfächer" verschwinden. Ich möchte nur, dass man in der Debatte darüber etwas Überblick walten lässt. Wir alle wollen gehaltvollere Architektur, deswegen sind wir hier, diese Architektur ist von denjenigen bestimmt, die sie bauen. Ich sehe in den (noch) vorhandenen Plattenbaustrukturen ein probates Druckmittel, die Bauherren zu mehr Qualität zu zwingen. Denn für mich ist es kein Unterschied, ob ein Mensch in einer Wohnung aus Segmentteilen oder einer "Einheits-Rauputz-Wohnbutze" lebt. Plattenbauten abzureisen, ohne das qualitativ und architektonisch höherwertiger Ersatz besteht, ist den Teufel mit dem Belzebub austreiben. Es freut mich jedes mal, wenn ich in Leipzig bin, diese schönen - und wirklich fantastisch renovierten – Altbauten zu sehen. Leider befürchte ich aber, das es keinen Anreitz mehr gibt, eine detailgetreue Rekonstruktion durchzuführen, wenn sich der Wohnungsmarkt so gestaltet, dass ein Mieter jede Kröte schlucken muss, nur weil es die Gesamtlage erfordert - davon kann ich mir hier in Stuttgart jeden Tag ein Bild machen. Doch vielleicht sollten wir uns darüber in einem privatem Rahmen austauschen.

    Ich habe die Diskussion nur am Rander verfolgt, werde aber das Gefühl nicht los, dass man sich hier um ungelegte Eier Gedanken macht. Es ist in meinen Augen mühsig, hier irgendwelche Hätte-Wäre-Wenn-Szenarien zu spinnen. Fakt ist doch, die Gebäude sind belegt und die Bausubstanz ist in einigermassen ordentlichem Zustand. Warum sollte man diese Gebäude beseitigen? Natürlich schmerzt mich der Verlust eines historischen Gebäudes. Doch wenn diese Gebäude seit Jahrzehnten ungenutzt rumstehen, der Schwamm und Schimmel die Bausubstanz so mürbe gemacht haben, dass Sanierung nicht mehr möglich ist, warum diese Gebäude dann erhalten? Erhaltung um der Schönheit willen, kann (und vor allem will) sich unsere Gesellschaft nicht leisten – wir leben nun einmal im Kapitalismus und da regiert der Taschenrechner.


    Natürlich kann ich das Argument verstehen, dass die Plattenbauten die Sanierung von "Gründerzeitlern" verhindern. Doch was wäre gewonnen, wenn Platten in großem Umfang abgerissen werden? Der Markt wird künstlich verknappt – mal davon abgesehen, dass für die Mieter erstmal Ersatzwohnraum zu schaffen ist – und dem Spekulantentum Tür und Tor geöffnet. Wohnungsbaugesellschaften wären in der Lage am Markt mit billigen Null-Acht-Fünfzehn-Sanierungen zu bestehen. Das hätte nicht nur Rückwirkungen auf die Wohnqualität, sondern auch auf das Stadtbild. Hier kann ich djtinitus nur zu stimmen: Qualität ist das A und O.


    Was ist eigentlich, wenn in zehn Jahren (hoffentlich) die Situation eintritt, dass Leipzig nicht mehr in die Substanz wachsen kann, sondern neue Wohnlösungen her müssen? Die Mieten werden steigen – egal in welchem Quartier. Dann wird jede unsinnig abgerissene Wohnung schmerzlich vermisst werden und dann ist es nur allzu wahrscheinlich, dass an der Stelle der (gehen wir mal davon aus) abgerissenen Punkthochhäuser, einfallslose Invenstorenlösungen hingesetzt werden – viel gewonnen für den Johanna-Park.


    Tatsache ist doch, dass es an einer ästhetischen Zielsetzung für die Zukunft mangelt. Wie soll denn unsere Stadt in Zukunft aussehen? Einheits-Rauputz-Wohnbutzen oder stimmige Architektur im Einklang mit dem Bestehenden? In diesem Zusammenhang sehe ich die Plattenbauten als tatsächlich Erhaltenswert, denn nur wenn genügend Anreiz an Bauherren gegeben ist, sich für hochwertige Lösungen zu entscheiden, werden auch hochwertige Lösungen entstehen. Und auch da kann ich djtinitus nur recht geben, erst den einen Schritt und dann den anderen machen. Die Gebäude müssen ersteinmal entstehen. Hier im Westen wird jeder Schweinekoben als Wohnung angeboten und das könnens ich die Herren auch nur deshalb leisten, weil es ein ordentlich verknapptes Angebot und die Mieter sowieso keine Wahl haben, da eh nur Einheitsbutzen gebaut werden. In diesem Sinne sehe ich die Platte als deutliches Druckmittel. Als Druckmittel für Bauherren zu qualitätsvolleren Lösungen und als Druckmittel für die Kommunen die dringend notwendig Infrastrukturanpassungen zügig in die Wege zu leiten.

    Ganz tolle Rechenübungen

    Vielen Dank für den Beitrag DrZott. Wenn man die Zeilen so liest, dann kann einem schon die Galle überlaufen. Besonders die Bemerkungen über die notwendige Abrisse in den Innenstädten. Ich glaube mich zu erinnern, dass es einer der Gründe für die Proteste des Herbstes 1989 war, dass in den Städten des Arbeiter- und Bauernstaates zu übermässigem Verfall und damit verbunden zu unplanmässigen und vor allem übertriebenem Abriss von historischer Bausubstanz kam. Und jetzt soll das ganze wieder aufgenommen werden? Weil wir jetzt in einer demokratischen Gesellschaft leben und Geld hier all zu oft das denken ersetzt? Was ist eigentlich, wenn der erwartete demografische Wandel nicht eintritt? Im Beispiel Leipzig gar nicht so unwahrscheinlich. Wird man dann von staatlich vorfinanzierter Wohnungsnot sprechen müssen?
    Der Vergleich mit den denkmalgeschützten Bauten in Sachsen und Bayern ist auch ganz toll. Da wird nicht über die Ursachen geredet, nur über die Tatsachen. Vielleicht wurde in Bayern während des Krieges einfach mehr zerstört (z.B. Nürnberg oder München) und zusätzlich nach dem Krieg vieles Erhaltenswertes abgerissen und den autogerechten Innenstädten geopfert. So eine Argumentation hört sich ein bißchen nach Planwirtschaft an: Übererfüllung der Denkmalquoten ;)


    Doch bevor ich hier das Thema ganz verlasse: Anstatt staatlich sanktioniertem Abriss würde ich mir für Leipzig den Status eines Flächendenkmals wünschen. M.E. ist Leipzig die einzige deutsche Großstadt in der sich flächendekende Bebauung der Gründerzeit erhalten hat. Damit ist die Stadt ein Beispiel für die gewachsenen Strukturen und die stilistische Vielfalt der Vergangenheit. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal ersten Ranges. Darmstadt beispielsweise bewirbt sich mit dem Titel "Zentrum des Jugendstils" - bei ganzen 9 (!) Bauten auf der Mathildenhöhe. Warum kommen die Herren vom Stadtmarketing nicht auf die Idee Leipzig als "Zentrum des deutschen Historismus" zu vermarkten?

    Blockrandbebauung am Kunstmuseum

    @ Cowboy
    vielen Dank für die Detektivarbeit. Wo gräbst du bloß dieses Bildmaterial aus. Ich habe mir den Wolf gesucht ;)
    Also auf den ersten Blick, finde ich den Entwurf sehr gelungen. Besonders die Fassadengliederungen und Gestaltungen der Erdgeschosszone. Das ganze erinnert mich etwas an den Jugendstil der Wiener Werkstätten – etwas. Was mich interessiert, ist die Ansicht: Stellt die lange Gebäudeseite die Ansicht zur Böttchergasse dar? Wenn dem so ist, dann stellt diese Lösung, einen schönen Ansatz dar. Sollte es sich bei der langen Seite um die Katharinenstraße handeln, dann würde ich Erkern den vorzug geben. Den Erker mit den Figurenkonsolen würde ich über Eck stellen, dass er mit dem Erker am Romanushaus korrespondieren kann und eine architektonische Brücke zum alten Lotterhaus entsteht.
    Alles in allem ein schönes Stück Architektur. Besonders die Figurenkonsolen ders Erkers sind ein schönes Detail, welches an die barocke Tradition der Katharinenstraße anknüpft. Bin gespannt ob das wirklich so weitergeht – gibt ja auch Bauherren, die denken, das Rauhputz, Stahl und Glas der Architektur letzter Schluss sind

    Löwen

    Auch wenn es nicht gerade mit Architektur zu tun hat: Habe gerade gehört, dass es in der Stuttgarter Wilhelma keine Löwen mehr gibt. Wäre eine schöne Gelegenheit für "Aufbauhilfe" in Ost-West-Richtung und Anknüpfungspunkt an eine Leipziger Tradition.

    @ dj tinitus
    @ cowboy


    Danke für die wahren Worte. Kann euren Aussagen nur zustimmen, besonders den letzten Sätzen von dj tinitus. Auch wenn ich einer Kirchenrekonstruktion eher zwiespältig gegenüber stand und stehe. Es lohnt sich auf jeden Fall über die Qualität der Bauten in unseren Städten zu diskutieren. Leute die solchen Meinungsaustausch für "hohl" halten, sind wahrscheinlich mit der Sichtbeton-Realität durchaus zufrieden. Ich vermute mal, dies liegt weniger an mangelndem ästhetischen Gespür oder Identifikationsgefühl sondern vielmehr an schnöden wirtschaftlichen Überlegungen. Die Architektur ist die vierte Haut des Menschen und dementsprechend sollten wir mit ihr umgehen – es zieht sich ja auch niemand nen Kartoffelsack an, nur weils billiger ist...


    Entschuldigung für die Emotionalität – aber sowas ist blutdrucksteigernd, genaus wie das fatale Halbwissen welches an anderer Stelle gezeigt wurde.

    Vielen Dank für die tollen Bilder!


    Auf dem von dir als Zusammenfluss von Parthe und Elstermühlgraben gekennzeichneten Bild, ist tatsächlich der Zusammenfluss von Pleißemühlgraben und Elstermühlgraben zu sehen. In den 1950er Jahren wurde der Pleißemühlgraben nördlich des Naturkundemuseums verfüllt und vollständig in den Elstermühlgraben umgeleitet. Bis dahin floß das Wasser rechts der Rosentalgasse parallel zur Pfaffendorfer Straße bis zur Höhe des Zoos. Dort mündete der Pleißemühlgraben in die umgeleitete Parthe.


    Mich würde mal interessieren, ob die Wassertiefe zum Bötchen fahren reicht?

    Klostergasse

    @ Cowboy
    Zitat: "...das Grundstück Klostergasse 7, wo das darauf befindliche Nachkriegsgebäude aus den DDR-Fünfzigern ebenfalls saniert wird."


    Das Gebäude samt Portalrekonstruktion entstand zwischen 1976 und 1978 nachdem der stark beschädigte Vorgängerbau bereits 1968 abgerissen wurde.
    Ich gebe dir Recht, das eine aufwendige Rekonstruktion, die architektonische Gesamtwirkung der Klostergasse unterstreicht – besonders diesem ewigen Vorurteil entgegenwirkt, dass im Osten ja nur mit der "Platte" gebaut wurde. In diesem Zusammenhang würde ich mir nur wünschen, dass das Gebäude etwas aufwendiger verputzt wird.

    Johannisplatz

    Hallo .L.E.
    vielen Dank für die Anregung. Auch mir schwirrt das Thema Johannisplatz seit einiger Zeit im Kopf herum. Besonders seit der gelungenen Wiederhestellung des MAK am alten Johannisfriedhof.
    Als ich deinen Eintrag las, stellte sich mir die Frage, ob man anstatt der Turmrekonstruktion den Platz nicht anders aufwerten könnte. Vor einiger Zeit war im Forum ein Meinungsaustausch über den Platz der Friedlichen Revolution von 1989 zu sehen. Mit dem nördlichen Teil des Wilhelm-Leuschner-Platzes (WLP) scheint eine Lösung gefunden, die in meinen Augen eher den Charakter eines Provisioriums hat. Ich denke mir, dass der WLP nicht den optimalen Standort für diese Erinnerung darstellt. Ich könnte mir vorstellen, dass auf dem Johannisplatz, analog zum Ort am WLP, ein "Freiheitsdenkmal" errichtet wird. Immerhin liegt der Platz auf der Sichtachse vom Augustusplatz. Dieses "Freiheitsdenkmal" sollte sich in seiner Gestaltung aber an den historischen Maßstäben des alten Kirchturms orientieren. Auch wenn dies Idee nicht unbedingt der historischen Kontinuität entspricht, denke ich, ist es besser dem Ort eine Bedeutungsaufladung zu geben, als "nur" den Kirchturm wieder aufzurichten.

    Schön zu sehen, dass in das Thema Blockrandbebauung am Bildermuseum endlich Bewegung kommt. Ich denke, die endgültige Fertigstellung des Gesamtkomplexes, wird dem vielgescholtenen Bildermuseum gut tun. Ich wünsche mir nur, dass die Architekten nicht irgendwelche Glas-Stahlbeton-Kästen mit Rauputz-Fassade entwerfen, sondern deutlich Bezug zur historischen Bebauung der Katharinenstraße schaffen. Gibt es irgendwelche Informationen über Bauauflagen seitens der Stadt?

    .L.E.: "bei den letzten beiden einträgen ist mir aufgefallen, dass außenstehende da wohl eine sehr neutrale sichtweise haben.. diese ist sicherlich auch oft von vorteil.
    euch blutet das Herz ja auch nicht, wenn ihr euch den augustusplatz vor eurem geistigen auge so vorstellt, wie er ohne die kommunisten und nazis aussehen könnte!!"


    Lieber .L.E.,
    ich muss dir leider widersprechen: Ich bin Leipziger mit Herz und Seele, was mich gerade über dieses Thema auch sehr emotional denken lässt. Ich sehe aber keine Notwendigkeit, künstlich historische Kontinuität vorzuspielen, wenn keine tausend Meter weiter östlich echte Baugeschichte vor sich hingammelt. Bevor ich dem Wiederaufbau einer Paulinerkirche zustimmen würde, wäre es mir eine Hauptanliegen die vor sich hingammelnde Buchhändlerböre zu sanieren, denn immerhin ist da noch genügend orginales Potenzial vorhanden. Ebenso verhält es sich mit dem Ringmessehaus oder dem Astoria und so weiter...

    @ Baukasten:
    Vielen Dank für deine Anmerkung. Ich glaube bei der Emotionalität dieses Themas ist es wichtig etwas Humor zu bewahren.
    Ich finde es einen interessanten Gedankengang, ein Szenario auszumalen, was denn wäre, wenn die Kirche noch stehen würde. Ich möchte diese Vorstellung gleich aufgreifen doch vorweg will ich meine bisherigen Gedanken noch etwas präzisieren: Ein wie auch immer vollzogener Aufbau der Paulinerkirche, wäre halt nur eine Rekonstruktion (nicht wie im Falle der Dresdener Frauenkirche ein wirklicher Wiederaufbau), solche Rekonstruktionen können den Geist eines Gebäudes nicht wiederbringen. So sehe ich das auch beim Berliner Schloss, beim Braunschweiger Schloss etc. Ein Beispiel: Meine Mutter erzählte mir immer, dass es in der Universitätskirche "alt" roch – wahrscheinlich meinte sie, diese ganz besondere "Seele" die in historischen Gemäuern zu spüren ist. Ein Neubau kann diese "Seele" eines Gebäudes nicht wieder bringen. Ein anderes Beispiel: die romanischen Kirchen Kölns wurden nach dem Krieg wieder aufgebaut – das sieht man den Gebäuden nicht nur an, man spürt es wenn man in den Kirchen ist. Es wirkt alles irgendwie neu und ziemlich steril, nicht einzigartig. Bei einer wiederaufgebauten Universitätskirche wäre es wohl so ähnlich.
    Dein Szenario einer erhaltenen Unikirche am heutigen Augustusplatz wirft eine komplexe Fragestellung auf. Natürlich verbietet es sich, ein orginales Gebäude abzureisen - es ist ja nicht nur Teil unseres gemeinschaftlichen Erbes; Indentifikationspunkt, es kündet uns auch vom handwerklichen Können und ästhetischem Empfinden unserer Ahnen – stiftet also unsere heutige Identität mit. In der Situation, die du beschreibst, sehe ich die Architekten in der Pflicht. Leider haben diese in der heutigen Zeit, nicht immer das Gespür, mit den gegebenen baulichen Situationen angemessen umzugehen. Das was in der Gründerzeit noch gelang, ist heute die Ausnahme – nämlich die Anpassung des neuen an das Gegebene. Kurzum, sollte die Unikirche heute noch stehen, müsste sich ein Neubau der Universitätsgebäude am gegebenen orientieren. In diesem Zusammenhang finde ich auch den Bau des Kroch-Hauses, als nicht gerade gelungen –*dies aber nur am Rande.


    Ich würde mir wünschen, dass am Neubau, an prominenter Stelle, daran erinnert wird, welche Kulturbarbarei einst stattfand. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass gerade die Universtätskirche und ihr Schicksal als Lehrbeispiel für falsches Dogma in der Architektenausbildung Eingang findet.
    Ganz davon abgesehen finde ich es eine himmelschreiende Schweinerei, dass die Verantwortlichen für den Abriss, auch heute immer noch ungesühnt unter uns sind. Und von der Gemeinschaft noch nicht einmal dazu aufgefordert werden, ihr damaliges handeln zu rechtfertigen.

    Vielen Dank für die Anmerkungen. Ich kann nur den von DJ-Tinitus vorgetragenen Argumenten zustimmen und mit aller Entschiedenheit betonnen: Der Staat, als Bauträger, ist zur konfessionellen Neutralität gegenüber allen verpflichtet. Wenn das Bedürfniss nach Gottesdiensten jedeweder Art besteht, dann genügt dafür – besonders in öffentlichen Gebäuden – ein Andachtsraum, der jeder Konfession offen steht und keiner Glaubensrichtung explizit geweiht gehört.


    Baukasten: "Stimmt, genauso sollten endlich alle Bauten der Renaissance und des Barocks aus Leipzigs Altstadt entfernt werden, da deren architektur-historische Bedeutung in einem gründerzeitlich und zeitgenössisch überformten Umfeld nicht mehr zum Tragen kommen kann."


    Wenn du das so siehst, dann wohl an. Was nicht verstanden wurde, ist die Tatsache, dass die historische Kontinuität nicht gegeben ist. Bei dem von dir gezeigten Beispielen ist eine historische Entwicklung klar erkennbar und erlebbar. Die Bauten der Leipziger Altstadt, egal aus welcher Epoche, ergänzen sich (Ausnahmen bestätigen die Regel) in architektonischer Hinsicht durch ihre Fassadengliederungen, Geschosshöhen, Grundrisse, Umgang mit baulichen Details. Der Augustusplatz ist bis auf vier Ausnahmen durchweg Nachkriegsarchitektur, die zur Zeit um einen postmodernen Neubau ergänzt wird. Eine historische Abfolge und Kontinuität, vor allem eine gestalterische Bezugnahme der verschiedenen Epochen ist nicht mehr erkennbar. Wenn jetzt Bürger der Meinung sind ein Bauwerk in dieser gestalterischen Monografie wieder zu errichten, welchem jeder Ortsbezug fehlt, nur das es eben wieder da steht, dann hat es den Makel des Nostalgieschicks und entbehrt nicht eines gewissen Kitschs, da ja der Gesamtkontext nicht mehr existiert.

    Universitätsaula

    @ Stahlbauer
    vielen Dank für deinen Beitrag und für den Versuch die Sache mit etwas mehr Objektivität zu betrachten. Ich beobachte die Diskussionen um die Leipziger Universitätskirche seit geraumer Zeit mit einem gewissen Kopfschütteln. Der Ärger über den Verlust des spätgotischen Bauwerks und der damit verbundene Identitätsverlust der Stadt und Universität Leipzig, kann ich nachvollziehen und ist wohl auch nur zu verständlich. Auch die Bemühungen um den Wiederaufbau, auch wenn diese wohl doch eher Fehl am Platz - im wahrsten Sinne des Wortes - sind.


    Ein Baudenkmal wie die Universitätskirche St. Pauli lebt mehr oder weniger mit vom örtlichen Bezug. Der Standort Augustusplatz ist durch Krieg, kommunistische Willkür und gestalterisches Unverständnis total verändert wurden. Ein Wiederaufbau des ursprünglichen Gotteshauses – welches ja auch schon zu Martin Luthers Zeiten als Aula genutzt wurde – am heutigen Augustusplatz ist ähnlich der Erschaffung von Disneyland: Kitsch und Retroschick. Das meine ich nicht, weil ich für das baukünstlerische Erbe unserer Nation kein Empfinden habe, sondern weil der historische Ortsbezug nicht mehr gegeben ist. Ein Wiederaufbau der Universitätskirche hätte auch einen Abriss des Gewandhauses, der Oper, der Hauptpost oder des Weisheitszahns etc. zur Folge um die architektur-historische Bedeutung des Gesamtensemble zu visualisieren, deren Bestandteil ja auch die Universitätskirche war. Ich finde, dass die Stadt Leipzig und besonders die Universität mit dem in Realisation begriffenem Gebäude sehr zufrieden sein kann.


    Ähnlich wie Stahlbauer bin ich der Meinung, dass wir in einer säkularisierten Gesellschaft leben in der die Aufgaben von Staat und Kirche getrennt gehören. Der Freistaat Sachsen als Bauträger und Finanzier des Projekts hat das alleinige Bestimmungsrecht über seinen Bau. Wenn die Kirchen dieses Landes der Meinung sind, sie müssten sich wieder mehr um das Seelenheil der Bürger kümmern, können sie das gerne tun. Aber nicht in Gebäuden die mit Mitteln der Allgemeinheit errichtet werden und deshalb der Gesellschaft - ohne ansehen des Glaubensbekenntnis - zur Verfügung stehen.