Arwed ich meine alle Vorschläge, inklusive den beiden genannten und den Utopien aus dem Semesterprojekt der TU, die im nächsten Semester wohl noch detaillierter ausgearbeitet werden.
Wir sind uns ja offenbar einig, dass es darum geht, den Verkehrszug Carolaplatz-Georgplatz (bzw. auch darüber hinaus) zu verkleinern. Ich bin allerdings der Auffassung, dass es hier nicht vorrangig um ein Verkehrsthema geht (bzw. gehen sollte), sondern um Städtebau. Verkehr hat sich dem Städtebau unterzuordnen, und das wurde ja auch bereits vor langer Zeit mit der geplanten Verlegung der Bundesstraßen (und damit von Durchgangsverkehr) aus der Innenstadt heraus entschieden. Eine neue Brücke im Ostragehege war bisher nicht mehrheitsfähig und es sprechen (außer verkehrlichen) auch ziemlich viele Aspekte dagegen, v. a. auch ökologische und finanzielle. Es soll jetzt also schon um zwei bis drei neue Brücken gehen, bevor irgendwas anderes überhaupt nur besprochen wird? Das halte ich nicht für zielführend, nicht nur wegen meiner Konzentration auf Städtebau, sondern auch finanziell und politisch - habt ihr das Gezerre um die Waldschlößchenbrücke denn schon vergessen, oder das Blaue Wunder, oder die anstehende Sanierung der Marienbrücke? Und was ist mit den Bauleitplanverfahren, die ja bereits jetzt schon in dem Gebiet laufen und alle diese Aspekte bisher völlig außen vor gelassen haben?
Aus meiner Sicht braucht es eine breite Diskussion darüber, wie unsere Stadt aussehen und funktionieren soll. Der Verkehr ist dabei Ergebnis und nicht Voraussetzung. Und natürlich geht es dabei auch und vor allem um Gebäude, Ensembles, Plätze, Räume im Allgemeinen und auch darum, wie sie aussehen sollen oder können. Stadt- und Raumplanung ohne eine klare Vorstellung davon mündet in beliebige Inseln von bezuglosen Stadträumen ohne urbane Qualitäten, wenn man Gegebenheiten nicht in Frage stellt und eine Vision entwickelt, wohin es gehen soll. Zu diesen Gegebenheiten zähle ich den Verkehrszug in seinen jetzigen Ausmaßen, inklusive aller Begleiterscheinungen, wie eben z. B. der Baumreihen, die bei einem Erhalt die Schneisenwirkung zementieren. Solche Flächen inmitten der Innenstadt als Folge der autogerechten Stadt will ich nicht heilig sprechen, bzw. sie in zu urbanen Stadträumen kompatible qualitativ hochwertige Grünflächen umwandeln, wie z. B. einen Promenadenring mit Kaitzbach und passender Bebauung (das ginge übrigens auch mit Verpflanzungen). In Konsequenz der Unantastbarkeit dieser Schneise wurde allerdings auch schon von Landschaftsplanung anstelle von Stadtplanung gesprochen - direkt zwischen Alt- und Vorstadt, in unmittelbarer Nähe zu Blüherpark, Bürgerwiese, Großem Garten, während die Vorstädte massiv zersiedelt und unterverdichtet sind - welch ein städtebaulicher Unsinn!
Eine Debatte über eine Brücke ohne Klarheit, in welche Räume sie eingebunden, bzw. welche sie verbinden wird, ist eine rein verkehrliche Debatte und führt ganz sicher nicht zu den Ergebnissen, die ihr euch als logische Konsequenz vorstellt. Eine städtebauliche Debatte ist jetzt angebracht, denn es können damit jetzt Entscheidungen herbeigeführt werden, die für eine Brückendiskussion überhaupt erst Voraussetzungen schafft, während gleichzeitig viele andere Probleme gelöst werden, die man sonst aufschiebt: Wohnraum, Aufenthaltsqualität, Investitionen, und auch verkehrliche Regelungen, die im Moment sowieso stattfinden müssen und entsprechend gelenkt werden können. Mir ist klar, dass z. B. im Moment viel Widerspruch zu Überlegungen einer Rekonstruktion der alten Carolabrücke (oder überhaupt einer schmaleren Brücke) kommen, weil die Räume, die sie umgeben, das derzeit nicht hergeben. Stellt euch vor, ihr würdet auf einem dichter gefassten Rathenauplatz stehen, dann wäre das schon etwas ganz anderes. Im Moment findet eine Brückendiskussion unter den Vorzeichen der weiterhin bestehenden breiten Sankt Petersburger Straße und dem ach so wichtigen Durchgangsverkehr statt, der durch Räume führt, wo ja sowieso nichts los ist, eine schmale Brücke also ein unnötiges Hindernis wäre. Genau deshalb haben wir es mit Gesprächen über Ersatzneubau, Teilerhalt, angeschraubte Radwege, teilaufgehobene B-Pläne, etc. - also mit Flickschusterei und Resignation zu tun. Es braucht eine städtebauliche Vision!
Und nochmal, weil das vielleicht nicht klar geworden ist: Meine Gedanken entspringen nicht der Prämisse, so viele Rekonstruktionen wie möglich einzufordern, sondern der Einsicht, dass der historische Stadtgrundriss eine perfekte Schablone für die Lösung der anstehenden Probleme ist und dieser im Gegensatz zu Experimenten mit neuen Konzepten (die sich andernorts als nicht sinnvoll erwiesen haben) viele Möglichkeiten schafft - neben "modernen" Zutaten eben auch Rekonstruktionen oder traditionellen Städtebau möglich macht, die das Stadtbild bereichern und dessen Geschichte sichtbar machen würden. Ich fände ein rekonstruiertes Redlichhaus grandios, aber ich präsentiere es nicht als Prämisse, sondern als Möglichkeit, als Dokumentation, wie der Stadtraum aussah und welche Qualitäten er hatte. Stellt euch doch einen Kopfbau à la Verwaltungszentrum, World Trade Center oder Fernbusbahnhof vor, wenn euch das so stört.
Kurz gesagt: Wenn der historische Stadtgrundriss sinnvoll und möglich ist, warum denn eigentlich nicht? Mir konnte nämlich bisher niemand objektive Nachteile dieses Vorgehens darlegen, außer einer generellen Ablehnung, weil "Rekonstruktion" oder "geht nicht mehr wie früher" oder "Pferdekutsche und Klo im Hof".