Beiträge von Vertigo

    Wenn ein Privatmann das Geld locker macht und dafür sich seine "Azubis" aussucht ist das i.O.
    Aber es kann doch nicht richtig sein, dass von Steuergeldern eine Ausbildungseinrichtung finanziert die nur für Menschen bestimmter Herkunft eingerichtet wird. Warum darf niemand aus z.B. Japan an diese Einrichtung? So ein Schrott ist in Deutschland einmalig!


    Ich lehne jede Form von Quotierung als undemokratisch ab. Aber wenn es eine Nahost-Akademie gibt, dann ist es naheliegend, dass dort nur Menschen aus diesem Gebiet aufgenommen werden - ich darf ja auch nicht in einer offiziellen Frauenfußballmannschaft mitspielen. Diese Einschränkung ist ja nicht zufällig gewählt, sondern soll dem Austausch, der Völkerverständigung und dem Frieden in Nahost dienen - deswegen werden keine Japaner aufgenommen. Der Nahostkonflikt ist die Folge einer einer Politik, die bis vor 70 Jahren nur ein kurzes Stück weiter betrieben wurde: Ohne den Holocaust gäbe es wohl nicht den Staat Israel in dieser Form, auch nicht den Nahostkonflikt. Wenn Deutschland also nicht nur 1,5 Milliarden für den überflüssigen BND-Umzug, 470 Mio für die 3,2 Kilometer Verlängerung der A100, sondern im Vergleich dazu magere 20 Mio € für dieses Projekt ausgibt, finde ich das begrüßenswert.

    In Berlin werden Denkmäler, Häuser, Straßenzüge nicht umgewidmet, sondern abgerissen... Andererseits dien(t)en manche Gebäude sowohl der NS-, der DDR- als auch der bundesdeutschen Regierung.
    Die Neue Wache hat seit 1931 mindestens vier Gedenk-Metamorphosen durchlaufen, aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde ein "Kriegsmahnmal für den Frieden".

    Ich habe gerade keine Quelle zur Hand, aber meine mich zu erinnern, dass es zwei Entwürfe für die Siegessäule gab, die dem Kaiser gefielen, bei dem einem die Säule, bei dem anderen die Victoria - so kam beides zusammen, was eigentlich nicht zusammen gehörte. Daher kam der Ausspruch, dass die Victoria (bzw. "Goldelse") die "einzige Berlinerin ohne Verhältnis" sei. Durch Umsetzung und Erhöhung hat die Säule meiner Meinung nach sehr gewonnen.

    ^Es gibt keine allgemein anerkannte Punkteskala für kunsthistorischen Wert, aber die Sockel waren - wie die Wache - von Schinkel, die Standbilder selbst von Christian Daniel Rauch, einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer des Klassizismus. Das Ganze ist also als Gesamtkunstwerk anzusehen. Die Standbilder standen dort seit 1822 - warum sollte man sie dort nicht wiederaufstellen? Ansonsten: Einfach mal genau ansehen, dann wird auch Laien die Qualität deutlich.


    ^^
    Immerhin fordert Eisber (anders als bei Sharouns Staatsbibliothek oder der Komischen Oper) nicht den Abriss der Neuen Wache. Die gute Entgegnung von Konstantin will nur um zwei Punkte ergänzen: Nicht die BRD strich den Begriff "Preußen", Preußen wurde bereits zwei Jahre vor der Gründung der BRD vom Alliierten Kontrollrat aufgelöst. Wer sollte sich dann auch um das kulturelle Erbe Preußens kümmern, wenn nicht der Bund? Zum anderen war der Umzug nach Berlin nach einer Wiedervereinigung nur selbstverständlich, so lange diese Wiedervereinigung in weiter Ferne lag, der Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin war 1991 hoch umstritten und wurde nur sehr knapp vom Bundestag beschlossen - die Debatten dazu gehören zu den Höhepunkten des Bundestages.


    Und ja, selbstverständlich kann man auch heutzutage noch ohne Blingbling, nebengeordnetem Souvenirverkauf und Erklärungen in 337 Sprachen so etwas wie Erinnerung mit Würde vermitteln:


    Die Gedenkstätte für die "Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" war zum Zeitpunkt ihrer Errichtung alles andere als allgemein anerkannt, im Gegenteil, es gab massenweise Erregung, Unterstellungen, Beleidigungen, Vorwürfe etc. - davon ist glücklicherweise nichts haften geblieben. Aber für die, die vor über 20 Jahren zu jung waren, hier mal die Hauptvorwürfe der Debatte:


    - Eine kleine Kollwitz-Skulptur massiv zu vergrößern sei ethisch, urheberrechtlich, kunsthistorisch und ästhetisch problematisch, die Nutzung wurde nur möglich, weil die beiden Standbilder Rauchs (Scharnhorst und Bülow) auf Wunsch der Kollwitz-Erben nicht mehr neben der Neuen Wache aufgestellt wurden.
    - Die Pieta-Darstellung sei genuin christlich und schließe dadurch andere Opfergruppen, besonders Juden, aus. Zudem sei die Mutter/Frau nur indirektes Opfer, obwohl im WK II die Zivilbevölkerung besonders leiden musste.
    - Die Inschrift "Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft" differenziere nicht, sie setze Täter und Opfer gleich, etwa Freisler, der bei einem Luftangriff auf Berlin getötet wurde, mit einem Kind, das im KZ ermordet wurde.
    - Grundsätzlich die Problematik einen militärischen Bau, der auch im Driiten Reich und der DDR als Mahnmal genutzt wurde, als Gedenkstätte zu nutzen etc.


    Ein Denkmal, das nicht umstritten ist, kann eigentlich auch nur gewöhnlich sein. Mir fällt so spontan kein bedeutendes Denkmal ein, das im Vorfeld nicht angegriffen wurde. Die Qualität zeigt sich dann darin, wie es angenommen wird und ob die Sorgen der Kritiker berechtigt waren.

    Diese grundsätzliche Begeisterung für Hochhäuser in europäischen Städten kann ich nicht nachvollziehen, Urbanität braucht meiner Meinung nach keine Hochhäuser (ich liebe New York, aber Paris oder Barcelona wären ohne Hochhäuser kein bisschen reizloser).


    Aber dieser Vorschlag zwischen Bahnhof und Zoo scheint mir völlig absurd, obwohl ich Langhof sehr schätze. Es sieht völlig beliebig aus und wirkt als Rendering einfach nur unseriös: Ein durchsichtiger, funkelnder Kristall, von dem im Grunde nur Bäume zu sehen sind? Sehr realistisch!


    Wie viele grandiose Entwürfe habe ich für Berlin schon gesehen, die dann in der Umsetzung nicht nur ganz anders, sondern fast immer deutlich schlechter waren. Das Tükische ist dabei, dass Baugenehmigungen für Baumassen gelten, nicht aber unbedingt für bestimmte Entwürfe. Das Zoofenster hat die Baugenehmigung berkommen, weil ein sehr transparenter Entwurf von Richard Rogers gebaut werden sollte - mit dem jetzigen Bau von Mäckler hat er keine Ähnlichkeit.

    Was ist daran erschreckend? Im Parteiengesetz heißt es zur Aufgabe von Parteien: "Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern..." Genau das ist hier geschehen.
    Richtlinien und Bebauungspläne werden zudem von Parteipolitikern in Parlamenten und Ausschüssen festgelegt, Behördenleitungen von Parteipolitikern bestimmt - da also Parteien direkt oder indirekt über Bebauungen entscheiden, möchte ich gern auch ihre Meinung dazu hören.

    Ich verstehe die ganze Debatte nicht. Sicher, 99% aller Nachkriegsbauten in Berlin sind nichtssagend bis scheußlich und Berlin war vor der Kriegszerstörung deutlich schöner (obwohl ich die alte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nicht besonders gelungen finde).
    Aber der Eiermann-Komplex ist samt Turmruine nicht nur das Wahrzeichen West-Berlins gewesen, es ist auch mit Abstand der bekannteste deutsche Kirchenbau der Nachkriegszeit, wahrscheinlich der auch der einzige, der überhaupt überregionale Bekanntheit hat. Die vier Baukörper bilden in meinen Augen eine sinnvolle Einfassung der Turmruine. Wir haben hier eines der besten Denkmäler der Nachkriegszeit - warum sollte man das Foyer sprengen oder die Gemeindekapelle unter die Erde legen? Um Platz zu schaffen? Wofür? Die Buden sind doch nicht mehr gewollt...
    Auch der untere Bereich des Weltkugelbrunnens muss natürlich erneuert werden - aber trotz Leerstand, Nacht und November sieht das immer noch besser aus als die Kölner Domplatte.
    Warum wird hier so dermaßen mit dem Ensemble gefremdelt? Weil echte Berliner den Ku'damm selbstverständlich meiden?
    Die Turmruine war drei Jahre lang so geschickt versteckt, dass viele Touristen sie gar nicht gefunden haben. Wartet doch erstmal ab, bevor nach Abriss gerufen wird! Wenn erst die Turmruine ausgepackt, der Zoo-Palast wiedereröffnet und "Bikini Berlin" fertig ist (ein schönes Beispiel für die Revitalisierung von Nachkriegsbauten) und die Buden endlich wegbleiben, wenn im nächsten Schritt "Upper Westside" eröffnet und der Aischinger-Komplex hinter dem Walldorf-Astoria ersetzt wurde, spätestens dann wird auch jemand die nötige Kreativität und das nötige Geld aufbringen, um auch die Ostseite des Breitscheidplatzes auf Vordermann zu bringen.
    Die "Lichtbänder" für den Platz, die hier gefordert wurden, waren übrigens vor Jahren Teil des Wettbewerbssiegers, wurden dann aber für die Umsetzung gestrichen.

    Natürlich, eine Großstadt ist kein Museum, sie sollte ein Ort der Dynamik sein, der Veränderung, des Wandels, auf der Höhe der Zeit. Nutzungen, Ansprüche und Funktionen ändern sich, der Verkehr war vor 300, 100 oder 50 Jahren ein anderer als heute. Für kaum eine Metropole steht das wie für Berlin. Wären London oder Paris wie Berlin, stünden dort bestimmt Tower, Westminmster Abbey oder Notre-Dame nicht mehr... In Berlin musste ständig Neues dem Neuesten weichen, die Hofkirche weicht 1750 einem Barockbau, 1821 macht Schinkel den Dom klassizistisch, 1905 war der heutige fertig, Krieg und DDR überstand er nur knapp. Die Bauten wurden in Berlin immer größer, teurer und prächtiger (nicht immer auch schöner und geschmackvoller) - bis zum WK II. Welcher Platz, welche Straße ist durch Baumaßnahmen nach 1945 schöner geworden? Wie viele Straßen und Plätze wurden häßlicher? Wo hat sich die Aufenthaltsqualität verbessert? So subjektiv die Kriterien auch sein mögen... Berlin hat nur wenig im Stadtbild, das Identität stiftet. Wenn es "Kleinigkeiten" sind, wie der Weltkugelbrunnen oder die Weltzeituhr - warum lässt man sie nicht einfach stehen? Welches Problem geht von Ihnen aus? Sie sind weder asbestverseucht, ideologisch untragbar, noch braucht man ein neues Nutzungskonzept, etc. Ist der Weltkugelbrunnen schuld am Leerstand im EC? Strömen sofort die Luxusmarken ins EC, wenn nur der Brunnen weg und das Loch zu ist?
    Der Breitscheidplatz hätte als Verkehrsinsel ohne Gewerbe, Gastronomie und natürlich ohne den bösen Weltkugelbrunnen eine höhere Aufenthaltsqualität? Wer würde sich die Mühe machen, die Straßen zu überqueren? Ist der Ernst-Reuter-Platz auch ein beliebter Treffpunkt? Immerhin hat er grün, Sitzbänke und kein Gewerbe... Oder liegt es am Brunnen, dass ich dort nur wenige Menschen sehe, trotz der vielen Studenten in der direkten Umgebung?
    Berlin ist in der Nachkriegszeit sehr leichtfertig mit seinem Stadtbild umgegangen, auch nach der Wende wurden Fehler gemacht (Ahornblatt etc.) 08/15-Investorenarchitektur schafft weder Identität noch Heimatgefühl - da sollte man so etwas den Weltkugelbrunnen nicht leichtfertig opfern, auch wenn er mal beliebter war oder mehr in Mode als heute - das kann sich auch wieder ändern.

    Wenn es die "historisierende Ästhetik" geschafft hat, Menschen schon seit Generationen zu begeistern - warum wurden dann gerade in Berlin (Ost wie West) Tausende Häuser in diesem Stil als unmodern abgerissen? Wenn schon nicht Totalabriss, dann musste eben zumindest die historisierende Fassade daran glauben und wurde mit fiesen beigen oder brauen Kratzputz zugespachtelt. Diese Ablehung des Historismus gab es auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg, Peter Behrens hat bereits 1911 alles neugotische der Alten Fabrik für Bahmaterial von Johannes Kraaz entfernen lassen - die war gerade fünf Jahre alt! In den 1920er Jahren wurde dann im großen Stil entstuckt.
    Die Begeisterung für die Bauten der Kaiserzeit kam erst langsam wieder in den 1980er Jahren auf, heute werden die 50er Jahre-Bauten abgefeiert, vielleicht sind in zehn Jahren auch die fiesesten 70er Bauten begehrt - selbst Plattenbauten gelten manchen als Kult...
    Eine Denkmalschutzbehörde muss daher erkennen, was wertvoll ist, was Qualität hat, und das dann konsequent schützen, unbeeindruckt vom momentanen Zeitgeist. Der "Wasserklops" hat mir schon immer gefallen, zudem schafft er echte Aufenthaltsqualität (mehr als die ganze Friedrichstraße zusammen). Das Europacenter mit dem Stern gehört für mich zu den identitätstiftenden Bauwerken West-Berlins, es erinnert mich auch immer angenehm an das Seagram-Building. Natürlich muss es gründlich modernisiert werden, natürlich ist für mich nicht jede Ergänzung, nicht jeder Aschenbecher schützenwert - aber EC (zumindest der Office-Tower) und besonders der Weltkugelbrunnen sollten erhalten werden. Als gäbe es in Berlin keine größeren Städtebaulichen Problemzonen...


    Kleiner Nachtrag: Da hier sich die Berliner sich über angebliche Bedeutung des Brunnens für Berlin lustig machen - wenn ich in meiner Kindheit/Jugend an Berlin dachte, dann tauchten vor meinem inneren Auge neben Juhnke, Pfitzmann, Christiane F., Mauer, Zoo und Gedächtniskirche auch der Weltkugelbrunnen auf (die Brunnen vom Wittenberg- oder Mariannenplatz hingegen nicht).

    Dieser postmoderne Platzentwurf von Jahn mit seinem Hochhaus ist interessant, die anderen Hochhäuser wirken dagegen plumb. Aber warum sollte man ein Hochhaus bauen, das so groß (bzw. größer) ist als der Fernsehturm? Es rechnet sich in keiner Weise und bringt nur die Botschaft "Wir können noch höher als die Sozialisten!".
    Bisher ist der Fernsehturm ein Fremdkörper, mir ist nicht klar, warum man ihn entwerten würde, wenn er von deutlich niedrigeren Hochhäusern umstellt wäre - das würde ihn nur einbinden und aufwerten. Fierls Argumente verstehe ich nur in dem Punkt, dass einige der Hochhäuser prägnante Sichtachsen versperren könnten.

    Dass der BND für rund 1,5 Milliarden von Pullach nach Berlin umzieht - das ist Luxus (von vielen anderen staatlichen Ausgaben ganz zu schweigen).
    Die Wiederherstellung (kunst-)historisch bedeutsamer Bauten halte ich dagegen nicht für Luxus, sondern unerlässlich für das kulturelle Gedächtnis, das Erscheinungsbild und für die Identität einer Stadt. Da oft staatliche Behörden den Abriss beschlossen haben, ist es auch eine staatliche Aufgabe diese Fehlentscheidungen (so weit das überhaupt möglich ist) zu korrigieren. Ich würde es auch eher als Investition in einen Standortvorteil sehen.

    Ich mag den Weltkugelbrunnen! Er ist prägnant, hat eine klare, aber sehr vielfältige Formensprache und animiert Kinder so wunderbar zum Schleusenbau - und das "Loch" hat den Vorteil, dass zumindest dort keine Buden stehen... Der Weltkugelbrunnen gehört für mich zu den gelungensten Beiträgen der 1960er-1980er Jahre in Berlin.

    ^Das soll wirklich das wichtigste sein?!? Wäre es dann nicht nur konsequent, auch das Brandenburger Tor abzureißen, damit man vom Pariser Platz einen freien Blick auf den Tiergarten hat?
    Der Zoologische Garten Berlin ist der älteste Zoo in Deutschland und der artenreichste der Welt, mit einigen architektonischen Schmuckstücken. Pro Jahr hat der Zoo (trotz hoher Preise) rund 3 Mio Besucher - das bestbesuchte Museum (Pergamonmuseum) hat nur ein Drittel dieser Besucher. Der Tierpark Berlin kommt immerhin auch noch auf fast eine Million Besucher pro Jahr - ganz davon abgesehen, dass die meisten Berliner ihre Zoos abgöttisch lieben. Beide Zoos gelten (laut Stern) als die besten Großzoos in Deutschland. Wenn man sich drei Universitäten und Opern leistet - warum nicht auch zwei weltweit anerkannte Zoos?
    Wie kann man bei all' den vielen Problemen Berlins auf die Idee kommen, gerade das zu beseitigen, was wirklich anerkannt gut, beliebt und ein Besuchermagnet ist? Der Zoo steht dort schon seit 1844, was kaum eine Institution oder auch nur Gebäude in dieser Gegend von sich sagen kann. Wie würde wohl ein öffentlich frei zugänglicher Park direkt am Bahnhof Zoo schon nach kurzer Zeit aussehen? Der hätte betimmt eine goßartige Aufenthaltsqualität....

    Sicher, Elser hat den Tod von Nazis billigend in Kauf genommen, den Tod einer Kellnerin aber nicht gewollt und sehr bedauert - während der Rede durfte nie bedient werden.
    Widerstand ist eben eine komplexe Sache, nicht immer ohne Opfer, nicht immer mit "weißer Weste" zu leisten. Aber Stauffenberg hat das Gleiche wie Elser gemacht, nur eben nicht schon 1939, sondern erst 1944. Trotzdem war er im Westen immer der Vorzeige-Widerstandskämpfer, Elser hingegen, dessen Erfolg vielleicht 50 Millionen Menschen das Leben gerettet hätte, wurde bis zur Wiedervereinigung weitgehend totgeschwiegen.


    Die Dominanz und Größe des Denkmals überrascht mich - obwohl es nur eine gebogene Stahlstange ist, ich finde es aber außerordentlich gelungen!

    Sicherlich wurden hier alle Argumente x-mal ausgetauscht, ich habe mir auch nicht die letzten 40 Seiten durchgelesen. Aber deine Vorwürfe, Tarsis, verstehe ich nicht.
    Keiner bestreitet, dass es gut ist, möglichst viel originale Bausubstanz zu erhalten (auch wenn z.B. die jetzige japanische Botschaft eine Rekonstruktion aus neuen Materialien ist, während die alten Steine abgeräumt wurden).
    Die Frage ist doch, warum für dich Stülers Museum einerseits ein architektonischer Meilenstein ist, du aber andererseits eine völlige Rekonstruktion ablehnst. Warum ist für dich ein Museum im Ruinenlook ein größerer Beweis von Respekt vor Stüler als ein Erhalt der noch existierenden Teile samt Ergänzung durch Rekonstruktion? Schließlich geht es nicht um ein Kunstwerk, das von der Hand eines genialen Meisters erschaffen wurde, sondern um ein Bauwerk, das von Arbeitern nach den Plänen eines (genialen) Architekten gebaut wurde.
    Du betonst doch selbst, dass es die beste Entscheidung war, "dass die Zerstörung und Geschichte des Hauses sichtbar blieb". Und da möchte ich einfach wissen, warum das so ist, warum du Schäden als historisch wertvoll empfindest - und nach welchen Maßstäben du das festlegst. Die Anna-Amalia-Bibliothek ist ein aktueller Unglücksfall, da gelten deiner Meinung nach andere Maßstäbe als nach Kriegsschäden vor 60 Jahren. Sollte man also auch die Schäden im Neuen Museum differenziert betrachten? Die direkten Kriegsschäden aus moralisch-historischen Gründen sichtbar lassen, die Frostschäden von 1986 aber beseitigen?
    Du lässt die Frauenkirche nicht als Argument gelten, weil der Altar u.a. nicht ganz rekonstruiert wurde - aber der Großteil der Kirche ist reine Nachbildung. (Zuerst wollte man noch einen Giebel wie abgebrochen auf der Straße liegen lassen, man hat diese Idee aber wieder verworfen...) Wäre es für dich also in Ordnung, wenn man nur eine Ecke des Neuen Museums rußgeschwärzt und mit Einschusslöchern belassen hätte? Und warum kann man jetzt nicht die Erlöserkirche mit dem Neuen Museum vergleichen? Wenn nichts mehr da ist, darf man alles rekonstruieren, wenn noch die Hälfte da ist, aber nichts?
    Wie aktuell darf denn nun ein Schaden sein, um den vorherigen Zustand herzustellen? 1 Jahr? 10 Jahre? 60 Jahre? Oder ist der Urheber wichtiger? Das alte Adlon brannte zwar 1945 aus, aber nicht durch Kriegseinwirkungen - hätte man es dann rekonstruieren dürfen?
    Das Argument der Besucherzahlen ist doch sehr an den Haaren herbeigezogen - glaubst du wirklich, eine Gesamtrekonstruktion des Neuen Museums (oder der Ulmer Altstadt) hätte weniger Besucher angezogen?

    "Profanbau" ist völlig korrekt, damit wird ein öffentliches Gebäude bezeichnet, das kein Sakralbau ist - und dazu zählt auch das Neue Museum, auch wenn es ein "Kunsttempel" ist.
    Wenn dich die Genialität Stülers so begeistert - warum bist du dann gegen eine Totalrekonstruktion (mit verdeckten technischen Neuerungen)? Sicher, heute würde man die Räume nicht mehr so ausgestalten wie Stüler damals - aber das macht doch gerade den Reiz aus. Zumal das Treppenhaus, das man problemlos hätte rekonstruieren können (die Kaulbach-Vorlagen sind noch vorhanden), was die DDR auch vorhatte, kein Ausstellungsraum ist und somit auch nicht von den Objekten abgelenkt hätte. Eine riesiege nackte Ziegelwand hätte Stüler wohl abgelehnt...
    Ich findes es noch immer nicht nachvollziehbar, warum Schäden plötzlich als unantastbar, authentisch und historisch wertvoll gelten. Wenn Neonazis ein jüdisches Grabmal beschmieren - soll das dann als "Teil der Geschichte" so bleiben? Hätte man die Anna-Amalia-Bibliothek nach dem Brand nicht wieder herstellen sollen? War die Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche respektlos gegenüber Bähr (zumal man Kirchen heute gar nicht mehr im Barockstil baut...)?


    Wenn aber immer wieder modernistisch bauende Architekten die Verhunzung von Altsubstanz mit ihren Applikationen aus Beton, Glas und Stahl als "spannenden Kontrast" bewerben, dann glaube ich Ihnen nicht...


    Aldo Rossi ist zwar kein modernistischer Architekt der Glas-, Stahl-, und Betonfraktion, aber immerhin hat zumindest er in sein Quartier Schützenstraße einfach eine Renaissance-Fassade (die an den Palazzo Farnese in Rom erinnert) eingefügt...