Hallo, ich möchte mich als Neumitglied kurz in das Gespräch einschalten, obwohl mich das Wiedererscheinen von Argumentationsketten aus der Steinzeit der Diskussion um das Humboldt-Forum ( Teilwiederaufbau des Berliner Schlosses ) etwas verwirren, wozu vor allem die einfach gewählten Schlagwörter à la Disney, Fassadismus/Kulissenarchitektur ( Potjemkinsche Dörfer ), Rückwärtsgewandtheit und Ähnliches gehört.
Mir liegt nicht daran, den Benutzer, von dem diese Diskussionstaktit hauptsächlich ausgeht, zu überzeugen.
Dennoch möchte ich Forennutzer Manuel bitten, einen gewissen Pegel an Desinformationspolitik nicht zu überschreiten. Dazu gehört beispielsweise 'Schinkel hat dieses Schloss gehasst'. Das Gegenteil ist der Fall: Die Stüler/Schadowsche Schloßkuppel über dem Eosanderportal wurde nach Schinkelschem Entwurf gebaut, wichtige Innenräume sind von Schinkel ( kronprinzliche Wohnung, Sternensaal, Teesalon ). Das Umfeld des Schlosses stammte quasi fast komplett aus Schinkels Feder: altes Museum, Gestaltung Lustgarten mit zentraler Fontäne, Schinkeldom, Packhof, Bauakademie - ohne daß Schinkel bemüht war, verändernd in die Fassaden des Schlosses einzugreifen. Vielmehr war in der Person Schinkels die Überzeugung vorhanden, das Schloß auf jeden Fall - auch in Zeiten des Geldmangels - zu erhalten und zu restaurieren.
Was die Fassadenarchitektur anbetrifft, so möchte ich 'Manuel' nach Bamberg verweisen, wo man alle Nase lang auf Fachwerkhäuser trifft, deren Schauseiten jedoch barocke Putzfassaden aufweisen. Auch unmittelbar am Schloßplatz trifft man auf Fassaden ( dem öffentlichen Teil des Gebäudes, welches gleichzeitig Teilnehmer am Stadtraum ist ), die der von 'Manuel' genannten Kritik entsprechen. Kronprinzenpalais, Prinzessinenpalais, Staatsoper, Kaiser-Wilhelm-Palais, Alte Bibliothek, Humboldt-Uni, Zeughaus und auch die in jüngster Zeit entstandene Kommandantur, die jedoch aus dem Rahmen fällt, da sie auf der dem Schinkelplatz zugewandten Seite in Stilbruch verfällt und somit den restlichen rekonstruierten/entkernten Gebäuden der Straße 'Unter den Linden' gegenüber inkonsequent handelt.
Auch das Schloß selbst war bis zur ideologischen Beseitigung in unmittelbarer Nachkriegszeit Fassadismus: der Umbau Schlüters in Zeiten des Barocks nutzte nämlich - bis auf kleine Ausnahmen - den Renaissancebaukörper weiter, was gar an der Fensteraufteilung gen Süden ( Stadtseite ) ablesen läßt. Das Berliner Schloß war in dieser Beziehung ein unfaßbares Juwel, an dem sich ein halbes Jahrtausend Architekurgeschichte ablesen ließ, so existierte trotz der zweiten monumentalen barocken Erweiterung durch Eosander von Göthe der Nering/Lynarsche Querbau, durch den ehemals die Hofgäste einfuhren, als Hofabschluß weiter und das bis zur Sprengung durch die DDR ( hierzu ein Bild - Quelle: Bildindex.de ).
In Anbetracht dessen möchte ich darauf hinweisen, daß Sie gerne von hingebauten Wänden sprechen können, wenn Sie sich Gipskartonwände in Ihre Wohnung einbauen, nicht aber im Falle von an der Statik beteiligten Fassaden eines Gebäudes, das in seinen Ausmaßen als größter Barockbau nördlich der Alpen galt. Thematisch betrifft dies denjenigen Teil des Schlosses, der Teil des Stadtraumes ist, wozu übrigens auch der Schlüterhof gehört, der auch vor dem Ende der deutschen Monarchie öffentlich zugänglich war und als Weg zum Lustgarten fungierte. Dieser ist auch keineswegs gestrichen worden, wie Sie das hier vermitteln. Viel mehr steht die Überdachung per Stahl-Glas-Konstrukt ( vgl. Zeughaus ) zur Disposition. Ähnlich verhält es sich bei der Kuppel, die nicht explizit Bestandteil der Empfehlung der Expertenkomission Historische Mitte Berlin war, weshalb hier kein Planungsbruch vorliegt.
Machen Sie bitte Ihren Frieden mit entkernten Altbauten, denn um einen solchen würde es sich im Endeffekt handeln.
Ihr zeigender, nackter Finger angesichts der bloßen Teilrekonstruktion des Schlosses scheint sowieso Scheinargumentation zu sein, da Sie keineswegs den Schluß ziehen, in der Folge ein größeren Rekoanteil zu fordern. Erst Rekobestrebungegen argumentativ topedieren und sich am Ende wundern, weshalb ein kaum befriedigender Hybrid enstanden ist ( zu beobachten im Falle der Kommandantur, bei der der am wenigsten historische Entwurf ausgeführt wurde ).
Coop Himmelb(l)au ist übrigens nicht in der Lage, die Fassaden an den Stellen der Portale zu 'durchbrechen', da dies schon von Schlüter getan wurde, denn Lustgarten- und Stadtportal korrespondieren beide mit Portalgegenstücken innerhalb des Hofes, die es dem Schlüterhof überhaupt erst ermöglichen, Stadtraum zu werden. Würden Sie mit einem Vorschlaghammer vor dem Portal stehen, um Ihren verlangten Durchbruch zu machen, würden Sie wahrscheinlich kaum in der Lage sein, den Hammer überhaupt bis zur Portaldecke hochzuwerfen. Genausogut könnten Sie mit Ihrem Heimwerkerbohrer ein Loch in ein Loch bohren. Aber da dieser Punkt hauptsächlich der Provokation dient, wird es sich wohl nicht lohnen, darauf weiter einzugehen.
Ich frage mich sowieso, wo Sie als Berliner während der letzten fünf Jahre waren, wenn Ihnen derlei Argumente erst jetzt einfallen.
Randinformation: eine Teileinbindung des PdRs kann und wird es aus konstruktionstechnischen Gründen nicht geben, da die Spiegelglasfassaden selbst nicht standfähig sind, sondern nur vorgehängt sind ( im Gegensatz zu den Barockfassaden ). Der Grundriß des PdRs blockiert zudem sogar das Fünf-Achsen-Risalit des Schlüterhofs.
Zitat von Manuel
Wenn man drei Seiten nachempfundener Schlossfassade an einen Zweckbau hängt und ein Stück vom Original sogar gegenüber steht, kann man nicht erzählen, man hätte das Schloss wieder aufgebaut[..]
Beim Lustgartenportal im Staatsratsgebäude handelt es sich abgesehen von den wenigen Skulpturen um eine Totalrekonstruktion. An dieser Stelle könnten Sie fordern, die dort befindlichen Originalfragmente wieder in die Lustgartenfassade zu überführen.
Beim Schloß sollte der Mut zur Rekonstruktion im Gegensatz zu einer vermeintlichen, kurzlebigen Selbstverwirklichungsarchitektur aufgebracht werden. 'Manuel', setzten Sie sich daher lieber für die Renaissancefassade + Maximum an Qualität im Rahmen archäologischer Rekonstruktion ein, damit das Humboldt-Forum in sich schlüssig wird.
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Das Charlottenburger Tor wurde im Zuge der Baumaßnahmen der 'Ost-West-Achse' der neuen Strassenbreite angepaßt. Die Alternative wäre ein Abriß gewesen, wodurch das Ch-Tor komplett verschwunden wäre. Ich kann mir schwer vorstellen, daß dies ernsthaft Ihren Wunschvorstellungen entspricht.