Beiträge von FlottiKompotti

    In diesem mehrere Jahre laufenden Forumseintrag gab es verschiedenste Ansätze wie mit der Wohnanlage am besten zu verfahren sei. Einerseits ist erörtert worden ob die Platten Denkmalschutz bekommen sollten oder nicht, ob eine Modernisierung und/oder Aufstockung in Frage kommt oder ob gleich Tabula rasa gemacht wird um neu zu bauen.

    In meinem ersten Eintrag habe ich die größten Gegensätze gegenüber gestellt und wollte drauf hinweisen, dass hier nicht über einen failed state/Kiez beratschlagt wird, sondern über ein funktionierendes Viertel (ist das nicht im Interesse der Allgemeinheit?).

    Meiner Ansicht nach sind diese Platten durchaus würdig um unter Denkmalschutz gestellt zu werden und das ohne Verklärung des Ostens. Ich selbst bin Österreicherin und lebe seit ein paar Jahren in der Gegend. Ich finde sie sind ein interessantes Zeitdokument der DDR Baugeschichte und durchaus gelungen auf ihre Art und Weise. Berlin war nun mal die Hauptstadt eines Staats, welchen es nicht mehr gibt und der die Menschen sehr geprägt hat. Ich finde diesen Hinweis nahe des Brandenburger Tors dafür angemessen.

    Natürlich bin ich mir bewusst, dass meine Meinung nicht neutral sein kann, da ich hier wohne.

    Ich als Bewohnerin des besagten Plattenbauensembles möchte mich jetzt hier auch mal gerne zu Wort melden. Ich habe mit Spannung mitverfolgt, welche Argumente in diesem Forum ins Rennen geschickt wurden für einen Abriss oder gegen einen Abriss. Ehrlich gesagt bin ich nun sehr erleichtert, dass die Wohnanlage kürzlich unter Denkmalschutz gestellt wurde.


    Leider musste ich feststellen, dass viele Architekten hier komplett die Bewohner, und derer gibt es viele, in diesen Plattenbauten übersehen und deren Recht hier zu wohnen völlig in Frage stellen. Viele der hier lebenden Menschen wohnen schon seit geraumer Zeit hier. Meiner Meinung nach sind die hier lebenden Menschen eher der Mittelschicht zuzurechnen. Es gibt einige Familien, auch mit mehr als einem Kind, die es sich leisten können zentral zu wohnen. Es gibt Schulen, Kindertagesstätten und Supermärkte für verschiedene Geldbeutel. Es ist eine gesunde Mischung aus Normalverdienern, teilweise auch mit Migrationshintergrund, die hier wohnen können und es herrscht ein unaufgeregtes, bodenständiges Klima auf den Straßen im Viertel. Es ist wirklich angenehm hier zu wohnen.


    Ich kenne nicht die genaue Anzahl der Bewohner in dem gesamten Plattenbauensemble, ich gehe aber von mehreren hundert oder etwa tausend Menschen aus. Diesen Menschen abzusprechen hier wohnen zu dürfen, nur weil die Wohnungen nicht ästhetisch genug und zu wenig repräsentativ für die Lage sind, finde ich schon höchstgradig arrogant und menschlich arm.


    Wenn hier alles platt gemacht worden wäre, hätte eine ganz andere Klientel die neuen Wohnungen bezogen. Für eine funktionierende, lebendige und sichere Gesellschaft ist es aber wichtig/unablässlich, dass unsere Gesellschaft gesund durchmischt ist. Durch die Neubauten werden nun sowieso auch besserverdienende Menschen in den Kiez ziehen. Die Frage ist, ob diese sich durch Normalverdienende gestört fühlen bzw. ob diese wirklich in einem Reichenghetto leben wollen. Wenn Sie das in der Tat wollen würden, wäre der moralische Kompass dieser Menschen sehr fragwürdig. Ich persönlich werde mich über das neue Angebot an Gastronomie/Läden freuen, wie sicher auch einige andere Bewohner. Weil, wie diskreditierlich von einigen hier behauptet, wohnen hier keine armen Schlucker oder sonstigen Bittsteller, sondern ganz "normale" Leute.


    Und ob es diese Leute verdient haben hier zu wohnen? Einige mussten jahrelang die größte innerstädtische Baustelle Europas über sich ergehen lassen, während der Potsdamer Platz aus dem Boden gestampft wurde. Diese Frage also bitte selbst beantworten.