Fassadenvergleich Erdgeschosszone des CTR-Dietze-Schiffswohnbaus mit Spätfünziger Altmarkt- bzw. Nachkriegsbebauung nebenan.
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Entschuldigt bitte, dass gleich mein erster Post nur ein Zitat ist, aber diese Gegenüberstellung ist einfach herrlich. Weitere Worte sind hier eigentlich völlig überflüssig, die bloße Gegenüberstellung reicht schon und es bleibt nur ein vernichtendes Urteil zu diesen "modernen" Gebäuden übrig. Die gegenüberliegende Bebauung aus den späten 50ern ist ja schon weit davon entfernt historistische Pracht zu entfalten, aber es wurden von kompetenten Architekten einfach gewisse Grundregeln beachtet: zurückhaltend traditionelle Formensprache, wohlgefällige Proportionen (größeres Erdgeschoss), Ladenzone im Erdgeschoss die sich zur Straße hin öffnet, Verkleidung des Erdgeschosses mit Naturstein, weitgehend klassische Fenster, wertige Materialien und Verarbeitung und zu guter Letzt ein traditionelles Dach. Voila, und fertig ist ein Straßenzug der in einer europäischen Stadt zuhause sein kann. So schwer ist das ganze nicht. Menschliche Architektur erfordert keine Wundertaten, keine ausgefallenen Kunstwerke und niemand muss hier das Rad neu erfinden; das Befolgen einiger weniger Regeln reicht schon und man hat angenehme, dichte und durchmischte, lebendige Stadtviertel.
Wenn ich mir aber die gegenüberliegenden Neubauten anschaue und diese mit den Blöcken aus den 50ern vergleiche bleibt mir nichts übrig als zu verzweifeln ... denken die Architekten dieser grausamen Parkhaus- und Gefängnisarchitektur ernsthaft, dass sie damit der Stadt Dresden einen Gefallen getan haben, glauben die ernsthaft, dass das geglücktes Bauen ist (das auch seiner sozialen bzw. gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird, also sich in das Umfeld einfügt und der Historie des Ortes gerecht wird)? Wie zynisch und menschenfeindlich kann "Architektur" eigentlich noch werden? Das Erdgeschoss ist viel zu niedrig, zudem verschlossen und abweisend, ohne Ladenzone öffnet es sich nicht zur Straße hin, die Proportionen stimmen hinten und vorne nicht, alles wirkt zusammengedrückt und dunkel, ich kann auch keine hochwertigen Materialien ausmachen, stattdessen die typische Dammfassade die nach nur wenigen Monaten auf Straßenniveau ordentlich versifft und/oder beschädigt aussehen wird. Dieser Dietze-Bau ist doch eine Unverschämtheit, anders kann man dieses Monster nicht bezeichnen! Reine Investorenarchitektur ohne jeden künstlerischen oder architektonischen Anspruch, es fällt mir schwer hier überhaupt den Begriff "Architektur" zu verwenden ... Diese Entwicklung kann einem als Dresdner nur wehtun, es wird ja auch nicht besser. Wie konnte die Stadtverwaltung das zulassen?
Nachtrag: ich bin auch nicht bereit hinzunehmen, dass die 50er Jahre der letzte Höhepunkt, das letzte Aufbäumen der deutschen Architektur gewesen sein sollen ... das kann es doch nicht gewesen sein? Das war es also jetzt, so soll die Zukunft aussehen? Das ist einfach inakzeptabel. Punkt! Ich finde es als Dresdner außerdem völlig unverständlich, wie gleichgültig, rückgratlos und wachsweich Bürgermeister und Stadtverwaltung gegenüber den Investoren auftreten und sich städtebauliche Unmöglichkeiten wie die Altmarktgalerie oder jetzt die Postplatzbebauung ohne Widerspruch auftischen lassen. Wie erbärmlich kann man bitte sein? Hier wäre etwas mehr Lokalpatriotismus und Bürgerstolz von den verantwortlichen Stellen gefragt. Aber leider scheint es nicht nur daran, sondern auch am grundlegendsten Verständnis von Architektur und Ästhetik zu mangeln. Ich bin mir sicher, dass Bürgermeister Hilbert und Konsorten diese Neubauten bestimmt ganz wunderbar finden und in ihrer Verzückung überhaupt nicht verstehen können, wie man sich als Dresdner beim Anblick dieser Scheußlichkeiten verletzt fühlen und empört sein kann. Vor dem Krieg waren in den verantwortlichen Stellen bei der Stadt einfach deutlich umfassender gebildete, ästhetisch geschulte Menschen tätig, beispielsweise Stadtbauräte wie Hans Erlwein, dem Dresden einige seiner schönsten Bauwerke zu verdanken hat. So fähige Leute muss man heute mit der Lupe suchen, im Dresdner Rathaus wird man sie auf jeden Fall nicht mehr finden.
Warum sind Bürgermeister und Stadtverwaltung nicht in der Lage weit in die Zukunft zu denken und einen durchdachten Bebauungsplan zu entwerfen, der sich weitgehend am Vorkriegszustand orientiert, und dann den Investoren einfach zu sagen: "so und so stellen wir uns das vor, entweder ihr baut zu unseren Bedingungen, oder ihr lasst es bleiben". Dresden ist als Standort so attraktiv, dass die Stadtverwaltung hier doch alle Karten in der Hand hält! Ich verstehe diese Konzeptlosigkeit und Eilfertigkeit gegenüber den Investoren einfach nicht. Außerdem sollten die Grundstücke viel stärker parzelliert werden anstatt an einige wenige Investoren verschachert zu werden. Ich verstehe natürlich, dass es für die Stadtverwaltung angenehmer ist, mit einem einzigen Bauherren umzugehen, als mit mehreren Hundert (bei einer Aufteilung der Baugebiete, also einer Orientierung am Vorkriegszustand). Aber vielleicht sollte man in dieser Frage mal die eigene Bequemlichkeit hintenanstellen? Stattdessen wird mit Unverstand und Kurzsichtigkeit die Zukunft der Stadt verspielt, denn machen wir uns nichts vor, diese Bauten stehen jetzt erstmal ihre 30 bis 40 Jahre, so schnell kommt hier keine neue Lösung!
Mal ein ganz ketzerisches Gedankenspiel für alle Freunde des "modernen" Bauens: wie wäre es denn gewesen, wenn sich die Stadt nach der Wende kurzerhand dazu entschlossen hätte, die Altstadt (neben Rekonstruktionen wie Frauenkirche/Neumarkt und ausgewählten weiteren Kopfbauten/Straßenzügen) einfach im (Heimat)Stil der 50er Jahre weiterzubauen und nachzuverdichten, also die hier gezeigten Straßenzüge einfach nach/weiterzubauen bzw. geringfügig abgewandelt zu kopieren? Natürlich wäre das aus politischen Gründen völlig unmöglich gewesen, aber sind die Neubauten nach der Wende soviel besser? Ideologie sollte in der Architektur keine Rolle spielen. Die Architektur der 50er Jahre ist nicht schlecht nur weil sie in einer Diktatur gebaut wurde und Schönheit an sich ist auch nicht reaktionär, aber das werden die Architekten von heute wohl nie verstehen wollen. Wenn man hier die politischen Scheuklappen mal abgenommen hätte, dann könnte Dresden heute deutlich besser aussehen und wir hätten jetzt in der Innenstadt im Jahre 2018 ein großräumiges, stilistisch stimmiges und einheitliches Gesamtensemble das sich sehen lassen könnte. Stattdessen wurde Dresden nach der Wende ein drittes Mal entstellt und in der Innenstadt passt nun hinten und vorne nichts zusammen. Eine Besserung ist ja leider auch nicht in Sicht bzw. nur schwer vorstellbar, da die Neubauten der Nachwendezeit nun jede ansprechende Lösung blockieren.
Eigentlich könnte alles was in der Innenstadt nach den 50ern und in der Nachwendezeit entstanden ist problemlos wieder abgeräumt werden, es wäre kein Verlust. Die einzigen Ausnahmen von architektonischer Qualität sind hier das Rundkino, mit Abstrichen der Kulturpalast (beide Anfang 70er bzw. Ende 60er entstanden) sowie der Kristallpalast (meiner Meinung nach der einzige erhaltenswerte Nachwendebau in der Innenstadt, zumindest kann ihm eine gewisse Originalität nicht in Abrede gestellt werden).
So, jetzt habe ich mich auch wieder abgeregt. Deswegen meide ich das Dresdner Zentrum wie der Teufel das Weihwasser! Dieser geballte Angriff auf die Sinne verfehlt leider nie seine Wirkung.