Kahlschlag oder Heilung?
Immerhin zeigt die Aggressivität, mit der die Reko-Lobby hier ihre Kampagne betreibt, dass die Chancen für das Bürgerbegehren nicht so schlecht stehen.
Ich weiß nicht, ob dies ein Seitenhieb auf mich sein soll und vermeintliche Aggressivität?
Wenn ja, dann fände ich das schade, aber glaube, dass eine verbale Abrüstung dann Ihnen ebenfalls gut zu Gesicht stünde.:)
Letzten Endes dreht sich der Streit in Potsdam doch darum, ob Gebäude, die zu DDR Zeiten entstanden und die:
a) nicht das Gesicht einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft abbildeten
(und DARAN muss man auch 25 Jahre nach dem Mauerfall immer wieder erinnern und darf keiner Ostalgie zum Opfer fallen: die DDR war ein Unrechtsstaat mit ihrer massenhaften Bespitzelung, Mauertoten und Zwangsadoptionen! Da darf es kein Geschwurbel und keine Relativierungen geben!)
b) reine Zweckbauten waren
c) sich kein bißchen am historischen Stadtgrundriß orientierten oder diesen sogar mutwillig zerstörten
d) mittlerweile den Zweck nicht mehr erfüllen können (techn. Fortschritt), für den sie gebaut wurden und
e) so marode sind, dass sie nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand wieder instand gesetzt werden können und
f) für deren Sanierung man erst einmal "krampfhaft" eine neue Zweckbestimmung finden müßte, damit diese Sanierungskosten auch gerechtfertigt erscheinen.
g) da stellt sich schon berechtigterweise die Frage (und dies hat mitnichten etwas mit aggressiver Streitkultur von "Reko-Befürwortern" zu tun), ob Gebäude, die teilweise oder in Gänze selbst kahlschlagmäßig über Jahrhunderte gewachsene Strukturen zerstörten, für sich in Anspruch nehmen dürfen, besonders geschützt zu werden, in einer Zeit:
h) da wir besonders Wohnungen brauchen
(und bei allem Respekt, nicht unbedingt Künstlerateliers in der Stadtmitte)
i) die noch dazu durch Grundstücksverkäufe Geld in die städtischen Kassen spülen
j) für deren Bau größtenteils private Investoren verantwortlich sind und bei denen
k) auch noch sicher gestellt ist, dass immerhin ein beträchtlicher Teil neuer Wohnungen zu absolut vertretbarem Mietzins in einer begehrten Innenstadtlage geschaffen werden sollen.
Inakzeptabel finde ich langsam aber sicher das immer wieder gern geäußerte Argument, dass hier nur an "Preußens Glanz und Gloria" erinnert werden sollte und dass man nur daran interessiert sei, die Identität von DDR-Bürgern zu beschädigen.
a) bin ich felsenfest überzeugt: hätte sich an der Stelle des Rechenzentrums ein NAZI-KZ oder auch ein Stasi-Untersuchungsgefängnis befunden...dann könnte gar keine Rede davon sein, dass man dies beseitigen würde.
b) frage ich mich immer: euphemisches "Preußens Glanz und Gloria"?
Tatsächlich gefallen auch mir historische Bauten aus dieser Epoche besser als die meisten West-und Ostbauten aus den 50ern-90ern.
Überraschenderweise scheint das den meisten meiner Zeitgenossen so zu gehen...warum wohl?
Vielleicht ist es so, dass etwas vom Glanz dieser Gebäude auch auf einen selbst abfällt, wenn man da Mieter ist..kann das sein? Ich kann daran nichts schlechtes entdecken in einer digitalen Zeit, in der "1 und 0" zum Maßstab aller Dinge geworden sind!
c) frage ich mich bei dem Argument der DDR-Identität immer: WER kommt eigentlich auf diese hanebüchene Idee, das Selbstverständnis der Gesamtheit von DDR-Bürgern mit bestimmten Bauten zu konnotieren?
Meiner Überzeugung trifft dies Argument höchstens für ehemalige DDR-Bürger zu, die damals für die Planung und Errichtung dieser Bauten verantwortlich waren, dafür bezahlt wurden und die nun um ihr "Lebenswerk" fürchten.
Dass deren "Lebenswerke" oft unter Mißachtung des Bürgerwillens errichtet wurden oder aber ohne überhaupt ein Meinungsbild eingeholt zu haben (und wann bitteschön ist das jemals zu DDR-Zeiten in Potsdam erfolgt..und noch wichtiger: hätte sich nicht die SED-Parteiführung einfach darüber hinweggesetzt?), ist doch nun Weißgott kein Ruhmesblatt für diese Epoche der gesamtdeutschen Geschichte.
Was mich wundert und damit komme ich zum Abschluß meines heutigen Beitrages:
Ich habe jahrelang in Paris und sowohl im europ. wie im außereurop. Ausland gelebt.
Während ich im Ausland eigentlich bei solchen Bauvorhaben immer den Eindruck hatte, dass es sich fast immer nur um Fragen der Ästhetik handelte , wird in Potsdam mit einer Verbissenheit ohnegleichen, die mehr mit Ideologie zu tun hat als mit Architektur, gestritten.
Ich verstehe das nicht ganz.
Zeigt denn die Entwicklung der letzten 20 Jahre nicht, dass die Stadt Potsdam liebenswerter geworden ist..und hat das nicht auch etwas mit "Rekos" zu tun?
Die Beliebtheit Potsdams bei Touristen (immerhin ein ziemlich wichtiger Wirtschaftsfaktor) rührt doch nicht von der Zuneigung zum Rechenzentrum oder dem Mercure her? Wenn das so wäre...dann müßten solche Städte in Ost..oder Westdeutschland, die durch moderne "Stadtplaner" fast platt gemacht wurden, wahre cashcows im Tourismusgewerbe sein. Oh Wunder..DAS aber sind sie gerade nicht! Solange "Rekos" qualitätsvoll sind, sowohl von der Ausführung wie auch von der Materialwahl finde ich sie genauso wünschenswert und wichtig wie zeitgenössische Architektur!