Im Gegensatz zur Alten Oper ist die Begründung für den Denkmalschutz wohl zumindest umstritten.
Warum? Die alte Oper ist historistische Durchschnittskost, wie man sie in ganz Europa, Nord- und Südamerika, Russland und Australien in jeder mittleren und großen Stadt dutzendfach findet. Du und einige andere scheinen den Fehler zu machen, aus persönlicher ästhetischer Sympathie einen absoluten kunsthistorischen Wert abzuleiten. Dass Du persönlich diesen Bau irgendwie schön und jenen Bau irgendwie hässlich findest, ist kein überzeugendes Argument, wenn es um Fragen des Denkmalschutzes geht. Im frühen 19. Jahrhundert wurden gotische Kirchen hundertfach abgerissen, als Ställe oder Lagerhäuser benutzt, weil kein Mensch damit ästhetisch etwas anfangen konnte. Im späten 19. Jahrhundert betrachtete man annähernd die gesamte Architektur des Barock als eine bizarre, geschmacklose Verfallskunst, für die Europa für sich zu schämen habe. Im mittleren 20. Jahrhundert nun wurde die historistische Architektur fast geschlossen als minderwertiger, einfallsloser Kitsch und urbanistisches Totalversagen betrachtet, das nach Belieben zu zerstören eine Wohltat für die Städte darstelle. Heute ist es eben gerade en vogue, die Architektur der 1950er-1980er Jahre als wertlosen Schrott zu betrachten und deren Vernichtung zu fordern. Ich gehe jede Wette ein, dass sich innerhalb einiger Jahrzehnte der Wind wieder dreht und man im Jahr 2050 bitter beklagen wird, dass die puristische Architektur der 1950er und 1960er Jahre flächendeckend zerstört wurde, um sie durch die unsägliche Architektur des frühen 21. Jahrhunderts zu ersetzen - und im Jahr 2100 wird es dann wieder anders aussehen und man wird zum Schluss kommen, dass die zeitlos elegante Architektur des frühen 21. Jahrhunderts einen besonderen urbanen Schmuck darstelle.
Kurzgefasst: Bewertungsmoden, was die Einschätzung eines Architekturstils angeht, kommen und gehen zuverlässig im Rhythmus weniger Jahrzehnte. Jede Generation findet phantastisch, was ihre Großväter und schrecklich, was ihre Väter gebaut haben. Mich persönlich spricht das Philosophicum ästhetisch ganz und gar nicht an - aber ich verabsolutiere meinen persönlichen Geschmack nicht zum Maßstab der Erhaltungswürdigkeit und erkenne an, dass es sich um ein für seine Zeit technisch innovatives Bauwerk handelt, das die Durchschnittskost seiner Zeit in vielem übertrifft und das ein bestimmtes architekturästhetisches Prinzip seiner Zeit in besonderer Reinheit verkörpert. Ich würde es nur sehr ungerne sehen, dass ein Bauwerk, das später vermutlich einmal als besonders bemerkenswertes Beispiel seiner Zeit eingeschätzt und vielleicht auch ästhetisch geschätzt wird, durch irgendeinen Durchschnittskasten ersetzt wird, der keine Besonderheiten aufweist, den wir heute ganz nett finden, den aber in 50 Jahren jeder als belanglos empfinden wird.