Wichtiger als ein massiver Ausbau des Straßenbahnnetzes ist - bei aller grundlegender Zustimmung meinerseits - derzeit natürlich die Ertüchtigung der Bestandsstrecken (u.a. für die breiteren Stadtbahnwagen aber auch immer noch Beseitigung von Hochwasserschäden), sowie der Ausbau der intermodalen Verknüpfungspunkte. Zu letzterem zählen im Zuge des bevorstehenden Ausbaus des S-Bahn-Netzes z.B. der Haltepunkt Cotta und der Bahnhof Niedersedlitz, aber auch P+R-Plätze wie in Bühlau. Ebenso wird im Zuge der Diversifizierung und Vergrößerung des Fahrzeugparks eine zweite Anbindung und Erweiterung des Betriebshofs Gorbitz wichtig werden.
Wie langsam Verkehrsinfrastrukturplanungen verlaufen und welche Hürden es dabei gibt, sieht man z.B. an der verworfenen Planung eines S-Bahn-Haltepunktes an der Nossener Brücke oder auch die nicht vorgesehene Straßenbahntrasse über die Waldschlößchenbrücke, die meines Wissens auch nicht einfach so nachrüstbar ist. Wenn die Trasse zwischen Löbtau und Strehlen bis 2030 fertig ist, kann man schon froh sein. Und bei der Verbindung Johannstadt-Plauen ist ja momentan auch noch gar nichts in trockenen Tüchern. Dort geht es auch um eine Ausweichstrecke über die Pillnitzer Straße, die bei der städtebaulichen Neuordnung der gesamten Pirnaischen Vorstadt Berücksichtigung finden muss, d.h. sie wird auch nicht allzu schnell kommen. Auch die Planungen in Striesen liegen ja nach einem Beschluss des Stadtbezirksbeirates Blasewitz politisch vorerst auf Eis - gleichwohl dieser ja nur beratende Funktionen hat.
Ein weiterer Punkt: Straßenbahntrassen sind teuer in der Planung und beim Bau und werden deswegen fast immer nur mit immensen Fördergeldern möglich. Diese kommen nicht in der Höhe und Frequenz, wie sie notwendig wären, um einen massiven Netzausbau so schnell voranzutreiben.
Zudem hat Dresden bereits eines der besten Nahverkehrsnetze, wozu u.a. die Querverbindungen der Buslinien zählen. Ein Ausbau des Straßenbahnnetzes muss immer mit dem Busnetz zusammen gedacht werden. Durch den Ersatz z.B. der 60er-Buslinien (die ja langfristig dafür vorgesehen sind) werden sich veränderte Fahrgastströme ergeben, die eine Anpassung der tangierenden Buslinien erfordern wird. Womöglich ergeben sich daraus ganz neue Anforderungen, die mit so einem Masterplan nicht abgedeckt sind.
Ein weiterer Aspekt ist die Netzstruktur der Straßenbahnlinien. Alle Linien verkehren durch das Stadtzentrum, bzw. zumindest entlang des 26er-Rings, d.h. man muss in Dresden höchstens einmal umsteigen, wenn man nur mit der Straßenbahn fährt. Dieses Merkmal ist meiner Meinung nach wichtig, um eine Linie rentabel zu betreiben, weil damit so viele Fahrgäste wie möglich erreicht werden. Dresden ist auf diese Vernetzung mit dem Stadtzentrum angewiesen. Linien, die am Stadtzentrum vorbei führen, werden nur möglich sein, wenn eine durchgehende Fahrgastfrequenz durch Nebenzentren (wie z.B. die Uni - aber nur wochentags und nicht nachts) gegeben ist.
Und natürlich muss man neben der demografischen Entwicklung in absoluten Bevölkerungszahlen auch die soziale Durchmischung der einzelnen Stadtteile betrachten, bzw. die häufig nachgefragten Relationen und deren Alternativen (z.B. per MIV). Deshalb wird z.B. die Linie 7 die neue Strecke zur Uni bedienen, weil sie die großen Studentenwohnviertel Gorbitz, Löbtau und die Neustadt direkt an die Uni anbinden wird. Aus diesem Grund wurde beim Bau der Strecke nach Pennrich übrigens auch (entgegen der ursprünglichen Planung) statt der 2 die 7 verlängert, um eine Verbindung zum Hauptbahnhof anzubieten, bzw. den Regionalverkehr in Gompitz damit zu verbinden.
Das ist noch ein weiterer Punkt: Verkehrsinfrastruktur lässt sich in dem Umfang nur in Abstimmung mit den umliegenden Gemeinden und Landkreisen planen, denn diese haben ebenfalls Planungshoheit und bestimmte Verkehrsbedürfnisse, die letztlich im Verkehrsverbund und damit auch mit der Landesregierung abgestimmt werden müssen.
Wie immer gilt also: Es ist kompliziert. Masterpläne lesen sich immer schön, scheitern aber oft an ihrer, durch die Größe der Aufgabe bedingten, Vernachlässigung vieler wichtiger Aspekte, die im alltäglichen Planungsprozess und im politischen Betrieb enorm wichtig sind. Da ich selbst auch gerne solche Planspiele gemacht habe, habe ich aber Respekt vor der Arbeit, die da drin steckt.