^ Unbestritten war der Krieg ein fürchterlicher Einschnitt in die Stadtgeschichte, und auch danach ist noch viel zerstört worden, was man hätte erhalten können. Auch habe ich bereits geschrieben, dass ich gegen den Abriss in der Schuhstraße bin. Trotzdem ist Deine These irreführend, wonach man auch heute noch sukzessive abreiße, bis nichts mehr übrig sei, und dabei einzigartige Braunschweiger Architektur ständig durch "identitätslose Häuser" ersetze. Das ist, mit Verlaub, wohlfeiler Kulturpessimismus - man bekommt schnell Applaus dafür, ohne allzu viel begründen zu müssen. Ich versuche es mal mit ein paar Gegenargumenten:
1. Im Gegensatz zu Deinem Argument vom langsamen Verschwinden jeglicher historischer Substanz wurde in Braunschweig seit Ende der Achtziger einiges (teil-)rekonstruiert, was bereits weg war: Das Landschaftliche Haus am Eiermarkt, mehrere historische Fassaden des Kohlmarkts, die Schlossfassaden, im Krieg ruinierte Gründerzeithäuser, etc. Zumindest innerhalb des Umflutgrabens ist heute mehr historisch anmutende Bausubstanz zu sehen als vor 30 Jahren.
2. Dass das industrialisierte Bauen der letzten hundert Jahre viel Verwechselbares hervorbringt, ist leider wahr. Falsch ist die Gegenthese, vor 400 Jahren wäre jedes Gebäude der unverwechselbare Ausdruck einer einzigartigen (in diesem Falle Braunschweiger) Stadtkultur gewesen. Das trifft auf Repräsentationsbauten wie das Gewandhaus oder das Altstadt-Rathaus sicher zu - Häuser wie das bedrohte in der Schuhstraße entsprechen aber einem Typus, wie er in dessen Entstehungszeit in ganz Norddeutschland verbreitet war. Noch heute findet man dutzende Exemplare davon in zahlreichen Städten.
3. In der Burgpassage geht es - mit Ausnahme eines einzigen Gebäudes - darum, modernes Bauen der 1980er- durch modernes Bauen der 2010er-Jahre zu ersetzen. Beides ist in gewisser Weise verwechselbar, das stimmt, aber die neue Variante scheint sich mir doch deutlich stärker an den Charakter einer Altstadtgasse mit Windungen und kleinen Plätzchen anzulehnen als die bestehende Passage. Will man den vorliegenden Entwurf fair beurteilen und kritisieren, gehört dieser Umstand dazu. Sonst erweckt man den Eindruck, hier solle Häuserzeilen-Weise historische Bausubstanz durch Stahlbeton ersetzt werden. Und das ist einfach falsch.