Aber warum man einem alten Kiez in einer Großstadt nicht einen gänzlich anders gearteten zur Seite stellen kann, leuchtet mir bisher nicht recht ein.
Dagegen habe ich auch gar nichts.
Warum wird alte Bausubstanz "erschlagen" wenn man Ihr schöne, dem jetzigen Lebensgefühl entsprechende Architektur gegenüberstellt?
Wird sie nicht zwangsläufig. Ich habe doch nichts gegen moderne Architektur an sich. Die alte Bausubstanz wird nur "erschlagen", wenn die moderne Architektur ihre Dimensionen und die gewachsene städtebauliche Struktur ignoriert, etwa wenn Dom, ggf. Schloß und Marienkirche durch sie weit überragende Hochhäuser buchstäblich in den Schatten gestellt werden. Das ist bereits jetzt der Fall: Das Rathaus wirkt mickrig neben den sie optisch erdrückenden Rathauspassagen, die Marienkirche verkommt neben/unter dem Fernsehturm zum Spielzeug. Das kann ich nicht schön finden und freue mich deswegen, wenn dieser Effekt nicht noch durch ein Dutzend nahegelegene Wolkenkratzer verstärkt wird.
Warum erinnert mich diese Diskussion immer so an die staatliche Dauerbezuschussung von Theatern, Opernsälen und anderen erhabenen Kulturtempeln die vom ach so anspruchsvollen Bildungsbürgertum eingefordert werden. Aber wohl nicht in ausreichender Zahl besucht, sonst würden sie ja florieren.
Ich weiß auch nicht, warum es Dich daran erinnert, denn der Vergleich ist unpassend. Wetten, daß das Schloß von Touristen überrannt wird, wenn es erst einmal steht und sich damit indirekt für Berlin auch finanziell lohnt? Es ist kein Fall von Dauersubventionierung sondern eine Investition.
Wenn man nur ein wenig von diesem Geld in Kultur-Projekte für Jugendliche stecken würde, gäb's vielleicht auch ein oder zwei Drogen-Tote oder Hooligan-Deppen weniger.
Das halte ich für ein Gerücht. Abgesehen davon kann man das nicht gegeneinander aufrechnen.
Alt ist kein Wert an sich.
Nö. Und neu auch nicht. Aber Augenmaß bei der Stadtplanung, Respekt vor der städtebaulichen Kontinuität und den historischen Dimensionen einer Stadt meiner Meinung nach durchaus.
Aber rasiermesserscharf über die Dächer einer Stadt zu fahren und bis auf Kirchtürme (die, glaube ich, auch nicht mehr so recht besucht werden) und dem obligatorischen Fernsehturm alle anderen Gebäude dem Diktat der Vergangenheit zu unterwerfen ist mir unverständlich.
Na, na. Hat das hier jemand gefordert? Das ist ein rhetorisches Mittel, das schon Schopenhauer beschrieben hat: Steigere die Argumentation deines Gegenüber über ihren offensichtlich beabsichtigten Inhalt hinaus ins absurde Extrem - und dann distanziere Dich davon. Kleiner Dialog: A: "Ich will an dieser Stelle keine Wolkenkratzer". B: "Ach, Sie wollen wohl überall nur ebenerdige Hütten?"
Und bitte nicht die funktionierende, gut besuchte City-West gegen das Aufbaugebiet Alex ausspielen
Tut das jemand? Im Gegensatz zu Deiner vorherigen Behauptung habe ich eben nicht die "Rasiermesser-These" vertreten sondern überlegt, wo man denn, wenn es unbedingt gewünscht ist, Wolkenkratzer bauen kann ohne gleich ein unersetzliches, wetvolles historisch gewachsenes Stadtbild zu zerstören. Und da scheint mir die City West einer der Orte, an denen man das eher machen könnte als am Alexanderplatz (was nicht heißt, daß ich darüber jubeln würde).
Laßt die Jungs mit dem Kapital ran
Ja gerne. Solange sie nicht gänzlich ohne Rücksicht auf die gewachsene Stadt bauen. Aber das wollen sie ja zum Glück auch gar nicht. Sie wollen Einkaufszentren, aber keine Hochhäuser. Die wollen nur die Jungs mit dem Klingelbeutel. 