Du vergleichst hier zweierlei völlig unterschiedliche Dinge. Es handelt sich bei der Staatsbibliothek nicht um eine Universitätsbibliothek. Das ist ein völlig anderes Paar Schuhe.
…und genau deshalb, weil es eine Staatsbibliothek und keine kleine Uni-Bibliothek ist, könnte man beim Bau des Lesesaals andere Maßstäbe ansetzen, denn hier kommen Menschen aus allen Teilen des Landes und aller Welt, die sich mal spannende „Schätze“ anschauen wollen.
Ihre Aussage war richtig, Ihre Schussfolgerung daraus erschließt sich mir nicht.
Deine ganze Argumentation zeigt mehr und mehr, dass dir die Funktion eines Lesesaals und deren bestmögliche Gestaltung völlig egal ist, Hauptsache er sieht bombastisch aus und zwar genau so wie er mal war. Das kommt mir ehrlich gesagt schon etwas borniert und irrational vor.
…Sie scheinen die Beiträge der Kritiker des neuen Lesesaals aber auch nicht so genau zu lesen. Es ist genau die Funktion des neuen Lesesaals, die nicht gegeben ist. Bei der Berliner Philharmonie lohnt sich die neue Form im Zusammenhang mit ihrer Funktion. Moderne Architektur kann natürlich auch gelungen und spannend und gut sein.
Die Lesesaal-Glaskiste heizt sich jedoch gewaltig auf -jetzt sagen Sie bitte nicht, dass von der globalen Erwärmung bei der Planung noch nichts bekannt war. Die Treppe (sie knarrt sogar) in der Mitte eines Lesesaals ist völlig störend und unpassend. Alle Seiten sehen völlig gleich aus, man hat keine Orientierung in diesem Raum, der Teppich hat eine aggressive unpassende Farbe. Die Änderung des Grundrisses (von rund -wie immer- auf eckig) hat dazu geführt, dass die erhaltenen Teile des Saals zugebaut wurden und nicht mehr sichtbar sind. Die große, alte historische Uhr wurde zugebaut.
Deswegen muss ich Ihre Aussage umdrehen: Die Funktion für den neuen Lesesaal war offenbar völlig egal, Hauptsache es ist ein moderner-Raster-Glaskasten ohne jede Dekoration.
Ebenso ist in diesem Zusammenhang dieser permanente Hinweis auf Demutsarchitektur schon sehr fragwürdig.
…Den Begriff „Demutsarchitektur“ habe ich nie benutzt und ich bin auch kein Nationalist. Ich hätte es trotzdem für mich und die Besucher unseres Landes und unserer Staatsbibliothek nicht verkehrt gefunden, wenn es bei der Auswahl der Geländer der Galerien einen gewissen Unterschied zu Autobahnüberführungen gegeben hätte und wenn die Regale das „Billy-Ikea-Niveau“ etwas übertroffen hätten.
Fühlst Du Dich etwa besser, wenn da jetzt eine Wilhelminische nachgebaute Kuppel steht oder bringt das den Nutzern irgendetwas bei diffusen Licht sich die Augen zu ruinieren …
…Fühlen Sie sich jetzt besser, dass sie nun auch hier wieder in einem Glaskasten sitzen, der sich (auch an sonnigen Wintertagen!) aufheizt und den man mit zahlreichen Sonnenblenden zuhängen muss, so dass ein diffuses Licht entsteht. Die Klimaanlage schafft es leider nicht und diese künstliche Luft schadet den Augen.Die Aufnahmen des alten Lesesaals sehen dunkel aus, weil es Schwaz-Weiß-Bilder sind und dies lag damals an den Belichtungszeiten. Meine Großeltern erzählten mir, dass es dort angenehm hell und kühl war.
Das hat doch alles mit Architektur nichts mehr zu tun.
…ich finde, dass dieses einfältige begehbare Büchermagazin -der neue Lesesaal- überhaupt nichts mehr mit Architektur zu tun hat. Diese vier Linien kann ein Statiker oder Ingenieur von einem Computerprogramm erstellen lassen.
Deine ganze Argumentation läuft - wie bei vielen die so insistent der Vergangenheit nachtrauern - darauf hinaus, dass sie nicht begreifen wollen, dass Architektur immer durch ihre Zeit in der sie entsteht bestimmt wird und der Gesellschaftsordnung, die dann herrscht.
…Sie haben Recht, dass sich alles weiterentwickelt. Jede Architekturepoche hat an die vorhergehenden angeknüpft und etwas dazu gedichtet. Selbst die Römer haben Schmuck auf ihre Rundbögen gesetzt und griechische Kapitelle dazu kombiniert. Die Moderne hat jedoch mit allem gebrochen, man erkennt kein Dach, kein Portal oder Sockelgeschoss mehr.
Bei dem Lesesaal erkennt man nicht wo vorn oder hinten ist -eine Uhr wurde „weil sie nicht sein darf“ zugebaut.
Die Vertreter der Moderne kopieren "ihre 3 Stilelemente" immer wieder in trostloser, langweiliger Monotonie -das ist armselig und überhaupt nicht zeitgemäß. Jeder Koch verwendet bei einem neuen Rezept trotzdem Pfeffer und Salz -wie können Modernisten nur glauben, dass ein Gebäude ohne jeden Schmuck auskommen kann: Das war ideologischer Irrsinn. Ich denke, Sie erleben gerade, dass die Mehrheit der Menschen keine Lust mehr darauf hat.
In einer demokratischen Gesellschaftsordung und nach einem nationalen Trauma gibt es weder Akzeptanz noch Notwendigkeit eine zerstörte wilhelminische Kuppel wiederaufzubauen. Wofür?
…gab es denn die Akzeptanz das Berliner Schloss wieder aufzubauen (Frankfurt, Potsdam?). Ja, es gab so viele Spender und begeisterte Fördervereinsmitglieder, dass sogar die Kuppel ermöglicht wurde. Sie liegen auch hier völlig falsch. Wofür? Weil der alte Lesesaal wunderschön, hell, farbenfroh und kühl war und weil er funktioniert und den Menschen gefallen hat und wieder gefallen würde. Rekonstruktionen sind übrigens oft deutlich preiswerter und nachhaltiger. Denken Sie nur an die „nicht überschrittenen“ Kosten für die Schlossfassaden im Gegensatz zur Elphi, oder AdK, das „Band des Bundes“ usw.
Und das hat absolut nichts mit mangelnden Respekt von vergangener Architektur zu tun. Denn Denkmalsplege wird in Deutschland, gerade weil es so viel verloren hat, sehr ernst genommen.
… das sieht man aber beim Umgang mit der historischen Uhr des alten Lesesaals leider nicht. Wer hat entschieden, dass sie mit der Farbe Orange des Teppichs bestrichen und hinter einem Treppenhaus zugebaut wird?
Alles was gerettet werden konnte, wurde sorgfältig wiederhergestellt, davon gibt es jede Menge. Aber alles was weg ist, ist weg und kommt nicht wieder. Ganz einfach.
…man kann auch Dinge -die weg waren- wieder aufbauen, siehe Opernhaus von Venedig, Frauenkirche und Berliner Schloss -das ist auch ganz einfach und von vielen Menschen gewollt und geschätzt.