Ist z.B. der Dom auch absurd? Der wird immer mehr zur Rekonstruktion, da immer mehr Originalteile ausgetauscht wurden und werden. Was ist mit dem Berliner Schloss? Der Dresdener Frauenkirche?
Der Dom wird durch den ständigen Austausch von Bauteilen erhalten. Er stellt daher keine Rekonstruktion im eigentlichen Sinne dar. Ich habe nichts gegen den Erhalt von Baudenkmälern
Das Berliner Stadtschloss ist meiner Meinung nach die absurdeste Entwicklung. Das Gebäude existierte seit Jahrzehnten nicht mehr. Um es wieder aufzubauen wurde ein wichtiges Gebäude der Geschichte abgerissen. Das Stadtschloss war weder ein besonders beliebtes Gebäude (noch nicht mal der Kaiser mochte es), noch war es ein besonders hochwertiges barockes Schloss (es war eher "durchschnittlich"). Zum Wiederaufbau haben zahlreiche Kampagnen beigetragen. Bis heute weiß man nicht, was in dieses Gebäude überhaupt genau rein soll...
Die Frauenkirche war zumindest teilweise erhalten und wurde z.T. aus ihren eigenen Trümmern wieder aufgebaut.
Welchen Teil der Frankfurter Altstadt meinst du denn? Den Teil der in den 1970er Jahren wieder aufgebaut wurde?
Der Markt in Münster wurde unmittelbar nach dem Krieg wieder aufgebaut und nicht im Jahr 2020. Das macht einen gewissen Unterschied. Je weiter Zeit und Ort der Rekonstruktion vom Ursprung entfernt liegen, umso absurder wird die Rekonstruktion. Sie hat dann nichts mehr mit der Realität oder dem heutigen Ort zu tun. Sie ist dann quasi eine reine Kulisse ohne örtlichen/zeitlichen Bezug ("Disney World").
Wenn ich die Leitlinien aus den 1940er Jahren zum Wiederaufbau Kölns lese, wo es um den Wiederaufbau Kölns geht, dann schaudert es mich: "Unwerte Architektur" ist da noch das harmloseste.
Das war halt die Sichtweise der damaligen Zeit. Ich teile die nicht und kann es dennoch verstehen, dass man keine Lust mehr auf die "miefige" Architektur von (Ur)Opa hatte. Die Architektur der Nachkriegszeit hatte durchaus etwas erfrischendes und teilweise auch zeitloses. Dagegen wirkte die Architektur der Gründerzeit altbacken und klobig. Ich weise in dem Zusammenhang auch darauf hin, dass insbesondere in der Gründerzeit die Kleinteiligkeit der Altstadt zunehmend verschwand. Ebenso wie Gebäude des Klassizismus.
Weiterhin bitte ich um Erklärung, was an dem Türmchen am Gerichtsgebäude "monströs" gewesen sein soll?
Dieser Turm passte niemals auf dieses Gebäude:
http://www.bilderbuch-koeln.de…istorisch_postkarte_99940
Die Architektursprachen widersprechen sich extrem. Warum das gut aussehen sollte, bleibt wohl das Geheimnis von Kaiser Wilhelm
Weiterhin muss ich Dich verbessern: Die Kölner Neustadt war nicht überwiegend von wohlhabenden Bürgern bewohnt. Bis auf die Ringstraße, das Viertel am Volksgarten und um den Kaiser-Wilhelm-Ring war die Neustadt gut durchmischt.
Verbesserung notiert. So gemischt war das ganze aber auch nicht Da idealisierst du die Zeit etwas. Es gab schon eine stärkere räumliche Trennung. Z.B. "Südstadt" oder in Gebieten entlang der Bahngleise = Arbeiterquartiere.
Zumindest gab es kaum Mietskasernen, wie zu dieser Zeit in Berlin. Aber von einer hohen Lebensqualität in den gründerzeitlichen Quartieren kann keine Rede sein. Erst in der Nachkriegszeit verbesserte sich die Wohnsituation für viele Menschen: Es gab endlich Badezimmer und hellere Räume etc.
Die Gründerzeit sollte schon etwas differenzierter gesehen werden. Ich bin eher ein Fan der Architektur der 1920er Jahre: Neues Bauen (Bauhaus), Expressionismus, Art Deco... Außerdem schätze ich die Architektur der Nachkriegszeit. Dies gilt sowohl für die erste, als auch die zweite Nachkriegsmoderne. Ich empfehle in dem Zusammenhang das Buch: "Die Dynamik der 50er Jahre". Dann wird man das ein oder andere hier kritisierte Gebäude mit anderen Augen sehen