Danke für die Anregung, Lieblingsfranke. Ich finde das Thema städtebaulich hochrelevant und dein Projekt spannend. Weil wir das auch probiert haben, will ich hier mal unsere Erfahrungen teilen, auch wenn wir nicht (mehr) in N wohnen.
Unser Familienrat hat nach 25 Jahren mit eigenem KFZ (z.T. sogar 2) eines schönen Tages beschlossen, es ohne eigenes Auto zu probieren (VW-Schummeldiesel sei Dank). Ich habe das mitgetragen, war aber eher skeptisch. Insgeheim hab ich dem Experiment maximal 6 Monate gegeben.
Jetzt, vier Jahre später, haben wir entgegen meiner Erwartungen kein neues Auto. Was hat sich in der Zwischenzeit geändert? Wir erledigen eigentlich alles innerhalb der Stadt mit dem (normalen) Fahrrad oder zu Fuß (Arbeitsweg, Standardeinkauf, Shoppen, Schule usw.). Bei mir macht das rund 100 Rad-km pro Woche. Für alles weiter Entfernte oder Transporte (Baumarkt, Großeinkauf, Schwiegereltern, Urlaub) nutzen wir Carsharing oder die Bahn. Den innerstädtischen ÖPVN nutzen wir kaum noch.
Meine innere Definition von schlechtem Wetter (= fahrraduntauglich) hat sich in den Jahren deutlich verschoben. Am Anfang waren das vielleicht 3 Tage pro Monat, inzwischen nur noch 3 pro Jahr (Sturm, Glatteis). Dafür haben wir jetzt ordentliche Regenklamotten.
Für mich persönlich ist der Verzicht aufs eigene Auto schon lange keiner mehr. Tatsächlich empfinde ich es inzwischen als deutliche Verbesserung der Lebensqualität und die Kinder kennen es kaum noch anders. Der Gedanke wieder ein eigenes Auto zu besitzen bereitet mir eher Beklemmungen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich das Carsharing-Auto abgebe, dass ich mich nicht um irgendein Quitschen, TÜV, Reifenwechsel u.ä. kümmern muss. Ganz nebenbei: obwohl wir regelmäßig Carsharing nutzen (ca. 5000 km/a), fahren wir auch mit den extra Bahntickets noch deutlich günstiger als mit eigenem Auto.
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass wir nicht mehr ganz taufrisch sind und weder ausgewiesene Sportskanonen noch Fahrradfanatiker. Trotzdem fehlt mir inzwischen was, wenn ich mal ausnahmsweise nicht mit dem Rad zur Arbeit kann. Zugegebenermaßen hat sich auch meine Einstellung zu den überall rumstehenden, kaum genutzten Blechkisten dadurch etwas radikalisiert.
Das Carsharingnetz wird ja immer dichter (auch wenn N da etwas Nachholbedarf hat). Je mehr sich das durchsetzt, desto besser für die Städte und desto mehr Platz für Fußgänger, spielende Kinder, Radfahrer und Bäume. Im Übrigen halte ich das nicht nur für ein Modell für den aufgeklärten Städter. Auch z.B. das Ömchen auf dem Lande, das sein Auto zweimal die Woche bewegt um einzukaufen oder die Enkel zu besuchen, könnte mit Carsharing viel Geld und Nerven sparen.
Lieblingsfranke, ich wünsche ähnlich gute Erfahrungen bei deinem Experiment. Und ich glaube, ein Leben ohne eigenes Auto wäre für viele andere auch gut machbar. Am besten einfach mal ausprobieren!