Ich habe die Diskussion nur am Rander verfolgt, werde aber das Gefühl nicht los, dass man sich hier um ungelegte Eier Gedanken macht. Es ist in meinen Augen mühsig, hier irgendwelche Hätte-Wäre-Wenn-Szenarien zu spinnen. Fakt ist doch, die Gebäude sind belegt und die Bausubstanz ist in einigermassen ordentlichem Zustand. Warum sollte man diese Gebäude beseitigen? Natürlich schmerzt mich der Verlust eines historischen Gebäudes. Doch wenn diese Gebäude seit Jahrzehnten ungenutzt rumstehen, der Schwamm und Schimmel die Bausubstanz so mürbe gemacht haben, dass Sanierung nicht mehr möglich ist, warum diese Gebäude dann erhalten? Erhaltung um der Schönheit willen, kann (und vor allem will) sich unsere Gesellschaft nicht leisten – wir leben nun einmal im Kapitalismus und da regiert der Taschenrechner.
Natürlich kann ich das Argument verstehen, dass die Plattenbauten die Sanierung von "Gründerzeitlern" verhindern. Doch was wäre gewonnen, wenn Platten in großem Umfang abgerissen werden? Der Markt wird künstlich verknappt – mal davon abgesehen, dass für die Mieter erstmal Ersatzwohnraum zu schaffen ist – und dem Spekulantentum Tür und Tor geöffnet. Wohnungsbaugesellschaften wären in der Lage am Markt mit billigen Null-Acht-Fünfzehn-Sanierungen zu bestehen. Das hätte nicht nur Rückwirkungen auf die Wohnqualität, sondern auch auf das Stadtbild. Hier kann ich djtinitus nur zu stimmen: Qualität ist das A und O.
Was ist eigentlich, wenn in zehn Jahren (hoffentlich) die Situation eintritt, dass Leipzig nicht mehr in die Substanz wachsen kann, sondern neue Wohnlösungen her müssen? Die Mieten werden steigen – egal in welchem Quartier. Dann wird jede unsinnig abgerissene Wohnung schmerzlich vermisst werden und dann ist es nur allzu wahrscheinlich, dass an der Stelle der (gehen wir mal davon aus) abgerissenen Punkthochhäuser, einfallslose Invenstorenlösungen hingesetzt werden – viel gewonnen für den Johanna-Park.
Tatsache ist doch, dass es an einer ästhetischen Zielsetzung für die Zukunft mangelt. Wie soll denn unsere Stadt in Zukunft aussehen? Einheits-Rauputz-Wohnbutzen oder stimmige Architektur im Einklang mit dem Bestehenden? In diesem Zusammenhang sehe ich die Plattenbauten als tatsächlich Erhaltenswert, denn nur wenn genügend Anreiz an Bauherren gegeben ist, sich für hochwertige Lösungen zu entscheiden, werden auch hochwertige Lösungen entstehen. Und auch da kann ich djtinitus nur recht geben, erst den einen Schritt und dann den anderen machen. Die Gebäude müssen ersteinmal entstehen. Hier im Westen wird jeder Schweinekoben als Wohnung angeboten und das könnens ich die Herren auch nur deshalb leisten, weil es ein ordentlich verknapptes Angebot und die Mieter sowieso keine Wahl haben, da eh nur Einheitsbutzen gebaut werden. In diesem Sinne sehe ich die Platte als deutliches Druckmittel. Als Druckmittel für Bauherren zu qualitätsvolleren Lösungen und als Druckmittel für die Kommunen die dringend notwendig Infrastrukturanpassungen zügig in die Wege zu leiten.