Das ist wohl etwas überspitzt aufgefasst worden, das war nicht beabsichtigt. Mit meiner Beschreibung der Lage an der Strehlener Straße wollte ich ausdrücken, dass dort nicht unbedingt ein reines Gewerbegebiet hin muss, sondern dass sie sich für mehr als das eignet.
Es gibt natürlich einen Unterschied, ob man über Produktionsstätten, wie die Chipfabrik von Bosch, oder um innenstadtnahe Büroräume spricht. Erstere Gewerbe gehören natürlich in Industriegebiete, die alleine schon wegen der Lieferwege bevorzugt außerhalb der Innenstadt und an Verkehrswegen (Autobahn, Bahnstrecken, etc.) angesiedelt werden sollten. Das betrifft auch Tankstellen und Feuerwachen, usw. insoweit, als sie nicht mitten in (auch) zum Wohnen oder Aufhalten genutzten Gebieten vorgesehen werden sollten, sondern z.B. an Ausfallstraßen.
Büros von Dienstleistungsbetrieben (z.B. Kanzleien, Designagenturen, Versicherungsmakler, etc.), können aber in gemischten Gebieten wunderbar mit Wohnnutzungen und Einzelhandel/Gastronomie harmonieren und so auch in der Innenstadt bestehen. Dadurch gibt es auch tagsüber, wenn die Bewohner auf Arbeit sind, Bedarf an Einzelhandel und Gastronomie vor Ort, sowie auch in Randzeiten, wenn der Bedarf privater Natur ist. In einem reinen Büro-Park muss es dann z.B. entweder eine Kantine geben oder in der Mittagspause wird woanders hin gefahren, um zu essen.
Wie gemischte Nutzung heutzutage funktionieren kann, sieht man z.B. am "Haus am Schauspielgarten", wo im Erdgeschoss ein Supermarkt eingezogen ist (auch wenn die Architektur hätte besser sein können und die Schaufenster nicht verklebt sein müssten), der ansonsten ja auch "auf der grünen Wiese" in irgendeinem Industriegebiet hätte entstehen können. Wenn es momentan nicht so einen großen Bedarf an Wohnraum geben würde, hätte man sicher auch in einer Etage Büroräume vorgesehen, wie das z.B. auch in der Weißen Gasse in den 50ern gemacht wurde und sogar in Gorbitz auf der Braunsdorfer Straße in den Plattenbauten, wo die Erdgeschosswohnungen von Arztpraxen, Büros und Geschäften belegt waren.
Die autogerechte Stadt ist ja nicht durch natürliche Entwicklung der Nutzungstrennung entstanden, sondern wurde zusammen mit dieser so geplant - und das hat sich eben als nicht nachhaltig herausgestellt. Mobilität ist natürlich wichtig, aber in der Innenstadt sollten kurze Wege ermöglicht werden, was die autogerechte Stadt absichtlich verneint und die Möglichkeit verweigert, Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen zu erledigen, weil die Verkehrsflächen vorrangig für MIV ausgelegt sind. Wer bei Bosch arbeitet, soll natürlich auch mit dem Auto hinfahren können. Es geht aber überhaupt um die Möglichkeit, in 100 Meter Entfernung zum Wohnort zu arbeiten, einzukaufen usw., ohne erst irgendwohin fahren zu müssen. Im Übrigen ist auch bzgl. der Architektur diese kleinteilige Parzellierung und Mischnutzung vorteilhaft, denn das schafft Abwechslung und verhindert überdimensionierte und langweilige Baukörper.
Wenn um 1900 im EG eine Bäckerei einzog und der Geselle evtl. mit einem Lastenfahrrad das Mehl vom Großmarkt am Bahnhof Mitte holte, und die Bewohner der umliegenden Straße auf dem zu Fuß oder per Straßenbahn zurückgelegten Nachhauseweg von der Arbeit dort einkauften, klingt das für mich genau nach der Verkehrswende und dem Nachhaltigkeitskonzept für die Stadt, das heute doch überall gepriesen wird. Das Vorbild des Städtewachstums um die Jahrhundertwende ist nämlich genau aus diesem Grund ein solches: Weil es kaum private PKW in der Stadt gab, hat die Stadt ohne selbige funktioniert.