Projekt Radbahn unter der U1
Oh je... da kommt das nächste Reizthema. Nach zwei Tagen 16.000+ Kommentare. Ab geht die Post...
In meiner idealen Welt würde man das an ein erfahrenes niederländisches Verkehrsplanungsbüro abgeben und eine realistische Lösung entwickeln lassen, die einen Fokus auf Fußgänger und Fahrradverkehr setzt und gleichzeitig den Autoverkehr rational integriert, so wie es in den Niederlanden Gang und Gäbe ist.
Ich bin ganz klar für verkehrsberuhigte Kieze, für den flächendeckenden Ausbau von Radwegen und ÖPNV und an den richtigen Stellen auch für den Rückbau von PKW-Infrastruktur. Bei diesem Beispiel frage ich mich halt schon, inwiefern es realistisch ist, die Kapazität für den Autoverkehr einer Hauptverkehrsader der Innenstadt auf eine Spur pro Richtung zu reduzieren. Vielleicht gibt es hier ja Verkehrsplaner, die mich eines besseren belehren können. Der Abschnitt ist ja jetzt schon stark frequentiert. Wie kommen Rettungswagen hier dann zur Rush Hour durch? Was sagen die Feuerwehrleute von der Wiener Straße dazu?
Hier sieht man die unterschiedlichen Gestaltungsvorschläge:
https://mein.berlin.de/projekt…ersuchung-der-radbahn-u1/
Was mich dabei am meisten irritiert: Das Paradigma "Da ist ein Viadukt, da muss ein Fahrradweg drunter" (oder eben ein DJ-Pult, siehe Variante B). Es existieren bereits Fahrradwege. Die sind zwar schmal und in schlechtem Zustand, aber das lässt sich ja ändern. Warum will man neue Konfliktzonen in den Kreuzungsbereichen schaffen, indem man einen zusätzlichen Fahrradweg unter der Hochbahn baut?
Ich würde Folgendes bevorzugen:
- Die Parkstreifen an den Seiten wegnehmen
- Neue, breite Radwege auf die ehemaligen Parkspuren, baulich abgetrennt vom PKW-Verkehr
- Sanierung der bestehenden Fuß- und Radwege, Umwandlung des bestehenden Radwegs in Fußweg, bzw. multifunktionale Nutzung (Außenbereich für Gastronomie, Fahrradabstellanlagen, Paketboxen, Pedelec-Verleih, Bänke, Beete, was auch immer)
- Zwei Autospuren pro Richtung behalten. Dies erhält auf der Hauptverkehrsachse die nötige Resillienz, Stoßzeiten können besser abgewickelt werden, Haltebuchten für Lieferverkehr sind nicht nötig (schnellere Wege für Lieferanten, keine Konflikte mit Falschparkern in Haltebuchten), Blaulichtfahrten kommen besser durch.
- Unter der Hochbahn PKW-Parkplätze mit eigener Zubringerspur und konsequenter Parkraumbewirtschaftung (so wie es an einigen Stellen bereits existiert. An den größeren Kreuzungen Carsharing-Stationen.
- Nur so ne Idee... Vielleicht könnte man auch Ladebuchsen für Elektroautos in die Viadukt-Stützen integrieren. Die Hauptleitung verläuft oben im Viadukt, kein Tiefbau nötig...
Die bestehenden Vorschläge sind für mich mal wieder ein Beispiel, wie übers Ziel hinaus geschossen wird. Möglicherweise ist das Strategie und man pokert erstmal hoch. Aber wir sind nunmal in Berlin und ich habe so meine Zweifel, dass man nach Monaten des Zankes und des identitätspolitischen Gebrabbels bei einer sinnvollen Kompromisslösung rauskommt.