Ich muß hier leider auch mal eine Lanze für das Europaviertel-Ost brechen. So schlecht wie die Situation hier geredet wird ist sie nun in Wirklichkeit nicht. (...)
Den einzige wirklich gravierende Fehler hat man bei dem Abschluß der Gebäude nach oben hin gemacht, hier hätten Staffelgeschosse Wunder gewirkt, denn jetzt sieht es leider so aus als hätte jemand mit einem riesigen überdimensionalen Messer die Gebäude gekappt, daher entsteht aus der Entfernung die Wirkung des sozialistischen Plattenwohnungsbaus, nicht ohne Grund. (...) Im Nachhinein lassen sich bei späteren Sanierungen ja auch noch zierende Ornamente oder Details anbringen, denn keine Fassade hält ewig, deswegen gibt dem Viertel die Chance sich zu entwickeln
Volle Zustimmung. Ich habe von Architektur fachlich keine Ahnung, von daher kann ich mich nur auf meinen bescheidenen Geschmack und Meinung berufen, aber ich denke ebenfalls, dass Staffelgeschosse Wunder gewirkt hätten. "Dächer" im eigentlich Sinne (heißt für mich alles was irgendwie schräg ist ) sind aus Wirtschaftlichkeitsgründen wohl kaum noch zu erwarten - aber wie ich mittlerweile eingesehen habe, kann man mit gut gestalteten Staffelgeschossen einiges bewirken.
Den Unterschied zwischen dem "Vor Ort" Eindruck und den Fotos kann ich auch unterstreichen. Ich will aber auch nicht den Eindruck erwecken, ich wäre ein großer Fan dessen, was da gebaut wurde. Verteufeln soll man es aber auch nicht. Es muss sich entwickeln und wie oben mitschwingt (Fassadenerneuerung) muss man da (leider) auch mal in vielen Dekaden denken. Die jetzt noch so strenge Einheitlichkeit wird vielleicht im Laufe der Jahrzehnte ein wenig verloren gehen (und zu sehr soll sie bitte auch nicht weichen). "Charme", Urbanität oder wie man es nennen will kann man eben nicht verordnen und auch nicht planen denke ich.
Stadtviertel müssen wachsen um ein charakteristisches Bild zu entwickeln das em Ende harmonisch wirkt, war das nicht schon immer so? Jedenfalls wird doch allermeist das gelobt was gewachsen ist und selten das was am Reißbrett in den letzten Jahren geplant wurde oder? Und ist das -- offene frage, ich weiß es nicht -- nicht in vielen Epochen zu sehen, dass das was jüngst in Eile geschaffen wurde noch nicht so wirklich passt und für gut befunden wird? Was nicht heißen soll, dass es immer auf Friede Freude Eierkuchen hinaus läuft und man einfach nur warten muss. Das ist aber hier nun der Punkt. Im Europaviertel sehe ich durchaus die Grundlagen geschaffen für einen solchen positiven Prozess. Von einer zu strengen Einheitlichkeit auszugehen, um zu einer charakteristischen Vielfalt zu kommen ist alle mal einfacher als von geplantem Kraut und Rüben zu einem halbwegs harmonischen Bild.
Es ist nun mal so (und das ist in vielerlei Hinsicht auch gut so), heute setzt man die Viertel eben hin und dann muss man ihnen die Zeit geben, die die Entwicklung einer solchen Fläche und Baumasse bei einem "organischen" Wachstum auch gebraucht hätte. Ich meine, da wird gerade eine Stadt gebaut! Man stelle sich vor es wäre etliche einzelne Bauträger mit etlichen Einzelinteressen und Geschmäckern... es wäre im Streit nach und nach erweitert worden, hätte verschiedene technische Standards und Möglichkeiten der Dekaden widergespiegelt, es hätte Notlösungen gegeben, überraschende Einsichten und auch Chancen. Eben all das Unvorhersehbare aus dem dann nach langer Zeit so etwas wie (Achtung plakatives, überzogenes Beispiel) heute bewunderte "hübsche" Altstadtgassen entstehen oder eben (besseres Beispiel) auch die Skyline in Frankfurt. Das ist ja auch schon ein Prozess mehrerer Dekaden und jedes Mal war es -- ausgehend von einem zumindest grundlegenden "Plan" -- ein Gezeter und Diskussion, Verhandlung, Kompromiss, Lösung, Orientierung an dem was schon steht, Veränderung der Akzeptanz der Bürger, veränderte wirtschaftliche Situationen, technische Neuerungen und und und. Es kam oft anders als man dachte und am Ende steht die Skyline wie wir sie jetzt alle schätzen und mögen. Ich bin sicher hätte 1985 jemand gesagt hier ist der Plan, morgen beginnen wir 20 Hochhäuser auszuschreiben und das Bankenviertel zu entwickeln, wären wir heute deutlich unzufriedener mit dem Ergebnis.
Was ich sagen will ist also: Wichtig ist, dass die Voraussetzungen stimmen, dass die nach der ersten Fertigstellung einsetzende Entwicklung in die richtige Richtung zeigen kann. Mit Voraussetzungen meine ich a) die Diskussionskultur zwischen Bürgern, Stadt und Bauträgern. Da kann man viel (sehr viel!) mäkeln, aber unterm Stricht geht das in Frankfurt in den letzten 20 Jahren doch in die richtige Richtung finde ich. b) die Grundstruktur des Quartiers. Baumassenverteilung, Ausrichtung, Infrastruktur, Grünflächen, ... Diese guten Voraussetzungen sehe ich hier.
äh. Amen.
Ach und zur Einheitlichkeit noch. Ich bin vor Kurzem über den Campus Riedberg gestolpert. Bislang dachte ich ja die Neubauten des Campus Westend seien zu sehr einheitlich, zu streng, zu gleich, zu "ausgerichtet"... und nahm diesen Eindruck als Beleg dafür, dass dieser Glaube an die Einheitlichkeit nicht das Wahre ist. Es ist mir aber, war die Erkenntnis des Ausflugs, lieber als der Eindruck der zusammengewürfelten (für sich genommen aber wertigen und trotz spürbarer Ausrichtung auf Funktionalität ansehnlichen) Bauten am Campus Riedberg. Wohlgemerkt ich beziehe mich auf den Campus, nicht das gesamte Viertel.
Soll aber nicht offtopic werden. Daher: Off.