Und wenn Ihnen [Arty Deco] als Beispiel für gelungene historische Architektur ausgerechnet Neuschwanstein (!) einfällt, lässt das tief blicken.
Nun ja, Neuschwanstein zieht ja mehr Besucher an als, zum Beispiel, das Hansa-Viertel oder die meisten anderen Zeugnisse moderner Architektur in Berlin. Dass darüber in gewissen Kreisen die Nase gerümpft wird, weiß ich. Die meisten Leute trinken halt auch gerne Kaffe oder Tee zum Frühstück, selbst wenn das alles andere als moderm oder innovativ ist.
Aber auch der hier kritisierte Lesesaal wird kaum neugierige Fremde anziehen, das wird für den Saal der Stabi am Potsdamer Platz nur wenig anders sein (dort dürften auch eher Cineasten hinziehen). In Paris und London hingegen habe ich mir bewusst die historischen Leesesäle angeschaut, weil mich schon die Fotos begeistert haben, die ich zuvor einmal gesehen hatte. In Paris habe ich übrigens auch die Bibliothèque François-Mitterrand besucht, also den zweiten (neuen) Standort der Bibliothèque Nationale im Südosten mit seiner ... praktischen Architektur (die aber immerhin ein wenig beeindruckend ist). Der Besuch dort war dann doch ernüchternd, dass ist also (natürlich) kein rein deutsches Problem.
Der neue Büchersaal der Stabi mit dem orangenen Teppichboden, der fahlen Neon-Beleuchtung und den IKEA Regalen ist ist unterirdisch mies designt. Es ist als hätte man in Schloss Neuschwanstein eine Aldi Filiale hineingebaut.
Dieser Leesesaal ist ja schon länger geöffnet, ich habe auch schon darin gearbeitet. Der Saal ist -- zumindest im Gegensatz zu weiten Teile des restlichen Gebäudes -- wirklich misslungen, mir fällt da eher ein Amazon-Bücherlager als Vergleich ein. Er ist praktisch eine Kopie der 70er-Jahre-Schachtel-UB, in der ich studiert habe.
Das hört man immer wieder, ist aber eine gefühlte Wahrheit. Bei der letzten AGH-Wahl bekam die AfD 39.000 Stimmen von der CDU, 24.000 von der SPD und je 12.000 von Linken und Piraten (Quelle).
Das bedeutet auf den Stimmenanteil der jeweiligen Partei in der AGH-Wahl 2001 bezogen, dass die Parteien den folgenden Anteil Ihrer bisherigen Wähler an die AfD verloren haben:
Übrigens gab es bei der Bundestagswahl 2009, als die AfD noch nicht existierte, anteilsmäßig (!) die stärkste Wählerwanderung zwischen Die Linken und den als "rechtsradikalen Parteien" zusammengefassten Parteien, also insbesondere der NPD (Quelle: Berliner Zeitung vom 29.9.2009, S. 13).
Für ein berufliches Projekt habe ich vor einigen Jahren einmal die Parteiprogramme von Die Linke und NPD (ja, NPD) verglichen. Danach sind die Programme der beiden Parteien strukturell identisch -- mit einer Ausnahme. So fordert(e) die NPD die Verstaatlichung von Großbanken, die Rekommunalisierung von Strom, Gas und ähnlichem, eine einheitliche Rentenkasse, eine Grundrente für alle ohne Bedarfsprüfung, mehr Geld für Familien, einen gesetzlichen Mindestlohn, die Einführung einer Vermögenssteuer, gesetzliche Mietobergrenzen, die Abschaffung von Leih- und Zeitarbeit, den Austritt aus der NATO, ein Verbot gentechnisch veränderter Lebensmittel und ein Verbot von Massentierhaltung. Insbesondere die antikapitalistische Rhetorik im Parteiprogramm der NPD würde auf jede revolutionäre 1. Mai-Demo passen.
Der einzige relevante Unterschied zwischen Linke und NDP ist der Rassismus der NDP. Kurz: NPD = Linke + Rassismus. Oder, wie es einmal ein Comedian ausgedrückt hat: Die einen wollen die soziale Volksgemeinschaft, die anderen die völkische Sozialgemeinschaft.
Nur zur Erinnerung: Sowohl der Mäusebunker wie auch das Institut für Hygiene und Mikrobiologie waren Gegenstand sehr konkreter Abrissbestrebungen seitens des Eigentümers, insofern war die Unterschutzstellung dieser Bauten der Nachkriegsmoderne tatsächlich und auch "in dieser Menge" dringlich.
Wenn die zuständige Behörde erst aufgrund konkreter Abrissbestrebungen aktiv wurde, kann die Denkmalwürdigkeit aber nicht so bedeutend sein.
Grundsätzlich sollte man Gebäude dieser Art nur in abgelegenen Winkeln schützen (wie es ja hier zufällig geschieht). So profitiert die Allgemeinheit und die wissenden Insider haben trotzdem etwas zum Fotografieren.
^ Das ist mir auch schon aufgefallen und ich bedaure das ganz generell ebenso.
Hier schließt sich immerhin ein Spielplatz an, der etwas Leben verspricht, also nicht nur eine Wiese oder gar ein Parkplatz. Die Idee ist wohl die, dass man vor oder nach dem Besuch auf dem Spielplatz dann auch zum Einkaufen, zum Arzt oder ins Café kann, so dass sich hier tatsächlich etwas Leben einstellen könnte, was bei vielen geplanten Siedlungen ja häufig nicht so gut funktioniert.
^ Bitte mal das Zitat von Parzinger komplett lesen. Parzinger sagt weiter: "...wenn sie für die Kultur, für das Land ganz besonders wichtig sind, dann kann man auch darüber reden, dass man so etwas zurückkehren lässt." Das ist diplomatisch für: Wir behalten alles, was nicht unmittelbar mit Verbrechen in Zusammenhang steht, es sei denn, das Herkunftsland kann sehr, sehr gute Gründe anführen, warum wir es zurückgeben sollten.
Das habe ich eben anders gelesen. Was für ein Land besonders wichtig ist, kann ja sinnvoll nur das betreffende Land selbst sagen. Nach Parzinger würde es also ausreichen, dass Land L sagt, Objekt O ist für uns besonders wichtig, um über eine Rückgabe zu sprechen.
Die Verweise auf Großbritannien oder Frankreich sind in diesem Zusammenhang übrigens Whataboutism – was hat Provinienzforschung im Kontext der deutschen Kolonialgeschichte mit dem British Museum zu tun?
Ich bezog mich auf eine vorangegangene Äußerungen von Bato, der auf Arty Deco reagiert hat, habe also ein Gespräch fortgeführt. Im übrigen halte ich es nie für verkehrt, auch mal über die eigenen Grenzen zu schauen um zu sehen, wie es andere so machen.
Darin signalisiert Parzinger sogar die Bereitschaft selbst solche Objekte zurückzugeben die nicht im Unrechtskontext stünden.
Und genau das ist doch der "typisch deutsche Selbstanklagemechanismus", von dem Arty Deco sprach. So weitgehende Äußerungen von vergleichbaren Vertretern aus Frankreich oder dem UK sind mir nicht bekannt, ich lasse mich da aber natürlich gerne korrigieren. Jedenfalls gibt das British Museum nicht einmal Objekte zurück, die auch aus britischer Sicht nicht legal erworben wurden (was ich nicht verteidige). Ich erinnere auch an die Rückgabe der "Berliner Straßenszene" von Ernst Luwig Kirchner an Anita Halpins durch das Brücke-Museum, für die es keine klare Grundlage nach der Washingtoner Erklärung gab.
Michael Rost, seit 32 Jahre Berliner Stadtführer, erläutert auf einem Spaziergang das neue Schloss / Humboldt-Forum und insbesondere sein Umfeld – gerade auch für die interessant, die sich das aktuell nicht vor Ort anschauen können. (Der Link zum Video folgt unten. Alle Zitate in diesem Beitrag sind aus dem Video übernommen.)
Für mich war neu, dass es in Berlin eine Art Höhenwettstreit gab, wie wir ihn vor allem aus italienischen und amerikanischen Städten kennen. Das Rote Rathaus und der Reichstag mit seiner Kuppel hatten die Kuppel des Stadtschlosses als ehemals höchstes Gebäude überragt, was den Kaiser nicht amüsierte. So wurde der Neubau des Berliner Doms so dimensioniert, dass es zum höchsten Gebäude Berlins wurde.
Zur Gestaltung des Umfelds erläutert Michael Rost:
Lüscher hat in der Ausschreibung klar machen lassen, dass keine historische Rekonstruktion erwünscht ist, sondern eine zeitgenössische Gestaltung. Historische Spuren sollten dabei durchaus beachtet werden (laut anderen Quellen aber nur, weil es gegen den ursprünglichen Ausschreibungstext Proteste gab).
Der internationale Wettbewerb hat weniger Resonanz gefunden als erhofft. Die Jury soll von den Eingaben eher enttäuscht gewesen sein.
Die Entscheidung für den Siegerentwurf viel mit 8 zu 5 Stimmen eher knapp aus. Lüscher selbst zeigte sich sehr zufrieden mit dem Entwurf.
Rost zitiert von einer Podiumsdiskussion in 2020 den ehemaligen Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD), der Mitglied der Jury war: „Ich war in vielen Jurysitzungen, aber die von 2013 [zum Schlossumfeld] war die schlimmste.“ Er, Schmitz, habe das Gefühl gehabt, dass die Pläne zur Gestaltung des Umfelds die Rache derjenigen war, die das Schloss nicht wollten.
Als Rost aus der Jurybegründung für den gewählten Entwurf zitiert, musste ich laut lachen. So seien nämlich die zwei Ebenen der Ostseite (also „Spreebalkon“ und Uferpromenade) „geschickt durch zwei Rampen und Treppen miteinander verbunden“ und „als urbane Sockelbebauung thematisiert“. Lüscher selbst sagte: „Die interessante und aus meiner Sicht poetische Seite entsteht zur Spree hin […] Als romantisches Element erinnert eine Bank [ein Baum?] an das ehemalige Spreewäldchen. Hier wird das Spreeufer als attraktiver Stadtraum auf zwei Ebenen inszeniert.“ Ich habe nicht viel gegen die aktuelle Umfeldgestaltung an der Ostseite, aber solch eine Banalität als „geschickt“ und als attraktive Inszenierung zu bezeichnen, zeigt wieder einmal so schön, dass Autosuggestion und heiße Luft zum Wesenskern eines Großteils der modernen Architektur gehört.
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@ Wolke Eins: Ich glaube, dass Du die Dinge hier überinterpretierst.
Im Falle der Fischerinsel sieht man heute nun mal "DDR-Architektur". Wenn man diese -- bzw. vielmehr die dafür notwendige Zerstörung alter Gebäude -- in einem Diskussionsstrang zu ebenjener Fischerinsel kritisiert, entschuldigt man damit nicht die Zerstörung anderer alter Gebäude durch andere Verantwortliche. Ich persönlich würde übrigens die Fischerinsel so lassen, wie sie ist, weil sie mich als relativ gut abgegrenztes Ensemble weniger stört als wenn man versucht, mit moderner (oder rekonstruierter) Architektur da irgendwie noch alte "Strukturen" reinzubringen. Das wird nie zu einem Ergebnis führen, das irgendjemand als anziehend empfinden wird. Ich hätte auch das Ahornblatt nicht abgerissen.
Ost und West geben sich in der Zerstörung alter, erhaltenswerter und -fähiger Gebäude absolut nichts. Ich bin in einer westdeutschen Großstadt aufgewachsen, die noch heute unter der Zerstörungswut der Nachkriegsgeneration leidet und von einem absoluten Schmuckstück zu einem ziemlich häßlichen Ort degradiert wurde, wobei man auch die Vision der autogerechten Stadt besonders brutal angegangen ist. Wir sollten uns alle den Geist der Nachkriegsjahre zur Mahnung nehmen (wobei man die 50er Jahre teilweise dadurch entschuldigen kann, dass man in möglichst kurzer Zeit möglichts viele Wohnungen schaffen musste und keine Zeit und Mittel hatte, lange zu diskutieren und Altes sorgfältig wiederherzustellen).
Danke an Cavendish und ElleDeBE für die interessante Geschichtsstunde. Im Wiki-Artikel zur Fischerinsel wird das Gebiet um die Wohnhochhäuser in dieser Karte als "Marktviertel" bezeichnet, in Abgrenzung zum "Schlossviertel" nordwestlich davon. Der Begriff wird allerdings nicht erläutert. Immerhin erinnert die seit mindestens 1750 übliche Bezeichnung "Spittelmarkt" für den Platz am heutigen gleichnamige U-Bahnhof daran, dass es hier einmal einen größeren Markt gab, möglicherweise dann auch weitere kleinere Märkte in der Umgebung.
Friedward, Deine Vermutung, dass die Hochhäuser auf der Fischerinsel um das Jahr 2000 herum saniert wurden, wird durch das folgende Bild aus dem Wiki-Artikel zur Fischerinsel gestützt, das aus dem Jahr 2000 stammen soll. An zwei der Hochhäusern sieht man Gerüste.
Bis vor etwa zwei Jahren habe ich auf der Fischerinsel gearbeitet und daher die Hochhäuser werktäglich gesehen. Ihr äußerer Zustand ist absolut einwandfrei, mangelnde Frischheit kann man ihnen in puncto Erhaltungszustand nicht vorwerfen.
Ich persönlich habe lieber ein Hochhausviertel, dass sich klar abgrenzt bzw. abgrenzen lässt als die meist misslungenen Versuche, dieses zu integrieren. Die bereits bestehende und die geplante Bebauung an der Ecke Mühlendamm / Fischerinsel finde ich schrecklich. Ich hätte das Ahornblatt erhalten, es war ja verbunden mit einem Flachbau, in dem es Platz für Supermarkt, Arztpraxen etc. gab. Das ist Geschichte, ich weiß, ich würde nun aber lieber Geld und Mühe in die Viertel jenseits von Mühlendamm bzw. Spreekanal stecken (was ja auch geschieht), statt das Hochhausviertel zu verschlimmbessern.
Bild: Wikipedia, Eintrag "Fischerinsel (Berlin)" (Abruf vom 22.12.2020)
Wenn wir aber schon am Pauschalisieren sind: es sind immer die gleichen Sprüche aus Berlin wie die Stuttgarter (gerne auch mal ganz Südwestdeutschland als „Schwaben“ diffamiert) so angeblich sind. Arbeitet da bitte mal dran, nicht jeder der komisch redet ist Schwabe, und der Prenzlauer Berg ist nicht Stuttgart.
Äh, ich bin Stuttgarter -- und weiß genau deswegen so gut, warum es in Stuttgart etwas ... speziell ist. Es ist ja kein Wunder, dass viele Stuttgarter und Schwaben nach Berlin gezogen sind. Ich wohne übrigens nicht im Prenzlauer Berg und habe dort auch nie gewohnt. Und ich betreibe vor Dritten auch nie Stuttgart-Bashing, sondern habe auf eine Frage von "Regent" geantwortet. In Stuttgart kann man nicht nur gut, sondern sogar sehr gut leben -- wenn man keinen Wert auf ein schönes Stadtbild und auf eine breite Gastroszene Wert legt.
Übrigens wird im Stuttgarter Forum mehr gemeckert als im Berliner Forum, und das zu Recht. Fakt ist, dass Stuttgart durch viele Neubauten in den letzten 10 - 15 Jahren spürbar abgebaut hat. Mit dem "KronprinzCarré" wird jedenfalls das Hofbräueck "kongenial" ergänzt.
Die B14 ist auch nicht wirklich ein Alleinstellungsmerkmal, raus aus der Bude und die Augen aufgemacht!
Was fällt Dir da in vergleichbarer Lage und Wirkung in vergleichbar großen Städten ein?
(Bremen hatte ich ja vorsichtshalber ausgenommen, auch wenn Breitenweg keine Bundestraße ist und der Nordwestknoten nicht direkt an die Innenstadt grenzen.)
^ Meinst Du mit Kunstinstallation das Farbspiel? Durch die Farbe wirkt für mich die ganze Szene alles andere als rauh, sondern eher erfrischend-behaglich. Es sind ja keine Tags, sondern fast schon gemäldehafte Farbkompositionen. Aber vielleicht täuscht das Foto auch ein wenig.
Ganz grundsätzlich würde ich mich freuen, wenn mehr Farbe die Architektur und Stadtplanung prägen würde. Früher hatte man auf Brandwänden häufig gemalte (und oft gut gestaltete) Werbung, was man heute sicherlich nicht mehr so gerne sieht. Dafür könnte man dann eben etwas anderes aufbringen. Es gibt ja gelegentliche Beispiele, etwa in der Bülowstraße um die "Urban Nation". So etwas Buntes hätte ich mir übrigens auch an der Ostfassade des Stadtschlosses / Humboldt-Forums vorstellen können, gerade zu / in Nachbarschaft von Barockfassaden kann das für meinen Geschmack gut passen.
Als Nicht-Stuttgarter, der sich hier gerade eher zufällig ins Forum verirrt hat, passt die innere Logik des Stuttgarter Bauens überhaupt nicht zu meinen sonstigen Kentnissen über die Stadt. Müsste eine eher bodenständig-konservative Stadt, eine reiche Stadt, mit stets guter Beschäftigungssituation, viel privatem Kapital, das viele kluge Leute aus nah und fern anzieht, müsste eine solche Stadt nicht eigentlich viel ästhetisch ansprechender bauen?
Eine Freundin, die zum Arbeiten nach Stuttgart kam, meinte einmal, sie wundere sich, dass es in Stuttgart, das doch als Stadt der Architekten gelte, so viele häßliche Ecken habe.
Ich finde, Stuttgart ist insgesamt nicht häßlicher als die meisten anderen Städte dieser Größe in Deutschland. Es gibt jedoch ein großes Problem, das meiner Erfahrung nach alle Neuankömmlinge schockiert und das im deutschen Vergleich immer mehr zum Alleinstellungsmerkmal wird (vielleicht mit Ausnahme von Bremen): Die B14 durch die Innenstadt. Das ist einfach nur ein Alptraum. Leider wird durch den Entwurf zur Neugestaltung die schlimmste Ecke, nämlich der Charlottenplatz, so gut wie gar nicht entschärft.
Erschwerend kommt hinzu, dass die hügelige Lage Stuttgarts wirklich eine positiv-herausragendes Merkmal der Sadt ist, die besonders nach guter Architektur verlangt. Daher sind solche Bomben wie die John Cranko Schule besonders verheerend.
Im Verein mit dem vor Jahren besorgten Abriß des Altbaus direkt an der Ecke zur Königstraße und der Wiederauferstehung des Hofbräuecks setzt man mit dem neuen KronprinzCarré nun das Signal, dass man Pforzheim entschlossen überholen und die häßlichste Großstadt Deutschlands werden will.
Woher kommt eigentlich immer dieser Aberglaube Stuttgart sei bodenständig-konservativ?
Daher, dass es so ist. Dem widerspricht auch nicht die Tatsache, dass Stuttgart und BaWü von Grünen regiert wird oder wurde. Die Grünen sind im Ländle ja die bürgerlichsten in ganz Deutschland.
Immer, wenn ich nach Stuttgart komme, nehme ich eine ganz besondere Stimmung wahr, die es so nicht oder in kaum einer anderen Stadt dieser Größe in Deutschland gibt. Es wird viel gearbeitet, die Menschen stehen früh auf und sind sehr häuslich, dementsprechend gibt es wenige Cafés und Kneipen. Bei Sportereignissen gibt man sich höflich-begeistert und man achtet streng darauf, dass keine hohen Häuser gebaut werden. Man kauft gerne hochwertig ein und geht mit der Mode, ohne wie etwa in München großspurig oder in Hamburg schick zu wirken. "Bieder" ist vielleicht ein passendes Wort. Das hat Vorteile -- in Stuttgart wird das Geld verdient, dass in Berlin und anderswo ausgegegen wird -- aber für den, der neu in die Stadt kommt, wirkt die Stadt erst einmal eher verschlossen.
Der Neubau in der Luitpoldstr. Ecke Eisenacher Str. steht inzwischen weitgehend frei. Davon erst einmal drei Ansichten, der interessante Part kommt weiter unten. (Alle Bilder von mir und gemeinfrei.)
↓ Ansicht vom Hof. Die schmalem Lichtschlitze führen nicht, wie ich anfangs vermutete, zum Bad der Wohnungen, sondern zum Treppenhaus. Die Balkone links daneben sind nur Austritte vom Treppenhaus und vom Fahrstuhl.
Der Witz: In jeder Etage werden kleine Brücken / Stege von diesen Austritten direkt auf die Balkone des Nachbarhauses gelegt. Dieses hat vermutlich keinen oder keinen angemessen großen Fahrstuhl. Die Balkone, auf die die Stege führen, gehören zu einzelnen Wohnungen und nicht zu einem Treppenhaus. So soll wohl ein Teil der Wohnungen des bestehenden Gebäudes besonders alters- oder behindertengerecht gemacht werden. Wenn man das zweite Bild von oben betrachtet, erkennt man links von dem noch stehenden Gerüst bereits zwei der Übergänge, im dritten Bild kann man sie nur schemenhaft erkennen. Dazu nun weitere Ansichten:
Danke für die vielen Fotos von Backstein und dropdeaded209. Vor allem die neue Perspektive vom Bode-Museum mit der Kuppel im Dunst und der S-Bahn ist ja große Klasse. Ich glaube, wir brauchen mehr Kuppeln in Deutschland.
Bei meinem Rundgang um das Schloss gestern Abend ist mir aufgefallen, dass vor der Westfassade noch mehr Kameras installiert wurden als vor der Südfassade, die hier ja diskutiert wurden. Es sieht so aus, als wenn man es dem Remmo-Clan hier tatsächlich einmal schwer machen möchte.
Ich glaube, Du sprichst reduzierter, funktionaler Ästhetik hiermit zumindest unbeabsichtigt ab, dass sie eine Meisterleistung darstellen kann oder echte ästhetische Empfindungen auslösen kann.
Ich würde nie absprechen, dass dieses oder jenes bestimmte Empfindungen auslösen kann, das ist ja etwas völlig Privates, das sich jeder (sinnvollen) Bewertung entzieht. Die entscheidende Frage für ein öffentliches Gut wie Architektur und Stadtplanung ist aber nun einmal, wie der Großteil der Leute den Großteil der Ergebnisse empfindet. Da hat die moderne Architektur halt im Großen und Ganzen (also nicht immer) versagt. (Ich spreche bewusst von "Architektur" um den einzelnen Architekten etwas aus der Schusslinie zu nehmen. Dass Architekten bei hohen Renditeerwartungen zumindest vieler heutiger Bauherren keine großartigen Leistungen liefern können, ist klar.)
Was meine Bewertung reduzierter Ästhetik angeht: Ich mag z.B. das Design von Apple oder das alte Design von Braun meist sehr gerne, empfinde es aber nicht als Meisterleistung. Ecken rund zu machen und Geräte flach zu bauen mag für die Produktionstechnik eine Herausforderung sein, vor der Designleistung habe ich aber (in diesen konkreten Fällen) keine besondere Ehrfurcht, schon gar nicht vor dem Hintergrund heutiger Möglichkeiten. Wozu studieren denn Designer?
Wem so etwas gefällt, der hat einfach einen anderen Sinn für Ästhetik aber nicht automatisch einen fehlenden bzw. pervertierten.
Das habe ich ja auch nie geschrieben oder insinuiert. Die fehlende Differenzerung -- um nicht zu sagen: das aggressive Missverstehen -- , die bei solchen Debatten immer wieder aufblitzt, ist echt stupend (auch wenn ich Dir hier keine böse Absicht unterstelle). Das Phänomen entsteht wohl daher, dass viele immer wahnsinnig aufgeregt werden, wenn man es wagt, Kritik an den Säulenheiligen zu üben.
Aber die Neue Nationalgalerie halte ich für einen positiv herausragenden Vertreter der (Klassischen) Moderne und laut Wikipedia bin ich da auch nicht allein mit der Bewertung.
Dieser Bewertung stimme ich zu (hier ist der Kontext die klassische Moderne!). Dass Du das betonen musst, zeigt leider, dass Du den Punkt überhaupt nicht verstanden hast. Das ist aber symptomatisch für solche Diskussionen. Ich bin es jetzt müde, immer wieder das selbe zu erklären, wir könnn es gerne dabei belassen und das Problem auf meine mangelnde Formulierungskraft schieben. Ich danke Dir für Deine ausführlichen Erwiderungen und Deinen freundlichen Ton.
Die Neue Nationalgalerie tat wie Du ausführst exakt das Gleiche: Es wurden die technischen Mittel der Zeit sowie das Wissen um Proportionen und ästhetisches Empfinden genutzt, um mit klaren, einfachen geometrischen Formen ein in Deinen eigenen Worten "schickes" und ästhetisch ansprechendes Bauwerk zu schaffen.
Richtig, aber die technischen Mittel sind, wie ausgeführt, keine Leistung des Architekten, sondern der Ingenieure und Metallurgen, und das Wissen um Proportionen ist Erstsemester-Wissen. Kein Grund, um die NN zu verurteilen, aber auch kein Grund, sie als ästhetische Meisterleistung zu betrachten. Ästhetisch ist die NN ein "banales" Stück Architektur, das mir gefällt.
Ich sehe einen Widerspruch in Deiner Argumentation: Wenn Du mit Deiner Prämisse von der "prinzipielle[n] (!) Ähnlichkeit zwischen der Neuen Nationalgalerie und einer Tankstelle der abgebildeten Art" recht hast, dann spricht doch gerade dieses Beispiel gegen die Behauptung der modernen Architektur als "ein Elitenprojekt". Oder sind Tankstellen in Deinen Augen auch elitär?
Nein, sie werden aber nicht als ästhetische Meisterleistung gepriesen. (Das trifft vielleicht auf die weiter oben erwähnten Art Deco-Tankstellen zu, aber gegen Art Deco habe ich ja gerade nichts).
Sorry, Llewelyn , aber ich bin sauer. Du trittst eine ganze Architekturepoche ohne jeden Unterschied in den Orkus
Nein, das tue ich nicht, ich habe die NN explizit als gelungen bezeichnet.
Es geht bei Architektur letzlich nicht darum, was Du oder ich als schick empfinde oder was innovativ ist oder nicht, sondern was der Mehrheit gefällt. Architektur ist nun mal zwangsläufig ein öffentliches Gut, daher fordere ich, dass es auch der Öffentlichkeit gefallen muss. Gerne mit gelegentlichen Ausnahmen, nur ist es heute eben umgekehrt: Die meisten modernen Gebäude gefallen den meisten nicht, mit gelegentlichen Ausnahmen.