Beiträge von Llewelyn

    Diese Art der Beweisführung wo was länger gestanden hat und dadurch ein größere Berechtigung für dieses oder jenes hat, ist verzeih, aber wirklich Pillepalle.

    Äh, genau das war mein Punkt. Es ist einfach absurd, die Rückverlegung eines Brunnens an seinen ursprünglichen ("historischen") Standort mit dem Verweis auf die Bedeutung von Geschichte abzulehnen, wie es Gutmensch getan hat. Da muss man schon andere Argumente sammeln.

    Ich werde wohl nie verstehen können, wie jemand diese Architektur einer historisierenden Formensprache vorziehen kann...

    Das Problem drückt sich auch darin aus, dass man bestimmte Stilelemente als "historisierend" bezeichnet und sich daher viele gleich erst einmal genötigt sehen, sie abzulehnen. Das ist so, als würde man Maultaschen oder praktisch jede Biersorte "historisierend" nennen. Architektur ist das einzige "Kunsthandwerk", bei dem die Verletzung des Geschmacks- oder Stilempfindens einer großen Mehrheit in den tonangebenden Kreisen als Ausweis von Qualität und fortschrittlichem Geist gesehen wird.


    Ich kann durchaus etwas mit Gebäuden anfangen, die mit einer etwas schrofferen Formensprache alleine quasi als "Monumente" dastehen, sei es an einem Berg, in der Wüste, auf einer Brache oder sonstwo. Aber das hier? An dieser Stelle? Die (gelungene) Aufnahme von Theseus 532 sieht aus wie die Kulisse eines Endzeitfilms (zumindest wenn man den Hauch von Menschlichkeit ausblendet, der in den Gründerzeitbauten im Hintergrund leicht durchschimmert). So, wie man immer wieder einmal einen Werbeclip oder eine Filmszene in der berühmt-berüchtigten Fußgängerunterführung am ICC -- "Berlins Tunnel des Grauens" -- gesehen hat, werden wir sicher bald auch Szenen von diesem Eck sehen.

    Ich kann ja die Traditionalisten ein Stück weit verstehen, aber man sollte nicht derart die Realität verzeichnen. Es ist verräterisch und läßt auf eine gewisse Fixierung schließen, wenn man die Argumente der Gegenseite auf Biegen und Brechen entstellt.


    Das einzige Argument, das ich von Dir erkannt habe, ist, dass man "Geschichte" nicht "ignorieren" darf.


    Zunächst einmal: Geschichte darf man sehr wohl ignorieren. Man muss das sogar, wenn man (nützlichen) Fortschritt möchte. Man sollte sie nur nicht komplett ignorieren. Die entscheidenden Fragen sind immer: Was ist wichtig? Und: Was kommt stattdessen? (Ich persönlich könnte auf jede Rekonstruktion, Relokation etc. verzichten, wenn das, was stattdessen gebaut oder konstruiert wird, schön ist. Die Moderne produziert aber für meinen Geschmack zu 95% Hässliches.)


    Warum jetzt gerade die Rückverlegung eines Brunnens an seinen historischen Standort, an dem er immerhin 60 Jahre lang stand, warum also eine Würdigung der Geschichte des Brunnens eine so dolle Verletzung Deines historischen Empfindens auslöst, dass Du hier beginnst, verbal um Dich zu schlagen, bleibt mir ein Rätsel. Dein Geschichts-Argument zieht einfach nicht -- insbesondere, weil der Brunnen an seinem Standort auf dem Rathaus-Forum meines Wissens nach nie prägend für das Stadt- oder Heimatgefühl der Ostberliner wurde, anders als etwa der Alex. Das Rathaus-Forum ist ein Unort, den der Brunnen kaum besser macht. Niemand außer skatenden Jugendlichen hält sich dort wirklich gerne auf. Es gibt hier nichts Konservierungswürdiges.

    ^ Zum Thema (neuere) Brunnengestaltung kann vielleicht das jüngst erschienene Buch "Achtung vor dem Blumenkübel! Die Fußgängerzone als Element des Städtebaus" Anregungen liefern. Besonders beeindruckt -- sprich: schockiert -- hat mich da ein Brunnen aus Wanne Eickel, dessen Bild die FAZ treffend so kommentiert: "Sozusagen Kunst: Ein mittelinteressantes Wasser-Stein-Lampenarrangement [...], das die Aufenthaltsqualität zugegebenermaßen nicht wesentlich erhöht."


    Auch wenn ich (vor dem Hintergrund des Arguments von Arty Deco in #688) die Idee eines neu gestalteten Brunnens nicht grundsätzlich ablehnen würde, ziehe ich auch hier eine Rekonstruktion vor. Und auch hier wäre das eher -- und leider -- ein Ausdruck von Notwehr gegenüber der (in diesem Fall: befürchteten) Ästhetik der Moderne als eine grundsätzliche Einstellung.


    Vielleicht könnte man als Kompromiss eine original Lauchhammer-Pumpe aufstellen? Das hätte zwei Vorteile:

    1. Diese Straßenbrunnen wurden (meines Wissens) auch in der DRR nicht systematisch abgebaut, haben also gewissermaßen ein Unbedenklichkeitssiegel gegen Wilhelmismus, Kolonialismus und "Biedermeiersehnsucht". (Die sozialistische Errungenschaft, den Neptunbrunnen auf das Rathausforum verlegt zu haben, bliebe sowieso erhalten.)
    2. Mit so einer Pumpe würde Berlin seine Absicht unterstreichen, architektonisch in der Landesliga zu verbleiben und garantiert keinen Anschluss an Weltstädte zu suchen. Wer solch einen Brunnen aufstellt, der zettelt sicherlich keinen Weltkrieg mehr an.

    Zur Illustration hier noch ein Bild eines typischen Lauchhammer (Quelle: Wikipedia, Eintrag "Formen Berliner Straßenbrunnen"):


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    ^ Die Verkleidung der Rampen dürfte insgesamt länger dauern als die Errichtung des Rohbaus des gesamten Gebäudes. Immer wieder wurden mal ein paar Platten angebracht und dann monatelag pausiert. Hier scheint die Bauwirtschaft an ihre Grenzen zu kommen. Nur bei der BVG werden Wandplatten langsamer angebracht (vgl. U-Bahnhof Bismarckstraße).

    Und natürlich hätte man, statt die wenigen herausragenden Beispiele zu wählen, auch die (teilweise bereits erwähnten) recht funktionalen Neubauten in Frankfurt/Main, Leipzig oder Hannover wählen können. Hätte nur nicht so gut in die "Argumentation" gepasst.

    Ein etwas seltsamer Vorwurf. Wenn man verdeutlichen möchte, dass es auch besser geht, wählt man nun mal sinnvollerweise bessere Beispiele.


    Mich haben die Fotos vom neuen ZOB in Berlin erschreckt. Da ist für mich eigentlich alles schlecht gemacht worden, was man schlecht machen kann. Die Farbe der Dach-Seitenfächen (Otto Walkes hätte dazu wahrscheinlich so etwas wie "Kotzgrün" gesagt). Die Unterseite der Dächer (wie in einem Wellblech-Geräteschuppen aus dem Baumarkt). Die Säulen, die sich nach oben verästeln (und dadurch alles unruhig machen). Die billig wirkenden Lampen (wie diese Baustellen-Lampen im Tunnelbau).


    Mal abgesehen von der Tatsache, dass die Anlage (noch) recht reinlich aussieht, hätte man die Fotos auch mit dem Text präsentieren können, dass dieser unzeitgemäße ZOB nun rundum erneuert werden wird. Würde ich den ZOB nicht kennen, ich hätte es geglaubt.

    Mir geht es ja nicht generell um Rekontruktionen, ich find es nur zweifelhaft zu sagen, dass das gerade in Deutschland so wenig gemacht würde. In Berlin wird gerade das Stadtschloss aufgebaut, in Dresden war es die Frauenkirche, Braunschweiger Schloss, Schloss Herrenhausen. Alles Beispiele jüngster Vergangenheit. Das ist mir in solch einem Ausmaß aus keinem anderen westeuropäischen (!) Land bekannt. Nur weil es nicht „überall“ ist, heißt es nicht, dass es es garnicht gibt.

    Es geschieht was, da hast Du schon recht. Allerdings haben die Städte in westeuropäischen Ländern wie Frankreich, Italien und auch Spanien in der Regel noch so viele alte Bausubstanz, dass man über die modernen Bausünden hinwegsehen kann. Paris und Rom, um einmal zwei Hauptstädte zu nennen, sind ja geradezu Freiluftmuseen, da kann man auch mal ein Centre Pompidou tolerieren. Selbst das relativ stark zerstörte London emfinde ich als angenehmer als jede deutsche Großstadt -- was auch damit zu tun hat, dass dort teilweise moderne Architektur enstanden ist, die ich zumindest als spektakulär (z.B. 20 Fenchurch Street) oder gar als schön (The Gherkin) empfinde. Oder man nehme einige der Hochhäuser in Madrid. Im internationalen Vergleich empfinde ich die moderne Architektur in Berlin als besonders schlecht und provinziell.

    < Ich glaube wir sind einfach das falsche Forum für dich. Vergib' uns bitte. Architektur und um die geht es in diesem Forum befasst sich vordergründig und zu allererst mit Neubauten, Neubauen und nicht mit Rekonstuieren und Nachempfinden.

    Das ist eine ungewöhnlich enge Definition von Architektur. Im übrigen könnte man auch behaupten, Neubauten würden einfach nur eine aktuelle Mode nachempfinden.


    Das Problem der zeitgenössischen Architektur (damit schließe ich für dieses Argument hier Bauherren / Auftraggeber mit ein) ist und bleibt, dass sie keine Gebäude in nennenswertem Umfang schafft, die von den meisten Menschen als angenehm oder gar schön empfunden werden. Ohne diese Misere wäre das Bedürfnis nach Rekonstruktion wesentlich geringer ausgeprägt. Bis vor etwa 100 Jahren waren selbst viele Industriegebäude so angenehm und harmonisch, dass wir sie heute begeistert revitalisieren wollen. Heute sehen selbst Wohnhäuser in der Regel trist und / oder langweilig aus.

    ^ Danke für das interessante Fundstück.


    Was für ein Horror! Schwarz-weiß wirkt das Ganze noch einmal verstörender. Wenn der Sprecher zu den einzelnen Kästen die Architekten nennt, klingt das wie Satire. So, als würde man einen Besuch bei McDonald's filmen und zu jedem Teil, der auf dem Tablett entpackt wird, den Koch benennt.


    Immerhin ist die Verkehrsfläche, die den Kfz zur Verfügung steht, an einigen Stellen der Uhlandstraße reduziert worden. Und manche Häßlichkeit wird heute von Bäumen etwas verdeckt.

    Bilder von März & von mir.

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    Diese Ansicht finde ich besonders verstörend. Das sieht aus wie ein Logistikzentrum in Brandenburg oder wie eine Ansammlung von Self Storage-Lagern. Und diese Stelen wirken wie Abluftkamine -- vielleicht sind sie das auch, aber das kann man doch auch anders gestalten. Die Schirme, die darauf hinweisen, dass hier Menschen und nicht Güter umgeschlagen werden, machen es leider auch nicht viel besser.


    Als Glück im Unglück kann man vielleicht werten, dass der "Entertainment District" gewisse Angebote wie Multiplex-Kinos, Systemgastronomie u.ä. konzentriert, so dass sich diese nicht so stark einzeln über Berlin ausbreiten. In meinem Kiez gibt es bislang nur ein Lokal einer Gastrokette, das würde sonst vielleicht anders aussehen. Anders gesagt: Man kann dieses Areal bewusst ansteuern, aber man kann auch bewusst einen Bogen darum herum machen. Ein Tourist, der die East Side Gallery besucht, wird natürlich zwangsläufig damit konfrontiert, allerdings war die Gegend (für mein Empfinden) schon immer maximal unangenehm, wozu auch die überdimensionierte Mühlenstraße beiträgt.

    Aber völlig versagt?

    "Völlig versagt" ist etwas anderes als mehr versagt als andere.


    Fakt ist, dass die meisten modernen Gebäude von den meisten Menschen nicht als schön oder angenehm empfunden werden, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Es hilft dann auch nicht, auf ein paar Highlights zu verweisen. Die meisten Gebäude sind nun mal gewöhnliche Wohn- und Geschäftshäuser, davon sind unsere Straßen gesäumt.


    Dass man wegen monetärer Beschränkungen nicht die gesamte Schuld den Architekten zuschieben kann, hätte ich vielleicht gleich mitsagen sollen.

    Und dass die Moderne in Gänze versagt hat, ist doch ausgemachter Blödsinn.

    Das sehe ich auch so. Wer hat das denn gesagt?


    Architekten liefern ja in der Regel das Bestellte.

    Ist das wirklich so? Wie präzise sind in der Regel die Vorgaben? Müsste es dann nicht mehr "Starauftraggeber" als "Stararchitekten" geben?


    Ist nicht eher meist der Preis der limitierende Faktor? Den kann ich natürlich nicht den Architekten vorwerfen, allerdings sehe ich einfach zu viele häßliche oder vermurkste Architektur, wo das Auftragsvolumen nicht die bestimmende Variable sein kann. Ich sehe hier eher eine wechselseitige Beeinflussung.

    Dass Architektur seit 70 Jahren versagt, ist angesichts etlicher herausragender moderner Bauten leicht zu widerlegen.

    Hier liegt auch gar keine Aussage vor, die man mit ein paar Bauten widerlegen könnte. Ich selbst habe ja explizit positive Ausnahmen genannt.

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    Zwar gefällt mir der "Cube" ganz gut, Deinen Ausführungen kann ich aber trotzdem weitgehend zustimmen. Meine Erwartungen an die zeitgenössische Architektur sind so tief, dass ich inzwischen schon mit Gebäuden klarkomme, die nicht vollkommen häßlich sind. Mit "klarkommen" meine ich: Ich rege mich darüber nicht auf. Am Cube ist ja schon revolutionär, dass wir nicht mit eine Mauer an aneinandergereihten, geichförmigen Fensterelementen konfrontiert werden -- die meist kaum besser werden, wenn sie pseudoabwechslungsreich durch spiegelverkehrte o.ä. Bausätze durchbrochen werden.


    Die moderne Architektur ist das einzige (Kunst-)Handwerk, bei dem die Verachtung der Traditionen derart tief verankert ist, dass (fast) alle, denen sie nicht gefällt, zumindest implizit als Gestrige gelten. Man stelle sich mal einen Koch vor, der seinen Gästen ständig Gerichte vorsetzt, die keinem schmecken, und ihnen dann klarzumachen versucht, dass sie nicht auf der Höhe der Zeit seien. So ein Koch kann sehr schnell einpacken. Wer Pizza, Spätzle oder Maultaschen mag, muss sich zum Glück nicht als Gestrig oder in einem abwertenden Sinne als "Rekofan" bezeichnen lassen. Ich bin übrigens Freund der modernen Hochküche, die immer wieder Traditionen "bricht" und Gegensätze (im Geschmack, in der Textur, in der Temperatur etc.) auftischt -- aber immer so, dass es schmeckt oder, anders ausgedrückt, dass es harmonisch ist.


    Keine Profession hat in den letzen 70 Jahren so versagt, wie die Architektur. Einzige (systematische) Ausnahmen sind m.E. Wolkenkratzer, daneben (in weit geringerem Maße) größere Singuläre wie z.B. einzeln stehende Museen o.ä.. aber fast nur außerhalb Deutschlands. Das ist auch der Grund, warum ich Rekofan bin. Wenn es nach mir ginge, bräuchte ich keinen Schloßnachbau in Berlin Mitte. Ich finde das Schloss für einen Bau seiner Zeit gar nicht einmal besonders gut gelungen. Aber da alles, was dort an Modernem hingesetzt worden wäre, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unglaublich häßlich wäre, bin ich sehr dankbar, dass wir ein "altes" Gebäude bekommen, das einen harmonischen Dachabschluss hat, dessen Fassade angenehm gegliedert ist, das gut verarbeitet ist (oder zumindest so wirkt), das Schmuckelemente hat und dessen Fenster mehr sind als nur Löcher in einer Wand oder aneinandergereihte Bauelemente.

    Eigentlich schätze ich Deine Expertise und Deinen Geschmack (der nicht unbedingt meiner ist). Aber spare Dir bitte solche dummen Metaphern (Rasenmäher, Kreisverkehr, Bielefeld). Das ist unter Deinem Niveau.

    Auch wenn ich hier nicht angesprochen war: "Bielefeld" war exakt das, was mir in den Sinn kam, als ich das letzte Foto in Beitrag #282 sah, insbesondere auch in Verbindung mit der Bimmelbahn-Haltestelle davor. Um niemanden aus Bielefeld zu provozieren, habe ich in meiner Einschätzung des Gebäudes bewusst nur von einer "mittleren Stadt" gesprochen. :) Vielleicht könnte man auch Witten nennen? Jedenfalls eine Stadt mit Straßenbahn und einer Fußgängerzone, in der eine Betonkugel oder etwas ähnliches herumsteht.


    Ich mag Meinungsbeiträge (Architekturkritik ist im Wesentlichen Meinungsäußerung), die etwas gewürzt ist. Daran ist überhaupt nichts auszusetzen. Wer da so empfindlich ist, sollte sich nicht in einem öffentlichen Forum tummeln. Immerhin hat Konstantin nicht den Berliner Senat kritisiert, hier kann man ja häufig die Minuten zählen, bis Du intervenierst.