Warum nicht? Warum hat man sie denn sonst für eine solche Kapazität gebaut? Man kann doch nicht eine solche Brücke bauen und dann beklagen, dass es schwer sei, hinzukommen. Wenn es da Missstände gibt, sind die anzugehen, damit die teure Waldschlößenbrücke gemäß ihrer Größe genutzt werden kann.
Die Waldschlösschenbrücke ist eher für den Dresdner Osten konzipiert, nicht vordringlich für das Zentrum. Der versprochenen Entlastung des Blauen Wunders habe ich schon immer skeptisch gegenübergestanden. Es ist verkehrstechnisch fast unmöglich (und m.E. auch generell nicht sinnvoll), den Verkehr, der aus Richtung Pillnitz kommt und die Elbe queren möchte erst entweder via Grundstr. oder Schillerstr. zur Bautzner Landstr. hochzuführen und dann über die Waldschlösschenbrücke umzuleiten. Dort gibt es etliche Nadelöhre, die nur durch Abriss zu entschärfen wären.
Wo sie tatsächlich eine Entlastung bringen konnte, ist beim "Diagonalverkehr", der ohnehin über die Bautzner Landstr. und in Richtung (oder aus Richtung) Stadtzentrum fließt; hier gibt es m.E. jetzt gute Gründe, nicht über das Blaue Wunder zu fahren. Beim Verkehr aus Tolkewitz oder Leuben in Richtung Bühlau oder Weißig sieht es schon wieder anders aus - dort liegt das Blaue Wunder einfach näher.
Ebenso stellt die Waldschlösschenbrücke eine Entlastung/günstigere Verbindung zwischen Autobahn und den Gebieten südöstlich dar. Man muss sich doch nur mal ansehen, was die Hauptzubringer sind: Stauffenbergallee und Fetscherstraße. Und gerade bei letzterer sind Zu- und Abflüsse eben nicht ganz unproblematisch.
Die Bündelung des Verkehrs über die St. Petersburger Str. und die Carolabrücke ist sehr schwer zu "entbündeln"; das Umleiten des Verkehrsstroms aus dieser Richtung z.B. zur Albertbrücke oder gar zur Waldschlösschenbrücke ist städtebaulich ähnlich schwierig wie die Situation am Blauen Wunder. Die Lage z.B. an der Steinstr. war wochentags schon vorher unbefriedigend - dort jetzt ggf. zusätzlichen Verkehr auf das Terrassenufer abzuführen, dürfte diese Verbindung komplett überfordern. (Übrigens: Die Verkehrsmengen des Terrassenufers zwischen Carolabrücke und Albertbrücke sind in den letzten Jahren beeindruckend gleich geblieben.)
Verkehrsströme und ideale Routenplanung gehören zum Komplexesten, was es überhaupt gibt. Aus städtebaulicher Sicht liegt es hingegen klar auf der Hand: Dass die meisten Elbbrücken in kurzer Distanz zueinander die Zentren von Neu- und Altstadt verbinden, war zur Zeit ihrer Erbauung, als noch nicht hunderttausende von Fahrzeugen darüberfuhren, sinnvoll. Die heutigen MIV-Verkehrsmengen auf innerstädtische Routen zu lenken, ist städtebaulich furchtbar. Dieser Platz muss geräumt und einem beschleunigten ÖPNV zur Verfügung gestellt werden.
Das mag man furchtbar finden, aber es ist gleichzeitig nun mal ein "fact of life". Die hunderttausenden Fahrzeuge fahren ja nicht zum Vergnügen dort rüber. Beschleunigter ÖPNV bedeutet übrigens auch bisweilen Zurückstellung des Radverkehrs, weil die historischen Straßenbreiten eine saubere Entflechtung der Verkehrsarten nicht erlauben; die Könneritzstr. ist dort ein mahnendes Beispiel, ebenso der Straßenbahnhof Mickten.
Als Demonstration, wo und warum ÖPNV seine Grenzen hat, mag einer meiner Arbeitswege dienen: Mit dem Auto sind es ziemlich zuverlässig 10 Minuten von Tür zu Tür. Mit dem ÖPNV sind es 30 Minuten, wobei alleine knapp 20 Minuten auf Fußwege entfallen. Da ist beim ÖPNV auch nicht mehr viel zu beschleunigen - die Bahnen fahren bereits auf getrenntem Gleiskörper. Die Attraktivität des MIV kommt ja nicht von ungefähr. Die Verkehrsströme sind da - Menschen wohnen an einem Ende der Stadt und arbeiten am anderen. Wenn ich von Tür zu Tür mit ÖPNV ähnlich schnell bin wie mit dem Auto, fällt die Entscheidung leichter. Wenn ich alleine per pedes doppelt so lange unterwegs bin, um überhaupt ÖPNV nutzen zu können, sieht es schon wieder anders aus.
Arbeit und Ausbildung machen übrigens nur ca. 40% der Wegstrecken in Metropolen aus (S. 61 ff). Auch wenn man nur die Pkw-Nutzung betrachtet, machte laut MiD 2017 der Zweck "Arbeit/Dienst/Ausbildung" weniger als 50% der Fahrten aus (S. 71). Für Freizeitfahrten gibt es jedoch genug Alternativen im Umweltverbund. (Mobilität in Deutschland – MiD. Ergebnisbericht. BMVI, infas, DLR, IVT, infas 360. Bonn, Berlin (mobilitaet-in-deutschland.de))
Die Freizeitfahrten fallen insgesamt in etwa so ins Gewicht wie "Erledigungen" und "Einkaufen" zusammen. Wenn ich "freizeittechnisch" in den Urlaub fahre, ist der Umweltverbund aus verschiedenen Gründen keine Alternative.
Ich sehe das tatsächlich umgekehrt. Das knappe Gut in der Stadt ist der Raum, denn der ist begrenzt. Vom Stadtraum muss man abhängig machen, wieviel Verkehr er verträgt. Verkehr ist hingegen ein unbegrenzter Faktor, der zur Ausdehnung neigt. Daher muss man den Verkehr begrenzen, um ihn mit der Begrenztheit des Raumes in Einklang zu bringen.
Das knappe Gut, an dem sich letztlich alles bemisst, ist Zeit. Unser Leben ist von einem hohen Grad an Mobilität abhängig - ich könnte meinen Beruf in dieser Form ohne MIV nicht ausüben. Auch ein beschleunigter ÖPNV wird mir vermutlich nicht erlauben, meine Arbeitsstellen teilweise mehrmals am Tag in kurzer Zeit zu wechseln. Der kritische Faktor ist dabei sehr oft die "letzte Meile", also der zusätzliche Weg vom ÖPNV zum eigentlichen Ziel. Das kann ÖPNV aber auch nicht leisten.
Die Szenarien, nach denen der MIV durch ÖPNV zurückgedrängt wird, wirken auf mich - basierend auf meiner Lebenswirklichkeit - utopisch.