St.Pauli Music Hall.
Teil 2.
Dass ein neuer Unterhaltunstempel ausgerechnet in St.Pauli entstehen soll, hat natürlich einen prägnanten und symbolischen Hintergrund zugleich.
Im Prinzip habe ich persönlich nichts gegen neue Arenen oder Stadien, mich fragt ja auch keiner, nur irgendwie ist die Entwicklung schon sehr beunruhigend. Den kleinen Leuten unter uns geht es finanziell gesehen immer schlechter, vor allem nach der Osterweiterung wenn vieles nach Polen, Rumänien, Ungarn, usw. verlagert und bei uns dicht gemacht wird (nicht nur in Deutschland, in Italien gehen die Arbeiter schon auf die Barrikaden), und nur die Reichen und Superreichen, die wahren Gewinner der Globalisierung, dürfen sich die Hände heiß reiben. Was wird aber uns geboten? Sport und Unterhaltung zum Ablenken, als Beruhigungsmittel, zumal das bestimmt kein Zufall ist, wie die "Gehälter" der "Sportler" und "Künstler", der besten Freunde der Parteien aller Farben, in den letzten Jahren sich entwickelt haben.
Um wieviel sind unsere Gehälter in den letzten 10 Jahren denn gestiegen? Höchstens um 100%, oder gar nur 50, noch weniger vielleicht??? In diesem Zeitraum sind aber die Gagen von Dion, Madonna, Beckham und den anderen um 1000% oder mehr gestiegen, gewaltig natürlich auch die der "Kleinen", wie die der deutschen Fußballspieler oder Handballer.
Wir leben in einem Land wo das Wort "Arbeit" langsam zum Unwort wird, fast schon ein Tabu, ein Synonym für eigene Unfähigkeit, Blödheit und Resignation. Geld erarbeitet man sich als "Sportler", "Moderator", "Talkmaster", "Unterhaltunskünstler", "Pokerspieler", "Bankier", "Börsenheini", "Werbefritze", "Quizmaster", "Experte", usw. nicht mehr, sondern man beschafft es sich, was wir jeden Tag hundertfach aus dem TV lernen dürfen, und wer so blöd ist um am "Fließband" oder als Verkäufer bei Aldi sich sein Geld fürs Brot zu verdienen, ist selber Schuld. So einem werden dann abends als Zucker fürs Brot "Sport"-Emotionen angeboten, das Mitfiebern beim Zuschauen wie so ein Podolski fürs Nichtstun mehr "verdient" als andere für ihre Arbeit oft 10 Stunden am Tag, über viele, viele Jahre. Und wenn jemand glaubt all dies freiwillig zu tun der irrt gewaltig. Fast keiner von uns hat dieses, manchmal jahrzehnelanges, "Medien-Tuning" unbeschadet überstanden, und auch die Sponsoren- und Werbegelder bezahlen wir alle, egal ob wir es wollen, nutzen oder auch nicht.
Back to the "St.Pauli Music Hall" (wenn schon angloamerikanisch, dann aber konsequent).
Welcher Privatinvestor könnte da anbeißen? Einer von den ganz Großen vielleicht?
Ich habe auch hier absolut nichts gegen solche Herren wie Herr Otto oder Herr Hopp, und es ist deren Sache wo und wie sie ihr Geld investieren. Passend und nachdenklich zu der ganzen Enwicklung ist jedoch die Tatsache, daß diese Leute zunehmend mit Gewalt in Event-Bereichen aktiv werden, und das obwohl überall, vor allem aber in Bildung und Wissenschaft, es am Geld mangelt.
Brauchen wir aber die Wissenschafft und Bildung? Brauchen wir überhaupt etwas was uns daran erinnert? Brauchen wir Symbole herfür?
Nein, nicht unbedingt. Leider.
Früher, als die Welt noch überschaubarer und unbeweglicher war, war alles viel klarer. Die Stadt und diejenigen, die in der Stadt etwas zu sagen hatten, hatten auch ein überlebensnotwendiges Interesse in ihre Heimatstadt und ihre Bürger zu investieren, Bildung selbstverständlich inklusiv. Heute aber hat ihr Geld weder einen hamburgischen noch deutschen Charakter - es ist global geworden. "Meine" Bank heisst schon lange nicht mehr Haspa, "meinen" Wohnsitz habe ich auf Florida oder in Dubai, und Leute, die für mich arbeiten sollen hole ich mir je nach Wetter von dort wo sie gerade am günstigsten sind - heute aus Polen oder Rumänien, morgen aus China, und übermorgen weg damit, und wir werden sehen. Wenn das Abenteuer aber am Ende doch noch schief gehen sollte? So what! Dann sage ich schlicht und einfach "in Hamburg sagt man Tschüs". Schliesslich bin ich ein waschechter und weltoffener Hamburger.
Wäre ich so ein Herr Otto mit 15000000000 auf der Bank würde ich sagen ....:
"Ok liebe Mithamburger, das Leben ist verdammt kurz, und auch ich würde gerne etwas vernünftiges Euch hinterlassen, wie wär's mit dem "Science Center" zum Beispiel. Ich weiß, die Stadt hat dafür kein Geld und wenn überhaupt dann wird es nur eine abgemagerte und wenig spektakuläre Variante davon geben. Auch auf den Namen "Otto Science Center" werde ich nicht unbedingt bestehen, obwohl dieses "O" und mein "O" ... wow ... sowas hätte schon etwas in sich. Aber egal. In dieses für die Bildung so symbolträchtige Objekt und in die Wissenschaft, in sowas stecke ich gerne mein Geld. Ich bin ein Ham-bur-ger!".
Nein, nein, nein, nur langsam, ich bin doch nicht du, also "investiere" ich lieber in "Events" und "Sport", besonders gerne in den Fußball, hole paar neue Fußballsöldner an die Elbe, die zwar heute den Begriff "Hamburg" ausschliesslich von den dickbelegten Brötchen bei McDonald's kennen, dafür werden sie später bestimmt mit Stolz den Stadtnamen der schönsten Stadt im Universum weit in die Welt tragen, mit angemessen-potenten Sponsorennamen auf der Brust, als Voraussetzung, versteht sich.
Braucht die Stadt 'ne neue Arena vielleicht?